Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 29.05.2017; Aktenzeichen 9 C 1228/13.T) |
Gründe
I
Rz. 1
Die Kläger wohnen in Frankfurt am Main und wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. Dezember 2007 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Frankfurt Main in der Gestalt, die er durch spätere Planergänzungsbeschlüsse erhalten hat.
Rz. 2
Gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben auch zahlreiche andere Anlieger und Kommunen im Umfeld des Flughafens Klage. Von diesen Klagen wählte der Verwaltungsgerichtshof elf Klageverfahren als Musterverfahren aus; die übrigen Klageverfahren, unter anderem dasjenige der Kläger, wurden ausgesetzt.
Rz. 3
In den Musterverfahren verpflichtete der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten mit Urteil vom 21. August 2009 unter Aufhebung des entgegenstehenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses, über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr (bisher 17 Flugbewegungen) sowie über den Bezugszeitraum für die Zulassung von durchschnittlich 150 planmäßigen Flügen je Nacht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wies er die Klagen ab (VGH Kassel, Urteil vom 21. August 2009 - 11 C 227/08.T u.a. - LKRZ 2010, 66).
Rz. 4
Auf die Revision der Kläger in acht Musterverfahren hat der Senat mit Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - (BVerwGE 142, 234) unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten verpflichtet, über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr (bisher 17 Flugbewegungen) sowie über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr, soweit diese durchschnittlich 133 je Nacht übersteigen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen sind die Revisionen insoweit zurückgewiesen worden.
Rz. 5
Zur Umsetzung dieses Urteils änderte der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss unter dem 29. Mai 2012 dahingehend ab, dass für die beiden Nachtrandstunden von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr und von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr insgesamt durchschnittlich 133 planmäßige Flugbewegungen pro Nacht zulässig sind. Zugleich hob der Beklagte die Regelungen über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr auf.
Rz. 6
Der Planfeststellungsbeschluss wurde in der Folgezeit noch mehrfach geändert, unter anderem durch ein neues Schallschutzkonzept in Bezug auf gewerbliche Nutzungen, nachträgliche Schutzvorkehrungen gegen Wirbelschleppen (Planergänzungsbeschlüsse vom 10. Mai 2013 und vom 26. Mai 2014) sowie eine Umgestaltung des Terminals 3 (Planergänzungsbeschluss vom 6. September 2013).
Rz. 7
Nachdem über die Musterklagen rechtskräftig entschieden worden war, hat der Verwaltungsgerichtshof die ausgesetzten Verfahren fortgesetzt. Im Verfahren der Kläger hat er von der nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, und die Klagen - soweit streitig entschieden - abgewiesen. Die Revision hat er nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Beschwerde.
II
Rz. 8
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 9
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 10
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫ und vom 9. April 2014 - 4 BN 3.14 - ZfBR 2014, 479 Rn. 2).
Rz. 11
a) Als klärungsbedürftig wirft die Beschwerde sinngemäß die Fragen auf,
(1) ob ein Verstoß gegen Art. 6 EMRK und Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt, wenn bei Anwendung der Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung von § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO über ein ausgesetztes Verfahren im Beschlusswege entschieden wird, weil das Gericht den Tatsachen- und Rechtsvortrag im Nachverfahren für unerheblich für den Ausgang des Verfahrens hält,
(2) ob eine Entscheidung durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar sein kann, wenn der Spruchkörper für die Entscheidung über das ausgesetzte Verfahren anders besetzt ist als im Musterverfahren und
(3) ob im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO entschieden werden kann, wenn nach Rechtskraft der Musterurteile der streitgegenständliche Bescheid geändert wird, die Änderungsbescheide in das Klageverfahren einbezogen wurden und sich die Rügen auf Sachverhalte beziehen, die das Änderungsverfahren und den Inhalt der Änderung betreffen.
Rz. 12
Die Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 13
(1) Die erste Frage ist, soweit sie einer rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Rz. 14
Nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO kann das Gericht, wenn über die Musterverfahren rechtskräftig entschieden worden ist, über die ausgesetzten Verfahren nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, wenn es einstimmig der Auffassung ist, dass die Sachen gegenüber rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt geklärt ist.
Rz. 15
(a) Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung von der Wirksamkeit dieser Norm aus (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 4 A 1008.07 - juris Rn. 9 und vom 20. Dezember 2016 - 4 B 25.15 - juris Rn. 47). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass eine Entscheidung im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO weder von vornherein gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1188/10 - NVwZ 2011, 611 Rn. 12 ff.) noch von vornherein gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstößt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2010 - 1 BvR 2736/08 - BVerfGK 17, 68 = juris Rn. 55 ff.).
Rz. 16
Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ergeben sich auch nicht aus der Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 EMRK und dem dort geregelten Recht auf eine öffentliche Verhandlung. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht im Range eines Bundesgesetzes (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 ≪317≫), ihr kommt daher kein Geltungsvorrang gegenüber § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO zu.
Rz. 17
(b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist von wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne von § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO dann auszugehen, wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den Musterverfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen könnte (BVerwG, Beschluss vom 18. April 2007 - 4 A 1003.07 - juris Rn. 12). Die Nachverfahren dienen nicht dazu, die in Musterverfahren getroffenen Entscheidungen erneut und umfassend auf den richterlichen Prüfstand zu stellen und einer nachträglichen richterlichen Selbstkontrolle zu unterziehen (BVerwG, Beschlüsse vom 20. September 2007 - 4 A 1008.07 - juris Rn. 14, vom 20. Dezember 2016 - 4 B 25.15 - juris Rn. 34 f. und vom 4. Mai 2017 - 4 B 57.15 - ZLW 2017, 548 Rn. 24). Unter den Voraussetzungen des § 110 VwGO kann im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO auch über einen Teil des Streitgegenstandes entschieden werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. September 2007 - 4 A 1008.07 - juris Rn. 8 u. 17).
Rz. 18
Der bloßen zeitlichen Dauer des Musterverfahrens und der ausgesetzten Verfahren kommt dabei keine Bedeutung zu. Denn gerade bei langer Dauer kann ein Interesse bestehen, eine weitere Verzögerung der Nachverfahren durch eine umfassende mündliche Verhandlung zu vermeiden. Ebenso ist eine Entscheidung im Beschlusswege nicht schon dann unzulässig, wenn sich das Gericht in seiner Entscheidung über ein Nachverfahren zu weiterem Vortrag eines Klägers äußert. Denn das Ziel des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO würde handgreiflich verfehlt, wenn jedweder neue, aktualisierte oder vertiefende Vortrag eines Beteiligten eine Entscheidung im Beschlusswege ausschlösse.
