Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 21.02.2006; Aktenzeichen 10 LB 45/03) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2006 wird verworfen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 143 390,40 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, mit dem die Beklagte eine Beihilfe für die extensive Bewirtschaftung von Weideflächen zurückgenommen hatte. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Bescheide aufgehoben, weil die Beklagte ihr Rücknahmeermessen nicht ausgeübt habe. Es hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig. Die in Anspruch genommenen Zulassungsgründe werden nicht schlüssig dargelegt, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
1. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), den die Beklagte in erster Linie in Anspruch nimmt, muss der Beschwerdeführer einen rechtlichen Obersatz bezeichnen, den das Berufungsgericht aufgestellt hat und auf dem seine Entscheidung beruht, und ihm einen abweichenden Obersatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines der anderen in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte gegenüberstellen (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 28. Juli 2004 – BVerwG 1 B 22.04 – Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 65). Das leistet die Beklagte nicht.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die angefochtenen Bescheide ihre Grundlage nicht im Gemeinschaftsrecht fänden, sondern nur im nationalen Recht finden könnten. Hierzu hat es ausgeführt, das Gemeinschaftsrecht enthalte keine Rechtsvorschriften, die die Befugnis der Behörden gegenüber dem Beihilfeempfänger regeln, Bewilligungsbescheide über in Durchführung des Gemeinschaftsrechts gewährte Prämien und Beihilfen zurückzunehmen oder zu widerrufen. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1258/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl EG Nr. L 160 S. 103) träfen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen vielmehr gemäß ihren eigenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften.
Dies steht in Übereinstimmung mit dem von der Beklagten angeführten Urteil des Senats vom 10. Dezember 2003 – BVerwG 3 C 22.02 – (Buchholz 316 § 49 VwVfG Nr. 44). Allerdings hatte der Senat dort weiter ausgeführt, dass sich – mit Blick auf den ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall – anderes auch nicht aus den Durchführungsverordnungen der Kommission ergebe. In diesem Zusammenhang ist er unter anderem auf Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 der Kommission vom 23. Juli 1999 (ABl EG Nr. L 214 S. 31) und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl EG Nr. L 391 S. 92) eingegangen. Auf diese Ausführungen nimmt die Beklagte Bezug. Sie legt jedoch nicht dar, inwiefern das Berufungsgericht hiervon abgewichen sei. Eine Divergenz ist auch nicht ersichtlich. Tatsächlich hat das Berufungsgericht bei der Feststellung der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 überhaupt nicht in den Blick genommen. Die Beklagte rügt damit in Wahrheit, dass das Berufungsgericht Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 insofern übersehen habe. Damit aber ist der Zulassungsgrund der Divergenz nicht dargetan.
2. Auch den weiter in Anspruch genommenen Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) legt die Beklagte nicht genügend dar. Hierzu wäre erforderlich gewesen, eine Rechtsfrage zu bezeichnen, die sich dem Berufungsgericht gestellt hat, und näher auszuführen, inwiefern diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit der Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und inwiefern hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Dem wird das Beschwerdevorbringen schon im Ansatz nicht gerecht.
Die Beklagte hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob “in Fällen, in denen es zu Rückforderungen aufgrund der Nichteinhaltung oder (des) Nichtvorliegen(s) von Zuwendungsvoraussetzungen kommt”, “den gemeinschaftlichen Regelungen zur Rückforderung von zu Unrecht gewährten Zuwendungen … der Vorzug vor den nationalen Vorschriften der §§ 48 und 49 VwVfG einzuräumen” ist. Damit ist eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht bezeichnet. Das weitere Beschwerdevorbringen lässt zwar erkennen, dass die Beklagte an Art. 48 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 in Verbindung mit Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 (ABl EG Nr. L 212 S. 23) denkt. Es unterliegt aber keinem Zweifel und bedarf daher nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass diesen Vorschriften im Rahmen ihres Anwendungsbereichs der Anwendungsvorrang vor den Vorschriften des nationalen Rechts zukommt. Offenbar möchte die Beklagte auch nicht die Tatsache des Anwendungsvorrangs geklärt wissen, sondern die Reichweite des Anwendungsbereichs der genannten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. Insofern formuliert sie aber keine klärungsfähige Rechtsfrage. In Wahrheit meint sie lediglich wiederum, das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass Art. 48 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1750/99 im vorliegenden Falle einschlägig sei und § 48 VwVfG verdränge. Damit aber rügt sie lediglich eine falsche Rechtsanwendung im Einzelfall.
Im Übrigen betrifft die Grundsatzrüge ausgelaufenes Recht. Die Verordnung (EG) Nr. 1750/99 ist durch die Verordnung (EG) Nr. 445/2002 der Kommission vom 26. Februar 2002 (ABl EG Nr. L 74 S. 1) und diese wiederum durch die Verordnung (EG) Nr. 817/2004 der Kommission vom 29. April 2004 (ABl EG Nr. L 153 S. 30, berichtigt Nr. L 231 S. 24) ersetzt worden. Ebenso ist an die Stelle der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 zwischenzeitlich die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 (ABl EG Nr. L 327 S. 11) getreten. Die Vorschriften über die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beihilfen in dem neuen Regelwerk stimmen mit dem alten Recht auch nicht überein. Damit kann eine Klärung einer Zweifelsfrage zum alten Recht nicht zur Fortentwicklung der Rechtsprechung beitragen, wie dies für die Grundsatzrevision vorauszusetzen ist (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 sowie § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen