Leitsatz (amtlich)
§ 25 Abs. 1 Satz 3, § 26 Abs. 1 Nr. 3 WDO sind weder auf die Soldatenvertreter in Personalvertretungen noch auf den Soldatenvertreter, der im Dienstgrad eines Unteroffiziers bei der Mehrheitswahl die höchste Stimmenzahl erreicht hat, entsprechend anzuwenden.
Tenor
Eine Truppendienstkammer hat dem Bundesverwaltungsgericht – Wehrdienstsenate – folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
„Sind §§ 25 Abs. 1 Satz 3, 26 Abs. 1 Nr. 3 WDO auf die Soldatenvertreter in Personalvertretungen oder auf den Soldatenvertreter, der im Dienstgrad eines Unteroffiziers bei der Mehrheitswahl die höchste Stimmzahl erreicht hat, entsprechend anzuwenden?”
Im Verfahren nach § 38 WDO i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 1 WDO beantwortete der Senat die gestellte Rechtsfrage, wie aus dem Leitsatz ersichtlich.
Gründe
Aus den Gründen:
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 WDO übt der nächste Disziplinarvorgesetzte die Disziplinargewalt aus, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Ausnahmen von dieser Regelzuständigkeit sind in § 25 Abs. 1 Satz 3 und § 26 Abs. 1 und 2 WDO normiert; in § 25 Abs. 1 Satz 3 WDO, der mit der korrespondierenden Schutzvorschrift des § 25 Abs. 2 VertrMWG übereinstimmt, und in § 26 Abs. 1 Nr. 3 WDO ist festgelegt, daß dem nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten die disziplinare Erledigung von Dienstvergehen des Vertrauensmannes obliegt. Der Vertrauensmann, der nach § 35 Abs. 1 bis 3 SG gewählt und nach § 35 Abs. 4 SG zur verantwortungsvollen Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Untergebenen sowie zur Erhaltung des kameradschaftlichen Vertrauens beitragen soll, darf nach § 25 Abs. 1 VertrMWG in der Ausübung seiner Befugnisse nicht behindert und wegen seiner Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Durch die Ausnahme von der Regelzuständigkeit soll vermieden werden, daß es zwischen dem nächsten Disziplinarvorgesetzten und dem Vertrauensmann zu Verstimmungen kommt, die das zwischen ihnen notwendige Vertrauensverhältnis belasten; insbesondere soll dem nächsten Disziplinarvorgesetzten die Möglichkeit genommen werden, mit den Mitteln des Disziplinarrechts auf den Vertrauensmann Druck auszuüben (Dau, WDO 1979 § 25 RdNr. 5).
Für Soldatenvertreter besteht keine gesetzliche Ausnahme von der Regelzuständigkeit des nächsten Disziplinarvorgesetzten zur disziplinaren Erledigung von Dienstvergehen. Soldatenvertreter werden nach § 35 a Abs. 1 und 2 SG in Dienststellen und Einrichtungen der Bundeswehr, die nicht Einheiten, Schulen, Stäbe der Verbände usw. im Sinne von § 35 Abs. 1 und 2 SG sind, gleichzeitig mit den Personalvertretungen der Beamten, Angestellten und Arbeiter gewählt und haben nach § 35 a Abs. 3 Satz 3 SG in Angelegenheiten, die nur die Soldaten betreffen, die Befugnisse des Vertrauensmannes. In Angelegenheiten eines Soldaten nach der Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung werden die Befugnisse des Vertrauensmannes der Offiziere, Unteroffiziere oder Mannschaften von dem Vertreter im entsprechenden Dienstgrad wahrgenommen, der im Falle der Mehrheitswahl die höchste Stimmenzahl erreicht hat; falls ein entsprechender Vertreter nicht vorhanden ist, nimmt das gewählte Vorstandsmitglied der Soldatengruppe diese Befugnisse wahr. Damit üben die Soldatenvertreter eine Doppelfunktion aus (Scherer, SG 5. Aufl. § 35 a RdNr. 5).
Die Ausnahmevorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 3, § 26 Abs. 1 Nr. 3 WDO kann im Falle disziplinarer Erledigung von Dienstvergehen eines Soldatenvertreters weder unmittelbar noch entsprechend angewandt werden. Der Gesetzgeber hat sich selbst in § 25 Abs. 1 Satz 1 WDO die Normierung von Ausnahmen vorbehalten.
