Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 7 E 3817/96 (3)) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist – ihre Zulässigkeit unterstellt – jedenfalls unbegründet. Dem Vorbringen der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, daß der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vorliegt.
1. Die Beschwerde macht geltend, das Verwaltungsgericht habe mehrfach die aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebende Aufklärungspflicht verletzt. Dazu trägt die Beschwerde vor:
Dem Verwaltungsgericht hätte sich angesichts des Verlaufs des Musterungsverfahrens, des Kriegsdienstverweigerungsverfahrens, der schriftlichen Darlegungen des Klägers und seiner Ausführungen im Rahmen seiner Parteivernehmung eine weitere Aufklärung aufdrängen müssen. Insbesondere hätte es durch Fragen aufklären müssen, welche „sittliche Entscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe im Sinne von Gut und Böse der Kläger überhaupt” getroffen habe und „warum es ihm aufgrund dieser Gewissensentscheidung unmöglich sei, Kriegsdienst zu leisten”. Ferner hätte das Gericht erfragen müssen, warum der Kläger sich zwischen 1991 und 1995 den Ladungen zur Musterung entzogen habe, ohne schon in dieser Zeit einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen. Ferner wäre zu klären gewesen, ob der Kläger durch seinen Antrag, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, nicht weniger eine Gewissensentscheidung getroffen habe, sondern für ihn vielmehr die Angst vor Verletzungen im Krieg entscheidend gewesen sei. Soweit der Kläger auf die Erschießung eines hilflosen Tieres während seiner nach drei Monaten abgebrochenen Fleischerlehre abgestellt habe, hätte aufgeklärt werden müssen, inwieweit ein derart weit zurückliegendes Ereignis, das die Tötung eines Tieres und keines Menschen betroffen habe, zu seiner Gewissensentscheidung habe führen sollen. Zudem hätte es dem Gericht oblegen zu klären, weshalb die – als Motiv für die Gewissensentscheidung angeführte – Geburt der Tochter des Klägers die schon vorher getroffene Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung habe verfestigen können. Die Aussagen des Klägers seien durch die Vernehmung von Zeugen, ggf. auch seines Bevollmächtigten, eines Pfarrers, zu überprüfen gewesen.
Dieses Beschwerdevorbringen – auch im Zusammenhang mit den Gründen des angegriffenen Urteils – ergibt nicht, daß das vorinstanzliche Gericht gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen hat. Die Verfahrensrüge genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Wird – wie hier – eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes geltend gemacht, ist darzulegen ist, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen (Beweismittel) für das vorinstanzliche Gericht in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der als zu Unrecht angegebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – DÖV 1998, 117 f. = Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 unter Hinweis auf BVerwG, Beschluß vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Die Beschwerde trägt dazu nichts weiteres vor. Sie legt insoweit im wesentlichen nur dar, daß nach ihrer Auffassung eine andere Würdigung der bereits vorhandenen Beweisergebnisse geboten gewesen wäre. Die von der Beschwerde geführte Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung ersetzt nicht die prozessualen Erfordernisse, die gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an eine Aufklärungsrüge zu stellen sind. Dies gilt auch, soweit die Beschwerde allgemein auf die Notwendigkeit einer Zeugenvernehmung verweist. Die Beschwerde bezeichnet keine Person unter Angabe eines konkreten Beweisthemas, die als Zeuge in Betracht gekommen wäre. Das erstinstanzliche Gericht hat durch Parteivernehmung Beweis erhoben. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. September 1987 – BVerwG 6 C 11.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 192; Beschluß vom 29. April 1991 – BVerwG 6 B 40.90 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 231 – jeweils m.w.N.). Das Beweisergebnis hat das vorinstanzliche Gericht gemäß § 108 Abs. 1 VwGO im Gesamtzusammenhang gewürdigt. Die Beschwerde hält die Beweiserhebung für unvollständig. Damit hat sie jedoch einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht hinreichend dargetan. Die Beklagte muß es hinnehmen, daß sie bei der Parteivernehmung des Klägers keine die ihr gemäß § 98 VwGO in Verb. mit §§ 451, 397 ZPO möglichen und ihr als erforderlich erscheinenden Beweisfragen gestellt hat. Sie war in der mündlichen Verhandlung, in der die Beweisaufnahme vorgenommen wurde, nicht vertreten. Die Aufklärungsrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ermöglicht ihr nicht, derartige Versäumnisse in