Rz. 19
Im Übrigen entziehen sich die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO einer weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärung. Es obliegt den im Nachverfahren entscheidenden Richtern, sich im Rahmen einer Gesamtschau über die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege Klarheit zu verschaffen. Dies setzt eine vergleichende Betrachtung von Muster- und Nachverfahren voraus, die sich auch und gerade auf die jeweilige materiell-rechtliche Bewertung und damit den Ausgang des Nachverfahrens erstreckt. Dabei mögen unterschiedliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen.
Rz. 20
Für die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege spricht es, wenn die rechtliche Position des jeweiligen Klägers (etwa als Umweltverband, Gebietskörperschaft, Enteignungsbetroffener oder mittelbar Betroffener) der rechtlichen Position eines Musterklägers entspricht und sein Antrag im Kern mit einem bereits in den Musterverfahren gestellten Antrag übereinstimmt. Ebenso spricht es für die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege, wenn die im Nachverfahren aufgeworfenen Rechts- oder Tatsachenfragen inhaltlich bereits in den Musterverfahren behandelt und gewürdigt wurden und zu diesen lediglich ergänzend und vertiefend vorgetragen wird oder die in den Musterverfahren gebildeten Maßstäbe ausreichen, um neuen Vortrag zu bewerten.
Rz. 21
Gegen die Zulässigkeit einer Entscheidung im Beschlusswege spricht, wenn Unterschiede zwischen den Verfahren bestehen, die im Nachverfahren zu einem von den Musterverfahren in der Sache abweichenden Entscheidungstenor führen oder jedenfalls führen können. Dies mag etwa der Fall sein, wenn in der Person des Klägers Umstände vorliegen, die sich von der rechtlichen Position der in den Musterverfahren aufgetretenen Kläger unterscheiden. Dies ist auch denkbar, wenn Anträge gestellt werden, die nicht Gegenstand der Musterverfahren waren und über die nicht unter Anwendung der in den Musterurteilen entwickelten Maßstäbe entschieden werden kann. Auch Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses nach dem rechtskräftigen Abschluss der Musterverfahren können - je nach Lage des Einzelfalls - eine Entscheidung im Beschlusswege ausschließen (vgl. Frage (3)).
Rz. 22
(c) Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Maßstab in einem Revisionsverfahren zu überprüfen (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2000 - 11 B 54.99 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 9). Dies gilt auch für die verfassungs- und konventionsrechtlichen Einwände der Beschwerde.
Rz. 23
(aa) Die Bestimmungen über die Durchführung des Nachverfahrens, wie insbesondere über die Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung (§ 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO) und die Beweiserhebung (§ 93a Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwGO), lassen den Verwaltungsgerichten einen Spielraum, um den Verfahrensgarantien gerecht zu werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. März 2009 - 1 BvR 432/09 - NVwZ 2009, 908 = juris Rn. 6). Ob der Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt und effektiver Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt wird, hängt maßgeblich vom Verlauf der Musterverfahren und insbesondere von der konkreten Ausgestaltung des sich nach deren Durchführung anschließenden sog. Nachverfahrens ab. Eine rechtliche Bindung an die in den Musterverfahren ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen für das ausgesetzte Verfahren besteht nicht. Das Recht und die Pflicht des Gerichts zur freien Beweiswürdigung (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) bleiben unberührt; eine Erstreckung der Rechtskraft der Musterurteile auf die Nachverfahren ordnet das Gesetz nicht an (BT-Drs. 11/7030 S. 29). Auch im vereinfachten Beschlussverfahren stehen den Beteiligten gegen den Beschluss diejenigen Rechtsmittel zu, die zulässig wären, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte (vgl. § 93a Abs. 2 Satz 5 VwGO), also insbesondere das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 Abs. 1 VwGO (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1188/10 - NVwZ 2011, 611 Rn. 11). Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren kann der Beschwerdeführer unter anderem geltend machen, dass die Vorinstanz zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO bejaht und dadurch dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör und - soweit er sich darauf berufen kann - auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht hinreichend Rechnung getragen oder ihr Ermessen in verfassungswidriger Weise ausgeübt habe.
Rz. 24
Die Prozess- und Justizgrundrechte der Kläger im Nachverfahren sind danach durch die Ausgestaltung von § 93a Abs. 2 VwGO von Gesetzes wegen ausreichend gesichert. Dem Richter ist es verwehrt, durch eine übermäßig strenge Handhabung der verfahrensrechtlichen Schranken den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar zu verkürzen. Sind ihm, wie in § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO, im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, so müssen diese im konkreten Fall mit Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden; sie dürfen nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz führen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1188/10 - NVwZ 2011, 611 Rn. 12 f. m.w.N.). Zu beachten ist dabei auch Art. 6 Abs. 1 EMRK mit dem Inhalt, den die Vorschrift in der Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 8 B 47.14 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 85 Rn. 5 m.w.N.).
Rz. 25
(bb) Die zur Auslegung des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO entwickelten Maßstäbe genügen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist daher nicht abweichend auszulegen und die Erforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung nach anderen Maßstäben zu beurteilen, wenn die jeweilige Streitsache in den persönlichen (vgl. etwa EGMR, Entscheidung vom 23. Oktober 2010 - 50108/06 - NVwZ 2011, 479 ≪480≫) und sachlichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1999 - 4 CN 9.98 - BVerwGE 110, 203 ≪205 ff.≫ und Beschluss vom 30. Juli 2001 - 4 BN 41.01 - NVwZ 2002, 87 ≪88≫) Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 EMRK fällt (vgl. auch Jacob, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 93a Rn. 19 m.w.N.).
Rz. 26
Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Die deutschen Gerichte haben die Vorschrift wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 ≪Ls. 1 und 315≫). Eine mündliche und öffentliche Verhandlung ist ein in Art. 6 EMRK verankertes Grundprinzip. Die Verpflichtung, sie abzuhalten, gilt aber nicht uneingeschränkt. Es kann Verfahren geben, die einer mündlichen Verhandlung nicht bedürfen, wenn es zum Beispiel nicht um die Glaubwürdigkeit oder um bestrittene Tatsachen geht, die eine mündliche Erörterung notwendig machen, und die Gerichte fair und angemessen auf der Grundlage des Parteivortrags oder anderer schriftlicher Unterlagen entscheiden können (EGMR, Urteil vom 5. April 2016 - Nr. 33060/10, Blum/Österreich - NJW 2017, 2455 Rn. 70 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2019 - 1 B 57.19 - juris Rn. 9). Ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung rechtfertigen, hängt im Wesentlichen von der Art der vom Gericht des jeweiligen Staats zu entscheidenden Fragen ab, nicht von der Häufigkeit derartiger Situationen (EGMR, Urteil vom 16. März 2017 - Nr. 23621/11, Fröbrich/Deutschland - NJW 2017, 2331 Rn. 35). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt ferner an, dass die grundsätzliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung geeignet ist, den in Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit zu gefährden (EGMR, Urteil vom 23. November 2006 - Nr. 73053/01, Jussila/Finnland - HUDOC Rn. 42; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2019 - 7 B 25.18 - NVwZ 2019, 1854 Rn. 10). Denn bei Beurteilung der Frage, ob eine mündliche Verhandlung erforderlich ist, müssen die Behörden ("authorities") auf die Effektivität und Wirtschaftlichkeit achten, damit dem Erfordernis einer Entscheidung binnen "angemessener Frist" in Art. 6 Abs. 1 EMRK entsprochen werden kann (EGMR, Entscheidung vom 6. Dezember 2001 - Nr. 31178/96, Petersen/Deutschland - NJW 2003, 1921 ≪1923≫).