Vertrauensmann ist nur derjenige Soldat, der nach den Vorschriften des Vertrauensmännerwahlgesetzes zum Vertrauensmann gewählt worden ist. Wenngleich es sich angeboten hätte, den Soldatenvertreter, der in Angelegenheiten eines Soldaten nach der Wehrdisziplinarordnung oder Wehrbeschwerdeordnung die Befugnisse des Vertrauensmannes wahrnimmt, ebenso wie den Vertrauensmann von der Regelzuständigkeit disziplinarer Erledigung von Dienstvergehen auszunehmen und der Disziplinargewalt des nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten zu unterstellen, hat der Gesetzgeber dies bei Erlaß des Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes und des Vertrauensmännerwahlgesetzes vom 25. April 1975 (BGBl I S. 1005), durch das die Regelung des § 35 a SG getroffen worden ist, nicht getan. Aus den Gesetzesmaterialien geht nicht hervor, aus welchen Gründen er davon abgesehen und es bei der Regelzuständigkeit belassen hat. Jedenfalls kann der fehlende Wille des Gesetzgebers, auch für Soldatenvertreter, die die Befugnisse des Vertrauensmannes im Einzelfall wahrnehmen, eine Ausnahme von der Regelzuständigkeit zu schaffen, nicht durch eine entsprechende Anwendung der für den Vertrauensmann erlassenen Ausnahmevorschrift ersetzt werden.
Selbst wenn ein Schutzbedürfnis des Soldatenvertreters, der im Einzelfall die Befugnisse des Vertrauensmannes wahrnimmt, gegeben sein kann, weil diese Tätigkeit nicht durch § 8 BPersVG geschützt ist (vgl. Dau a.a.O. RdNr. 9), ist angesichts des ausdrücklichen Gesetzesvorbehaltes in § 25 Abs. 1 Satz 1 WDO eine Gesetzesanalogie verwehrt.
Im übrigen erscheint zweifelhaft, ob der Soldatenvertreter, der im Einzelfall die Befugnisse des Vertrauensmannes wahrnimmt, in gleicher Weise wie der Vertrauensmann gestellt werden muß, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Die Soldatenvertreter gelten in Personalvertretungen als Gruppe im Sinne des § 5 BPersVG; ihr Gesprächspartner ist der Dienststellenleiter, der nicht in jedem Fall auch der nächste Disziplinarvorgesetzte des oder aller Soldatenvertreter ist. Es kann also zu unterschiedlichen Belastungen der Zusammenarbeit des Soldatenvertreters im Verhältnis zum nächsten und zum nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten kommen, je nach dem, ob der Soldatenvertreter im Einzelfall die Befugnisse des Vertrauensmannes wahrnimmt und dem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder als Angehöriger der Gruppe der Soldaten dem Dienststellenleiter, der häufig der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte sein wird, gegenübertritt. Durch die Verlagerung der Disziplinargewalt über Soldatenvertreter vom nächsten auf den nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten, wie sie in ZDv 14/3 B 120 Nr. 1 Satz 2 intendiert ist, würde daher häufig gerade der Zustand herbeigeführt, der ersichtlich hat vermieden werden sollen, daß nämlich der Soldatenvertreter in größeren Dienststellen dem Disziplinarvorgesetzten gegenübersteht, der als Dienststellenleiter Gesprächspartner des Personalrats bzw. der Gruppe der Soldatenvertreter ist. Es erscheint daher keinesfalls sichergestellt, daß durch eine entsprechende Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 1, § 26 Abs. 1 Nr. 3 WDO der für den Vertrauensmann als möglich und erforderlich angesehene Schutz auch bei dem Soldatenvertreter, der in seiner Dienstgradgruppe bei der Mehrheitswahl die höchste Stimmenzahl erreicht hat, gewährleistet wird. Soweit die Soldatenvertreter in Wahrnehmung ihrer gruppenspezifischen Aufgabenstellung nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz tätig werden, würde sich mit der Verlagerung der Zuständigkeit zur disziplinaren Erledigung vom nächsten auf den nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten sogar die gegenteilige Wirkung ergeben.
Fundstellen