Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.09.2008; Aktenzeichen 7 E 1072/06 (V)) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen einen einheitlichen Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2006, mit dem gemäß § 335b Abs. 1 i.V.m. § 349 Abs. 3 Satz 3 Lastenausgleichsgesetz (LAG) die Höhe eines Schadensausgleichs bei Schäden an Anteilsrechten und Kapitalgesellschaften festgestellt wurde.
Rz. 2
Der verstorbene Vater des Klägers war Hauptaktionär der Brauerei M…-AG. Deren gesamtes Betriebsvermögen war mit Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kreises A… vom 25. Februar 1953 gemäß § 128 DDR-StPO beschlagnahmt worden. Über die mit Antrag vom 12. Juni 1991 geltend gemachten Ansprüche auf Rückführung des Betriebsvermögens wurde mit Bescheid des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 8. Januar 1992 eine einvernehmliche Regelung gemäß § 31 Abs. 5 Vermögensgesetz (VermG) durch Vereinbarung vom 27. November 1991 festgestellt. Anträge – unter anderem des Klägers vom 15. Juni 1990 –, bestimmte Grundstücke zurückzuübertragen, die sich ursprünglich im Vermögen der Brauerei M…-AG befunden hatten, lehnte das Thüringer Landesamt mit Bescheiden vom 8. Mai 2001 und 28. Mai 2001 ab. Die hiergegen gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht Weimar mit Urteilen vom 29. März 2003 rechtskräftig abgewiesen.
Rz. 3
Mit Bescheid vom 17. Februar 2006 stellte der Präsident des Bundesausgleichsamtes fest, dass die für die Zeit vom 1. Januar 1940 bis zum 25. Februar 1953 festgestellten Schäden an den Anteilsrechten an der Brauerei M…-AG ausgeglichen seien. Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Rechtmäßigkeit des Bescheides werde nicht dadurch infrage gestellt, dass nicht sämtliche zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadens befindlichen Vermögenswerte im Rahmen des vermögensrechtlichen Restitutionsverfahrens rückübertragen worden seien. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG sei ein Unternehmen auf Antrag an den Berechtigten zurückzugeben, wenn es unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts und der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung mit dem enteigneten Unternehmen im Zeitpunkt der Enteignung vergleichbar sei. Nach Satz 3 der Vorschrift sei das Unternehmen mit dem enteigneten Unternehmen vergleichbar, wenn das Produkt oder Leistungsangebot des Unternehmens unter Berücksichtigung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts im Grundsatz unverändert geblieben sei oder frühere Produkte oder Leistungen durch andere ersetzt worden seien. Es stehe aufgrund des bestandskräftigen Bescheides des Thüringer Landesamtes vom 8. Januar 1992 fest, dass zwischen der enteigneten und der später rückübertragenen Kapitalgesellschaft Objektidentität bestehe, obwohl in der Zwischenzeit nicht unerhebliche Vermögenswerte “weggeschwommen” seien. Da diese vermögensrechtliche Entscheidung Tatbestandswirkung für das lastenausgleichsrechtliche Verfahren habe, habe mit Ausnahme der an den Grundstücken der Brauerei M…-AG eingetretenen Kriegssachschäden ein Schadensausgleich an den Anteilsrechten der Gesellschaft stattgefunden.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 4
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch beruht die angegriffene Entscheidung auf einer Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Rz. 5
1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache will der Kläger – ohne eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren – mit Blick auf Fragen der Behandlung von Gegenständen eines Unternehmensvermögens sehen, die nach der Verstaatlichung des Unternehmens ihre Unternehmenszugehörigkeit verloren haben (sog. “weggeschwommene” Vermögensgegenstände). Er bezieht sich dabei auf das Urteil des Senats vom 17. November 2005 – BVerwG 3 C 1.05 – (ZOV 2006, 280). Aus dieser Entscheidung sei der Rückschluss zu ziehen, dass von der Wiedererlangung der vollen Verfügungsmacht nicht gesprochen werden könne, wenn erhebliche Teile des Vermögens nicht zurückgeführt werden konnten; das Urteil des Verwaltungsgerichts stehe dazu im Widerspruch. In der Sache enthält dieser Vortrag nur die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unrichtig angewandt, wirft aber keine verallgemeinerungsfähige Frage auf, die erneuter oder weitergehender Klärung zugänglich ist.
Rz. 6
Abgesehen davon sind die angesprochenen Fragen seit dem Urteil vom 13. Februar 1997 – BVerwG 7 C 54.96 – (BVerwGE 104, 92 = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 25) in dem Sinne geklärt, dass nur die Rückgabe des Unternehmens nach § 6 Abs. 1 VermG, nicht aber die Restitution einzelner Vermögensgegenstände des Unternehmensvermögens verlangt werden kann. Eine Regelungslücke, die durch einen Rückgriff auf die Vorschriften der Einzelrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG geschlossen werden müsste, besteht daher entgegen der Auffassung des Klägers in Fällen wie dem vorliegenden nicht. Der Kläger trägt auch nicht vor, dass die Verstaatlichung des Unternehmens nicht alle dazugehörigen Vermögensgegenstände erfasst habe und dass diese gesondert zugunsten eines anderen Rechtsträgers enteignet worden seien, also eine Konstellation vorliegt, die keinen Fall des “Wegschwimmens” darstellt, sondern eine auf einzelne Vermögenswerte bezogene Schädigungsmaßnahme. Nur einer solchen Maßnahme wäre aber – ebenso wie beim Entzug von Vermögenswerten vor der Verstaatlichung eines Unternehmens – mit der Einzelrestitution Rechnung zu tragen (vgl. Urteil vom 13. Februar 1997 a.a.O. S. 97 bzw. S. 49 f.).
Rz. 7
2. Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht genügend dargelegt. Hierzu wäre erforderlich gewesen, einen abstrakten Rechtssatz zu bezeichnen, auf dem das angefochtene Urteil beruht, und ihm einen abweichenden Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes gegenüberzustellen. Das leistet der Kläger nicht. Er beruft sich zwar auf eine Aussage in dem oben genannten Urteil des Senats vom 17. November 2005 (a.a.O.). Er arbeitet hingegen nicht heraus, dass das Verwaltungsgericht einen gegenteiligen Rechtsstandpunkt eingenommen hätte, sondern begnügt sich mit der Behauptung einer unrichtigen Rechtsanwendung. Eine Abweichung liegt im Übrigen auch nicht vor. Im herangezogenen Urteil des Senats ist zwar, wie der Kläger richtig erkennt, entschieden worden, dass die Wiedererlangung der vollen Verfügungsmöglichkeit über einen lastenausgleichsrechtlich als weggenommen behandelten Grundbesitz auch dann eine Rückgabe im Sinne der Schadensausgleichsfiktion des § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG darstellt, wenn geringfügige Teilflächen fehlen. Dies betrifft aber den Schadensausgleich an Grundvermögen. Dem mit der Beschwerde angegriffenen Urteil liegt hingegen die Rückgabe eines Unternehmens nach § 6 Abs. 1, 5a Buchst. a VermG zugrunde. Der vom Kläger sinngemäß angeführte Rechtssatz bezieht sich mithin auf einen anderen als den vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt und kann daher nicht auf das Urteil des Verwaltungsgerichts übertragen werden.
Rz. 8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Kley, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Wysk
Fundstellen