Rz. 27
Dem trägt die Ausgestaltung von und die Rechtsprechung zu § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ausreichend Rechnung. Die Norm verfolgt das Ziel, Massenverfahren mit einer Vielzahl von Betroffenen zu bewältigen (BT-Drs. 11/7030 S. 28). Sie dient dazu, den Anspruch der Beteiligten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK auf Rechtsschutz in angemessener Frist zu verwirklichen. Eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung ist dabei nur zulässig, wenn die ausgesetzten Verfahren gegenüber rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen und der Sachverhalt geklärt ist. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn in den ausgesetzten Verfahren keine neuen, in den Musterverfahren noch nicht angesprochenen Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den Musterverfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen könnte (BVerwG, Beschluss vom 18. April 2007 - 4 A 1003.07 - juris Rn. 12). Liegen diese Voraussetzungen vor, so darf das Gericht annehmen, dass es fair und angemessen auf der Grundlage des Parteivortrags oder anderer schriftlicher Unterlagen, insbesondere der aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangenen Musterurteile, entscheiden kann. Weil das Gesetz die Einstimmigkeit der entscheidenden Richter über die Entscheidung im Beschlusswege verlangt, ist zudem regelmäßig damit zu rechnen, dass sich die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung auf das Verfahrensergebnis nicht niederschlägt (vgl. Mayer, in: Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 64 ≪"Gradmesser"≫).
Rz. 28
(2) Die Frage, ob eine Entscheidung durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar sein kann, wenn der Spruchkörper für die Entscheidung des ausgesetzten Verfahrens anders besetzt ist als in den Musterverfahren, lässt sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten. Sie ist zu bejahen.
Rz. 29
§ 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO verlangt für eine Entscheidung durch Beschluss keine Übereinstimmung der Besetzung der Richterbank. Denn Gericht im Sinne der Vorschrift ist der Träger der Rechtsprechungsfunktion unabhängig von der Person des einzelnen Richters oder der Besetzung des jeweiligen Spruchkörpers. Dabei weicht die Besetzung von Spruchkörpern bei Entscheidungen im Beschlusswege nach einer Reihe von Vorschriften von der Besetzung bei der Entscheidung durch Urteil ab (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2, § 9 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Dies gilt auch nach dem hier maßgeblichen § 17 Abs. 1 und 2 HessAGVwGO in der Fassung vom 27. Oktober 1997 (GVBl. I S. 381), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. November 2008 (GVBl. I S. 970; vgl. Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Rechtsvorschriften vom 29. November 2010 ≪GVBl. I S. 421≫), der eine Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung - anders als bei Urteilen - ausschließt.
Rz. 30
Sinn und Zweck des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO sprechen ebenfalls gegen das Erfordernis einer personellen Kontinuität des Spruchkörpers. § 93a VwGO wurde durch Gesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) mit Wirkung zum 1. Januar 1991 zur sachangemessenen Bewältigung von Massenverfahren eingeführt. Diese nimmt aber in der Regel einen längeren Zeitraum in Anspruch, in dem eine gleichbleibende Zuständigkeit der Spruchkörper und deren personell unveränderte Besetzung nicht zu erwarten ist. Die Auffassung der Beschwerde ließe einen Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO gerade in denjenigen Fällen nicht zu, für die diese Möglichkeit vom Gesetzgeber eröffnet wurde.
Rz. 31
Welche verfassungsrechtlichen Bedenken sich aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG oder Art. 103 Abs. 1 GG gegen diese einfach-rechtlichen Regelungen ergeben sollen, legt die Beschwerde nicht dar. Aus ihrem Hinweis auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO) folgt nichts Anderes. Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen zur Beweiserhebung in § 93a Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwGO nicht beanstandet (vgl. Kammerbeschluss vom 17. März 2009 - 1 BvR 432/09 - NVwZ 2009, 908 = juris Rn. 6). Den Bedenken der Beschwerde wird im Übrigen auch dadurch Rechnung getragen, dass sich die im Nachverfahren beteiligten Richter für eine Entscheidung im Beschlusswege einig sein müssen, dass die Nachverfahren gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen. Anderenfalls ist der Beschlussweg versperrt und auf der Grundlage einer mündlichen Verhandlung durch Urteil zu entscheiden. Gleiches gilt, wenn die dem Spruchkörper angehörenden Richter nicht einstimmig der Meinung sind, dass der Sachverhalt geklärt ist.
Rz. 32
(3) Die Frage, ob im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO entschieden werden kann, wenn der streitgegenständliche Bescheid nach Rechtskraft der Musterurteile geändert wird, die Änderungsbescheide in das Klageverfahren einbezogen wurden und sich die Rügen auf Sachverhalte beziehen, die das Änderungsverfahren und den Inhalt der Änderung betreffen, ist rechtsgrundsätzlicher Klärung entzogen.
Rz. 33
Ob auch bei Ergänzungen oder Änderungen des angegriffenen Bescheids nach dem Erlass bzw. infolge des Urteils im Musterverfahren durch Beschluss nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO entschieden werden kann, hängt nicht entscheidend von der prozessrechtlichen Einordnung der Antragsänderung als Klageänderung oder Änderung des Streitgegenstandes ab (vgl. zu § 130a VwGO BVerwG, Beschlüsse vom 13. August 2015 - 4 B 15.15 - juris Rn. 7 und vom 18. Dezember 2014 - 8 B 47.14 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 85 Rn. 7). Maßgeblich ist vielmehr, ob die Sache unter Einbeziehung des Bescheids in seiner geänderten Gestalt und nach der rechtlichen Einordnung des klägerischen Angriffs gegenüber rechtskräftig entschiedenen Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Eine gerade in umfangreichen Planfeststellungsverfahren häufige Planergänzung oder -änderung führt in der Regel nicht dazu, dass sich alle Rechts- oder Tatsachenfragen anders oder neu stellen. Auch im Fall einer nachträglichen Ergänzung oder Änderung kann das Beschlussverfahren nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO deshalb eröffnet sein, wenn die Ergänzung oder Änderung der Sache nach für den jeweiligen Kläger im Nachverfahren nicht mit neuen oder weitergehenden Beeinträchtigungen verbunden ist. Bei nachträglichen Änderungen eines Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen ist der Beschlussweg nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO nur eröffnet, wenn trotz dieser Änderung keine neuen Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den Musterverfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen. Wann dies der Fall ist, hängt von den jeweiligen Einzelfallumständen ab und kann nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden.