der Mitwirkungspflicht der Prozeßbeteiligten nachzuholen (vgl. Beschluß vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Die erhobene Aufklärungsrüge ist zudem unbegründet. Maßgebend als Beurteilungsgrundlage der Verfahrensrüge ist die materiell-rechtliche Auffassung des vorinstanzlichen Gerichtes. Nur dann, wenn von daher eine Aufklärung geboten ist, kann die Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen. Das Vorbringen der Beschwerde berücksichtigt dies nicht. Das vorinstanzliche Gericht hat geprüft, ob der Gewissensentscheidung der Klägers gegen den Kriegsdienst mit der Waffe eine ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von „Gut” und „Böse” orientierte Entscheidung zugrunde liegt, die der Kläger in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt innerlich verpflichtend erfährt. Dies hat das Gericht aufgrund des Gesamteindrucks, den es von der Persönlichkeit des Klägers gewonnen hatte, bejaht. Die von ihm dafür angegebenen Gründe sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Den tatrichterlichen Gründen kann das Beschwerdegericht nicht im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge aus materiellrechtlichen Erwägungen entgegentreten. Das vorinstanzliche Gericht hat aus der Gesamtwürdigung der schriftlichen Äußerungen des Klägers und seinen Ausführungen im Zuge der Parteivernehmung entnommen, daß das in der Tat unzulängliche Betreiben des Verfahrens zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer hier angesichts der Umstände des Einzelfalls keine Rückschlüsse auf eine fehlende Gewissensentscheidung zulasse. Angesichts des inhaltlichen Zusammenhangs hat das Gericht damit auch die späte Stellung des Antrags auf Kriegsdienstverweigerung sowie das Verhalten des Klägers im Musterungsverfahren gewürdigt. Allerdings hat es bei dieser Beurteilung weniger Gewicht auf die von der Beschwerde als zweifelhaft herausgestellten Begründungselemente im Vorbringen des Klägers gelegt. Der von der Beschwerde hieraus abgeleitete Aufklärungsmangel ergibt sich daraus nicht. Vielmehr stellt es das Ergebnis einer dem Tatrichter aufgegebenen Beweiswürdigung dar, wenn das Gericht den Lebenslauf des Klägers und dessen Gesamtvorbringen zusammenfassend dahin beurteilt, der Kläger habe glaubhaft als innerlich verpflichtend und unbedingt handlungsbestimmend bekundet, im Kriegsfall nicht auf Menschen schießen zu können und eine solche Situation für ihn nicht erträglich wäre. Hierfür konnte sich das Gericht auf den unmittelbaren Eindruck der von ihm durchgeführten Beweiserhebung beziehen und den als erforderlich angesehenen Beweis als erbracht anerkennen. Dies schloß für das Gericht die Notwendigkeit weiterer Beweiserhebung aus. Dem stehen die von der Beschwerde angeführten Formulierungen der protokollierten Aussage des Klägers nicht entgegen. Das vorinstanzliche Gericht hat offenkundig das sprachliche Vermögen des Klägers, seine an den Kategorien von „Gut” und „Böse” orientierte Entscheidung in Worte zu fassen und seine Hemmungen und ausgeprägte Angst vor Konflikten berücksichtigt und nicht zum Nachteil des Klägers gewertet. Auch aus dieser tatrichterlichen Vorgehensweise läßt sich ein Aufklärungsmangel nicht herleiten.
2. Die Beschwerde macht als Verfahrensfehler ferner eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 und/oder Satz 2 VwGO geltend. Auch dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Revision.
Das vorinstanzliche Gericht hat in seiner Entscheidung diejenigen Gründe angegeben, die für seine Überzeugungsbildung leitend waren. Diesen Gründe ist noch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß und aus welchen Erwägungen das Gericht davon ausgehen konnte, daß der Kläger eine Gewissensentscheidung und keine sonstige Entscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen habe. Soweit das angefochtene Urteil insoweit Unklarheiten enthalten mag, enthält die Begründung des Nichtabhilfebeschlusses vom 19. Mai 1999 die erforderlichen Klarstellungen. Das schließt jedenfalls die Annahme aus, daß die angegriffene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruht. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung ist nicht erkennbar. Eine Verletzung einer von der Rechtsprechung entwickelten Beweiswürdigungsregel wird nicht angegeben. Die Ausführungen der Beschwerde stellen sich insoweit lediglich als Angriff auf die sachliche Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar, indem der Beweiswürdigung des vorinstanzlichen Gerichts eine eigene, davon abweichende Beweiswürdigung entgegengesetzt wird. Damit kann ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO aber nicht dargetan werden.
3. Die Kostenentscheidung folgt auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Niehues, Eckertz-Höfer, Büge
Fundstellen