Rz. 34
b) Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Fragen,
(1) welche Maßstäbe für die gerichtliche Überprüfung der im Rahmen einer fachplanerischen Abwägungsentscheidung (hier: § 8 Abs. 1 LuftVG) gebotenen Ermittlung und Gewichtung des nachfrageorientierten Bedarfs sowie des im Rahmen der Planrechtfertigung zu prüfenden Erfordernisses des vernünftigerweise Gebotenseins der Planung im Hinblick auf das Vorliegen überwiegender öffentlicher Interessen gelten, die die Eingriffe in Rechte Dritter rechtfertigen,
(2) ob die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (siehe BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 95), wonach eine behördliche Verkehrsprognose einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt, mit Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG sowie mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, wenn für die Abwägung der öffentlichen Interessen eine valide Bestimmung des Verkehrsbedarfs erforderlich ist, sich das Kapazitätsziel hieraus berechnet und die Auswahl der Alternative daran gemessen wird und,
(3) ob Entwicklungen, die nach Erstellung einer (Luftverkehrs-)Prognose und nach Erlass eines auf dieser Prognose basierenden Planfeststellungsbeschlusses eintreten, als Indizien für eine fehlerhafte Methodik, für der Prognose fehlerhaft unterstellte Annahmen und für ein nicht plausibles Ergebnis bei der gerichtlichen Überprüfung der Anforderungen an die notwendige Festlegung der Planungsziele als auch an die fachplanerische Alternativenprüfung zu berücksichtigen sind.
Rz. 35
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Sie sind in der Rechtsprechung des Senats, auch in dem zu den Musterverfahren ergangenen Revisionsurteil (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234) bereits beantwortet.
Rz. 36
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. BVerwG, Urteile vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 ≪286≫ und vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 ≪131≫) unterliegt eine behördliche Verkehrsprognose nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Die Prognose ist dann nicht zu beanstanden, wenn sie nach einer geeigneten Methode durchgeführt wurde, der ihr zugrunde liegende Sachverhalt zutreffend ermittelt und das Ergebnis einleuchtend begründet ist (BVerwG, Urteile vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 ≪275≫ und vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 59).
Rz. 37
Dass diese Rechtsprechung auch im Bereich der ansonsten voll überprüfbaren Planrechtfertigung gilt (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 und vom 24. November 1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123) und deshalb erst recht im Rahmen der fachplanerischen Abwägungsentscheidung (hier: § 8 Abs. 1 LuftVG) und der Alternativenprüfung, hat der Senat in seinem Revisionsurteil über die Musterverfahren zum Flughafen Frankfurt Main (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 59 und 95) erneut bestätigt.
Rz. 38
Durch das Revisionsurteil des Senats (- 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 62) ist ferner geklärt, dass die fehlende Offenlegung der Quelle-Ziel-Matrizes keinen Methodenmangel offenbart, sondern lediglich die Überprüfung der angewandten Methode erschwert und es gegebenenfalls erforderlich macht, dass das Gericht seine Überzeugung von der Eignung der Methode und ihrer tatsächlichen Anwendung aus anderen Erkenntnisquellen schöpft. Weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar, sondern beschränkt sich auf eine Urteilskritik im Stil eines zulassungsfreien Rechtsmittels.
Rz. 39
(2) Geklärt ist zudem, dass die Rechtsprechung zur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Verkehrsprognosen mit Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar ist.
Rz. 40
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts schließt das Gebot effektiven Rechtsschutzes die Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle durch Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume, die der Gesetzgeber eröffnet hat, nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 ≪21 f.≫; BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 4 C 31.13 - NVwZ 2015, 531 Rn. 11). Da die Rechtsprechung zur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung von Prognoseentscheidungen anhand von Fällen entwickelt worden ist, in denen die jeweilige Planungsentscheidung enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet hat (BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2015 - 4 B 59.14 - NuR 2015, 772 Rn. 35 m.w.N.), bedarf es keiner Bestätigung in einem Revisionsverfahren, dass diese Rechtsprechung auch in Fällen anwendbar ist, in denen die Verwaltung oder der jeweilige Vorhabenträger auf privates Grundeigentum zugreift. Aus Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK folgt nichts Anderes.
Rz. 41
(3) Zu der Frage, ob Entwicklungen, die nach Erstellung einer Verkehrsprognose und nach Erlass eines auf dieser Prognose basierenden Planfeststellungsbeschlusses eintreten, als Indizien für eine fehlerhafte Prognose zu berücksichtigen sind, besteht kein grundsätzlicher Klärungsbedarf.
Rz. 42
Nach ständiger Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 ≪121≫; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2015 - 4 B 61.14 - juris Rn. 5 und Urteil vom 28. April 2016 - 4 A 2.15 - BVerwGE 155, 81 Rn. 28) kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die der Planungsentscheidung zugrunde gelegte Prognose sich aus heutiger Sicht als richtig erweist, sondern allein auf die davon zu unterscheidende Frage, ob die Prognose mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln unter Berücksichtigung aller für sie erheblichen Umstände einwandfrei erstellt worden ist (siehe bereits BVerwG, Urteile vom 21. Mai 1976 - 4 C 49-52.74 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 23 und vom 17. Februar 1978 - 1 C 102.76 - NJW 1978, 1450). Die Frage, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist, ist deshalb grundsätzlich nicht Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Allerdings kann das Auseinanderklaffen zwischen Prognose und nachträglicher tatsächlicher Entwicklung im Einzelfall als Indiz für eine unsachgemäße Prognose in Betracht zu ziehen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 ≪276 f.≫). In solchen Fällen, in denen infolge unvorhersehbarer Ereignisse die tatsächliche Entwicklung von einer im hier verstandenen Sinn - zutreffend - aufgestellten Prognose in extremer Weise abweicht, hat der Senat erwogen, ob der Planfeststellungsbeschluss dadurch funktionslos geworden ist (BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 ≪122≫).
Rz. 43
Diese Rechtsprechung hat der Senat auch seinem Revisionsurteil in den Musterverfahren (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 59 und 95) zugrunde gelegt. Den dort vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken ist er nicht gefolgt. Dass sich das Bundesverfassungsgericht - wie die Beschwerde geltend macht - mit der Frage noch nicht befasst habe, begründet für sich genommen keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf. Alles Weitere ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall.
Rz. 44
Unter Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Musterurteilen (VGH Kassel, Urteil vom 21. August 2009 - 11 C 227/08.T u.a. - LKRZ 2010, 66 = juris Rn. 331 ff.) bestätigt, dass die Prognose der Fa. I. ordnungsgemäß erstellt worden sei. Dafür, dass ein Auseinanderklaffen zwischen Prognose und nachträglicher tatsächlicher Entwicklung als Indiz für eine unsachgemäße Aufstellung der Prognose in Betracht zu ziehen sein könnte, hat er keine Anhaltspunkte ausmachen können.
Rz. 45
Die Beschwerde verlangt, diese Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren zu überprüfen. Tragfähige Gründe dafür, warum eine erneute Befassung des Bundesverwaltungsgerichts mit den aufgeworfenen Rechtsfragen erforderlich sein sollte, namentlich, dass sich neue Gesichtspunkte ergeben hätten, die geeignet sein könnten, die bisherige Rechtsprechung in Frage zu stellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. August 1997 - 1 B 145.97 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 67 S. 5), legt sie indes nicht dar.
Rz. 46
Nach ihrer Auffassung führt die Rechtsprechung zu nicht auflösbaren Widersprüchen zwischen der Begründung der für ein Vorhaben sprechenden Belange und den hierdurch gerechtfertigten Eingriffen in die Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie die in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Rechten. Diesen Einwand hat der Senat der Sache nach bereits in seiner Revisionsentscheidung (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 59) zurückgewiesen und erneut bekräftigt, dass die Rechtsprechung zur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Prognoseentscheidungen auf die Prognose des nachfragebedingten Bedarfs anwendbar ist, und zwar sowohl hinsichtlich der Planrechtfertigung als auch hinsichtlich der planerischen Abwägung und der Alternativenprüfung. Dass die Beschwerde diesen Rechtsstandpunkt nicht teilt, vermag einen erneuten rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht zu begründen. Gleiches gilt für ihren Hinweis auf eine dazu weiterhin anhaltende rechtliche Diskussion. Auch mit ihrer Kritik an der Entscheidung im Einzelfall und der Prognose eines bestimmten Unternehmens zeigt sie rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf.
Rz. 47
c) Die Frage,
ob das einer Planfeststellung zugrunde liegende prognostische Betriebskonzept, welches Grundlage für die Beurteilung ist, dass das mit dem Vorhaben verbundene Planungsziel - hier die Abwicklung einer bestimmten Anzahl von Flugbewegungen pro Stunde - erreicht wird, gerichtlich daraufhin überprüft werden muss, ob es die Kapazitätserfordernisse erfüllen kann,
wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.
Rz. 48
Die Beschwerde entnimmt dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs die Aussage, dass es nach den Urteilen des Senats zur Festlegung von Flugverfahren (BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 67 ff., 113 und vom 10. Dezember 2015 - 4 C 15.14 - NVwZ-RR 2016, 323 Rn. 10, 13) nicht darauf ankomme, ob dem Planfeststellungsbeschluss ein Betriebssystem mit einer Grobplanung der Flugrouten zugrunde gelegt werde, welches die Kapazität erreichen könne.
Rz. 49
Die daran anknüpfende Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof (BA S. 54) hat für seine Entscheidung die Grobanalyse der Planfeststellungsbehörde ausdrücklich für maßgeblich erklärt. Nicht entscheidungserheblich war nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs dagegen, ob der im Planfeststellungsbeschluss für den Prognosefall zugrunde gelegte Koordinierungseckwert mit dem derzeit festgesetzten Flugverfahren - der sogenannten Südumfliegung - zu realisieren ist. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerde beruht auf einem sinnentstellend verkürzten Zitat.
Rz. 50
2. Die Beschwerde zeigt keinen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf, der zur Zulassung der Revision führt.
Rz. 51
Als Verfahrensfehler macht die Beschwerde geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO von einer mündlichen Verhandlung abgesehen und im schriftlichen Verfahren entschieden hat. Aus ihrer Sicht stand eine Reihe von Gesichtspunkten einer Entscheidung im Beschlusswege entgegen. Der Vortrag geht indes in weitem Umfang daran vorbei, dass bei der Prüfung von Verfahrensmängeln stets von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz auszugehen ist, selbst wenn deren Standpunkt verfehlt sein sollte. Das gilt auch, soweit materiell-rechtliche Fragen als Vorfragen verfahrensrechtlicher Fragen zu beantworten sind (BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2015 - 8 B 10.15 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 44 Rn. 18 m.w.N. und vom 20. Dezember 2017 - 6 B 14.17 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 111 Rn. 11). Daher kann die Wahl des Beschlussverfahrens § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO nur verletzen, wenn das vorinstanzliche Gericht die prozessrechtliche Norm und insbesondere die dort geregelten Voraussetzungen einer Entscheidung im Beschlusswege selbst unzutreffend ausgelegt hat. Die umfangreiche Kritik der Beschwerde an der materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann daher einen Verfahrensfehler grundsätzlich nicht darlegen.
Rz. 52
Auch in der Sache bleibt die Kritik ohne Erfolg.
Rz. 53
a) Die Beschwerde trägt vor, die Kläger hätten im Nachverfahren eine Änderung der Rechtsprechung zur gerichtlichen Prüfung von Prognosen gefordert und auf die Entwicklung der Flugbewegungen im Zeitraum 2010 bis 2015 hingewiesen, die deutlich hinter der Verkehrsprognose zurückbleibe und ein gewichtiges Indiz für die Fehlerhaftigkeit der Prognose schon im Zeitpunkt der Planfeststellung darstelle. Trotz dieser neuen Rechts- und Tatsachenfragen habe der Verwaltungsgerichtshof keine "durchgreifenden Zweifel" an der Übertragbarkeit der Entscheidung im Musterverfahren erkannt und das Fehlschlagen der Prognose im Wege einer unzulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung verneint. Damit sei er von den vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Maßstäben für einen Verzicht auf mündliche Verhandlung abgewichen und zu Unrecht im Beschlusswege nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO vorgegangen. Diese Kritik geht fehl.
Rz. 54
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich an einer Übertragung der im Musterverfahren zur Planrechtfertigung und zur Verkehrsprognose getroffenen Feststellungen auf das Verfahren der Kläger nicht gehindert gesehen, weil es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan ankomme (BA S. 20). Bezogen auf diesen Zeitpunkt sei die Verkehrsprognose in der Musterentscheidung unter ausführlicher Behandlung der Methodenkritik als im Ergebnis methodisch einwandfrei, sachgerecht sowie nachvollziehbar und einleuchtend begründet bewertet worden. Hierauf könnten die Kläger verwiesen werden, weil die unter Beweis gestellte nachträgliche Entwicklung aus Rechtsgründen nicht relevant sei und die wiederholte Methodenkritik keine wesentlichen Besonderheiten im Sinne von § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO begründe. Anhaltspunkte dafür, dass der Planfeststellungsbeschluss ausnahmsweise funktionslos geworden sei, hätten die Kläger nicht dargelegt. Denn dafür müsse ein tatsächlicher Zustand erreicht sein, der eine Verwirklichung der planerischen Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließe (BA S. 21).
Rz. 55
Diese Ausführungen stehen mit § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO in Einklang. Entgegen der Auffassung der Beschwerde liegen neue Rechts- oder Tatsachenfragen und ein ungeklärter Sachverhalt im Sinne dieser Vorschrift nicht schon dann vor, wenn eine der Musterentscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung erneut angegriffen oder eine dort bereits behandelte Methodenkritik gestützt auf neues Tatsachenmaterial und gutachterliche Stellungnahmen ergänzt und vertieft wird. Auch die durch das Vorbringen der Kläger im Nachverfahren veranlassten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zum "Fehlschlagen" einer Prognose und einer daraus folgenden Funktionslosigkeit des Planfeststellungsbeschlusses betreffen keine neuen Rechts- oder Tatsachenfragen, denen in einer mündlichen Verhandlung hätte nachgegangen werden müssen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer fehlgeschlagenen Prognose sind in der Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 ≪122≫). An ihnen gemessen ist der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass von einer Funktionslosigkeit der Planfeststellung "nicht ansatzweise" (BA S. 21) die Rede sein könne. Die Anforderungen des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO werden nicht überspannt, wenn das Gericht neuen Tatsachenvortrag im Nachverfahren zu einem bereits behandelten Thema unter Anwendung geklärter Rechtsmaßstäbe nachvollziehbar für offenkundig ungeeignet hält, das Ergebnis der Musterentscheidung in Zweifel zu ziehen oder seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen zu lassen. Allein aus der Formulierung "durchgreifende Zweifel an der Übertragbarkeit" (BA S. 19) kann nicht auf einen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Maßstab geschlossen werden. Auch einen Gehörsverstoß legt die Beschwerde nicht dar. Namentlich zeigt sie nicht auf, welchem Vorbringen im Beschlussverfahren der Verwaltungsgerichtshof das Gehör versagt haben könnte.
Rz. 56
b) Die Beschwerde sieht § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO dadurch verletzt, dass der Verwaltungsgerichtshof das Vorbringen der Kläger zum "kapazitätslimitierenden Betriebskonzept" nicht zum Anlass für eine mündliche Verhandlung genommen hat. Diese Rüge greift nicht durch.
Rz. 57
Nach Auffassung der Beschwerde enthält das Vorbringen der Kläger zu den als Konflikte B und C bezeichneten Schwierigkeiten bei der Flugverfahrensplanung und -koordinierung zwischen Abflügen und Fehlanflügen auf den Pisten 25C und 25L neue wesentliche tatsächliche und rechtliche Besonderheiten, weil danach zweifelhaft und aufklärungsbedürftig sei, ob der Kapazitätseckwert von 126 Flugbewegungen/Stunde mit der Grobplanung erreicht werden könne.
Rz. 58
Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf verwiesen, dass es nach seiner Entscheidung im Musterverfahren entscheidungserheblich nicht darauf ankomme, ob das derzeit festgesetzte Flugverfahren mit der aktuell geltenden Streckenführung Sicherheitsprobleme aufwerfe oder damit der im Planfeststellungsbeschluss für den Prognosefall zugrunde gelegte Koordinierungseckwert von 126 Flugbewegungen pro Stunde realisiert werden könne. Maßgeblich sei nur die Grobplanung der zu erwartenden Flugverfahren, die weder eine genaue Streckenführung noch die Festsetzung konkreter Flugverfahren erfordere. Die Schlussfolgerung der Kläger, die für den Planfeststellungsbeschluss fundamentale Flugbetriebsprognose beruhe auf einer unzutreffenden Prognosebasis, lasse sich deshalb mit konkreten Flugverfahrensfestsetzungen auch dann nicht belegen, wenn diese nicht geeignet seien, die zugelassene Kapazität abzuwickeln (BA S. 56). Sämtlicher auf die "Südumfliegung" bezogener Tatsachen- oder Rechtsvortrag der Kläger sei daher unerheblich. Das Vorbringen zur Undurchführbarkeit des Betriebskonzepts zeige weder im Hinblick auf das Lärmschutzkonzept noch auf die Alternativenprüfung weiteren Ermittlungsbedarf auf (BA S. 57 ff.).
Rz. 59
Dies zugrunde gelegt, ist für einen Verstoß gegen § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO nichts ersichtlich. Über Rechts- oder Tatsachenvorbringen, auf das es für die Entscheidung im Nachverfahren schon nach dem Inhalt der Musterentscheidung nicht ankommt, kann im Beschlusswege entschieden werden.
Rz. 60
c) Die Beschwerde sieht in den seit 2015 vorliegenden Ergebnissen der sogenannten NORAH-Studie, die die Kläger in das Nachverfahren eingeführt hätten, einen neuen, für die Verpflichtungsanträge relevanten Sachverhalt, der in einer mündlichen Verhandlung hätte weiter aufgeklärt und erörtert werden müssen. Angesichts der eindeutigen Ergebnisse der NORAH-Studie müsse das Lärmschutzkonzept nachgebessert werden. Der grundrechtlichen Schutzpflicht könne nur durch ein achtstündiges Nachtflugverbot (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) oder hilfsweise zumindest eine Entlastung der Nachtrandzeiten genügt werden. Dass der Verwaltungsgerichtshof dieses Vorbringen nicht in einer mündlichen Verhandlung erörtert hat, steht mit § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO in Einklang.
Rz. 61
Der Verwaltungsgerichtshof (BA S. 36 ff.) hat im Vorbringen zu den lärmmedizinischen Erkenntnissen keinen Sachvortrag erkannt, der von dem in den Musterverfahren festgestellten Sachverhalt in erheblicher Weise abweiche. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seinen Revisionsentscheidungen zu den Musterverfahren (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 154 f.) mit den Rügen verschiedener Musterkläger, das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm gewährleiste keine verfassungskonforme Risikovorsorge, auseinandergesetzt und eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten verneint. Dass der Gesetzgeber seine Nachbesserungspflicht verletzt habe, könne gerichtlich erst festgestellt werden, wenn evident sei, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung zum Schutz der Gesundheit aufgrund neuer Erkenntnisse oder einer veränderten Situation untragbar geworden sei (BVerwG a.a.O. Rn. 155 und BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 - 1 BvR 1502/08 - NVwZ 2011, 991 Rn. 38 ff.). Eine solche evidente Untragbarkeit der Regelungen im Fluglärmschutzgesetz hätten die Kläger mit ihrem Vorbringen zur Weiterentwicklung der lärmmedizinischen Erkenntnisse nicht aufgezeigt. Weiterer Aufklärungsbedarf zu den Auswirkungen von Fluglärm bestehe daher schon aus Rechtsgründen nicht.
Rz. 62
Warum der Verwaltungsgerichtshof gleichwohl hätte annehmen müssen, dass die Ausführungen zur NORAH-Studie Zweifel an dem in den Musterverfahren gefundenen Ergebnis begründen, dessen Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen oder Anlass zu einer weiteren Sachaufklärung geben, erschließt sich nicht. Soweit die Beschwerde als Verstoß gegen § 86 Abs. 3 VwGO das Fehlen eines gerichtlichen Hinweises zur Vorlage der NORAH-Studie rügt, bleibt sie schon deshalb erfolglos, weil der angegriffene Beschluss auf das Unterlassen einer Vorlage nicht gestützt ist (BA S. 38).
Rz. 63
d) Gleiches gilt für die Rüge der Beschwerde, der Verwaltungsgerichtshof hätte den Vortrag zur Fluglärmbelastung in den beiden Nachtrandstunden zum Gegenstand einer mündlichen Verhandlung machen müssen.
Rz. 64
Die Kläger haben vorgetragen, der Flugbetrieb stelle sich in den Nachtrandstunden, insbesondere in der Stunde von 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr in der Realität anders dar als das Bundesverwaltungsgericht in den Musterentscheidungen angenommen habe. Von einem An- oder Abschwellen des Flugverkehrs in den Randstunden könne nicht die Rede sein. Der Flugtag beginne mit einem taggleichen Flugbetrieb von fünf bis zehn Überflügen in den ersten 15 Minuten. Gerade angesichts der Ergebnisse der NORAH-Studie bedürfe es insoweit einer weiteren Sachaufklärung und Kontingentierung.
Rz. 65
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch insoweit keine Umstände gesehen, die einer Übertragung der Entscheidung aus den Musterverfahren entgegenstehen könnten. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Revisionsentscheidung ein Gesamtkontingent von 133 planmäßigen Flügen je Nacht in den Randstunden als Durchschnittswert eines Kalenderjahres als ordnungsgemäß abgewogen erachtet. Im Hinblick auf die von § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG besonders geschützte Nachtruhe habe es zwar verlangt, dass das Konzept des An- und Abschwellens in den Nachtrandstunden durchgehalten und der Flugverkehr zur Vermeidung tagähnlicher Belastungsspitzen durch geeignete Vorkehrungen effektiv und konkret begrenzt werde. Dies werde aber durch die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses gewährleistet. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass die Zahl von Flugbewegungen in einzelnen Zeitsegmenten der Nachtrandstunden differenziert zu betrachten wäre, habe das Bundesverwaltungsgericht dagegen nicht formuliert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2017 - 4 B 39.15 - juris Rn. 48). Vielmehr habe es als rechtlich zulässig angesehen, wenn in einzelnen Zeitsegmenten der Nachtrandstunden Spitzenbelastungen erreicht werden (a.a.O. Rn. 28 und Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 372 f.).
Rz. 66
Hieraus durfte der Verwaltungsgerichtshof auch ohne mündliche Verhandlung folgern, dass eine weitere Kontingentierung der Flugbewegungen innerhalb der Nachtrandstunden nicht erforderlich sei. Denn die Kläger haben im Nachverfahren insoweit keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die im Musterurteil bei der Beurteilung der Lärmbelastung in den Nachtrandstunden noch nicht in Betracht gezogen worden sind (vgl. BA S. 51 f.). Welche wesentlichen Besonderheiten das Verfahren der Kläger gegenüber dem Musterverfahren gleichwohl aufweisen soll, legt die Beschwerde nicht dar.
Rz. 67
e) Nicht auf einen Verfahrensfehler führt das Beschwerdevorbringen zur Berücksichtigung von geringfügigen Lärmbetroffenheiten. Die Beschwerde macht geltend, die Kläger hätten im Nachverfahren die Fragen neu aufgeworfen, welche Maßstäbe an die Geringfügigkeitsschwelle im Rahmen einer luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung zu stellen seien, und ob die mehr als geringfügigen Lärmbetroffenheiten ordnungsgemäß ermittelt und abgewogen worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe Lärm unterhalb der Werte des § 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm - FluglärmG - neugefasst mit Bekanntmachung vom 31. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2850) für geringfügig und nicht abwägungsrelevant gehalten und deshalb Lärmbetroffenheiten außerhalb der Lärmschutzzonen unter Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 LuftVG n.F. unzureichend ermittelt. Hierzu verhielten sich die Entscheidungen in den Musterverfahren nicht, so dass es einer mündlichen Verhandlung bedurft hätte.
Rz. 68
Diese Rüge liegt neben der Sache. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist in den Musterverfahren nicht offengeblieben, ob die Fluglärmbelastung unterhalb der fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 LuftVG ordnungsgemäß ermittelt, bewertet und in die Abwägung eingestellt worden sei (BA S. 42 ff.). Insbesondere sei der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs in der Musterentscheidung nicht davon ausgegangen, dass einer Lärmbelastung, die mehr als geringfügig ist, aber unterhalb der fachplanerischen Zumutbarkeitsgrenze liegt, keine Relevanz zukomme und sie daher in der Abwägung nicht zu berücksichtigen sei. Die Musterentscheidung verhalte sich auch zu der Neufassung von § 8 Abs. 1 LuftVG und stelle ausdrücklich fest, dass die Planfeststellungsbehörde den unterhalb der fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle liegenden Fluglärm nicht aus dem Blick verloren habe; diese Einschätzung habe das Bundesverwaltungsgericht geteilt (BA S. 42 f.). Vor diesem Hintergrund habe der Verwaltungsgerichtshof in den Musterverfahren keine Veranlassung gesehen, die sogenannte Geringfügigkeitsschwelle zu konkretisieren. Dazu bestehe auch im Verfahren der Kläger keine Veranlassung. Im Übrigen komme es darauf, wie die Lärmbetroffenheit zu ermitteln, zu bewerten und zu gewichten wäre, entscheidungserheblich nicht an. Nach den Entscheidungen im Musterverfahren wäre die Abgewogenheit der Zulassungsentscheidung angesichts des Gewichts der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Verkehrs- und Wirtschaftsinteressen auch dann nicht in Frage gestellt, wenn von wesentlich mehr oder stärker Lärmbetroffenen auszugehen wäre (BA S. 44).
Rz. 69
Der Verwaltungsgerichtshof hat damit unter zutreffender Auswertung der Musterurteile (insb. VGH Kassel, Urteil vom 21. August 2009 - 11 C 227/08.T u.a. - LKRZ 2010, 66 = juris Rn. 617 und BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 190) nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO dargelegt, warum er von einer mündlichen Verhandlung absieht. Dass die Kläger die Würdigung der Musterurteile nicht teilen, begründet keine wesentlichen Besonderheiten gegenüber den Musterverfahren.
Rz. 70
f) Ohne Verstoß gegen § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO hat der Verwaltungsgerichtshof den Vortrag der Kläger zu den Wirbelschleppen nicht zum Anlass genommen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Rz. 71
Die Beschwerde macht geltend, im Nachverfahren sei dargelegt worden, dass die der Planfeststellung zugrunde gelegten gutachterlichen Annahmen fehlgeschlagen seien. Das Gutachten zu den Wirbelschleppen sei von Anfang an unzulänglich gewesen; auch die Umweltverträglichkeitsprüfung sei daher fehlerhaft. Die zahlreichen Vorfälle allein in Flörsheim erforderten eine Neubewertung der Gefahren für Sachgüter sowie Leib und Leben. Das Thema Wirbelschleppen sei in den Musterverfahren nur von der Stadt Raunheim aufgeworfen worden; eine streitige Entscheidung und Zurückverweisung an den Verwaltungsgerichtshof sei nur durch gütliche Einigung - Verklammerung der Dachziegel auf Kosten der Beigeladenen - vermieden worden. Eine weitere Sachaufklärung sei unterblieben. Sofern Gefahren durch Wirbelschleppen auf der Landebahn Nordwest bei der Betriebsrichtung Ost nur mit Landeverboten für den Flugzeugtyp "Heavy" begegnet werden könne, habe dies wegen der erforderlichen Verlagerung des Flugbetriebs auf andere Bahnen sowie des Fluglärms auf bereits besonders betroffene Gebiete wesentliche Auswirkungen auf die Grundlagen der Planfeststellung, insbesondere die Kapazitätsberechnungen, das Lärmschutzkonzept und die Alternativenprüfung. In einer mündlichen Verhandlung hätte geklärt werden müssen, ob damit die Gesamtkonzeption der Planung betroffen oder der Planfeststellungsbeschluss mit den nachträglichen Ergänzungen von Mai 2013 und Mai 2014 rechtmäßig sei. Diese Frage sei ebenso wenig Gegenstand der Musterentscheidungen wie die Frage nach der Vereinbarkeit der nachträglichen Auflagen zu den Wirbelschleppen mit Art. 14 Abs. 1 GG.
Rz. 72
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ergeben sich aus diesem Vorbringen weder ein in den Musterverfahren ungeklärt gebliebener Sachverhalt noch wesentliche Besonderheiten im Sinne von § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO (BA S. 71 ff.). Der Vortrag der Kläger könne ihrem Planaufhebungsbegehren nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Gesamtabwägung davon nicht betroffen und der Beklagte einem etwa erhöhten Wirbelschleppenrisiko mit den späteren Planergänzungsbeschlüssen begegnet sei. Nach § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG sei eine Planaufhebung auch bei Vorliegen eines Abwägungsmangels aber ausgeschlossen, wenn dieser durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden könne. Anderes gelte nur dann, wenn die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder eines abtrennbaren Planungsteils in Frage gestellt werde, weil die Gesamtkonzeption der Planung in einem wesentlichen Punkt berührt werde. Vorliegend sei die Gesamtkonzeption durch die von den Klägern gerügte Fehlerhaftigkeit der Sicherheitsprognose nicht betroffen. Schon in den Musterverfahren sei entschieden worden, dass eine höher zu bewertende Gefahr von Wirbelschleppen sich nur auf die Anzahl etwaiger Betroffener, nicht aber die Gesamtplanung auswirke, sondern mit den Nebenbestimmungen in Teil A XI 2.3 des Planfeststellungsbeschlusses bewältigt werden könne. Diese auf die Ausgewogenheit der Gesamtplanung bezogenen Feststellungen habe das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren der Musterverfahrensklägerin Stadt Raunheim bestätigt. Denn die auf Planaufhebung gerichtete Klage sei abgewiesen worden, nachdem der Beklagte dem für diese Klägerin als erhöht angesehenen Risiko durch Wirbelschleppen mit weiteren Schutzvorkehrungen begegnet sei. Davon ausgehend komme es weder auf die behauptete Fehlerhaftigkeit des Gutachtens zu den Wirbelschleppen noch die Frage einer fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfung oder darauf an, ob und wie das Dachklammerprogramm durchführbar sei.
Rz. 73
Hinsichtlich des von den Klägern geltend gemachten Aufhebungsanspruchs ist danach für wesentliche Besonderheiten rechtlicher oder tatsächlicher Art oder einen ungeklärten Sachverhalt nichts ersichtlich. Die Musterklägerin Stadt Raunheim hatte im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof neben einem Antrag auf Planaufhebung u.a. Verpflichtungsanträge auf Neufassung der Nebenbestimmung zu den Wirbelschleppen unter A XI Ziffer 2.3 des Planfeststellungsbeschlusses vom 18. Dezember 2007 gestellt (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 21. August 2009 - 11 C 227/08.T u.a. - LKRZ 2010, 66 = juris Rn. 144 ff.); diese Anträge hat der Verwaltungsgerichtshof abgewiesen (a.a.O. juris Rn. 1191 ff., 1221). Das Revisionsverfahren der Stadt Raunheim (BVerwG 4 C 1.10) gegen die Musterentscheidung ist im Umfang der Erledigung eingestellt worden, soweit der Beklagte die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung durch Protokollerklärung verpflichtet hat, an den im Eigentum der Klägerin stehenden und im Bereich der Anfluggrundlinien liegenden Anwesen durch Verklammerung der Dachziegel Schutzvorkehrungen gegen wirbelschleppenbedingte Schäden durchzuführen (BVerwG, Urteil vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 9). Im Übrigen sind die Klagen - mit Ausnahme einer Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung hinsichtlich der Regelungen zu den planmäßigen Flugbewegungen zwischen 23:00 Uhr und 5:00 Uhr sowie zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr sowie zum Schallschutz für gewerblich genutzte Grundstücke - abgewiesen und die weitergehenden Revisionen der Kläger zurückgewiesen worden. Damit ist durch die Musterentscheidung rechtskräftig entschieden, dass das Problem von Wirbelschleppen bewältigt werden kann, ohne die Gesamtplanung in Frage zu stellen, und daher weder eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch als Minus die Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit rechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher zu Recht angenommen, dass er an einer Entscheidung im Beschlusswege nicht gehindert ist, soweit die Kläger einen Anspruch auf Aufhebung und hilfsweise auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verfolgen.
Rz. 74
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Rz. 75
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13694130 |