Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 09.08.2005; Aktenzeichen 6 A 10095/05.OVG) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 400 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
a) Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die Beschwerde formuliert keine Rechtsfrage des revisiblen Rechts, die nach ihrer Ansicht geklärt werden müsste. Sie verweist allein auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Beitragserhebung einer Notarkammer (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2002 – NotZ 25/01 – NJW 2002, 3026) und meint, dass das Oberverwaltungsgericht davon abgewichen sei. Mit Recht macht die Beklagte nicht den Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend. Denn nach dieser Vorschrift kann die Revision nur im Falle der Abweichung der Berufungsentscheidung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nicht aber bei Abweichung von der Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts zugelassen werden. Das schließt freilich, wie die Beklagte ebenfalls zu Recht annimmt, nicht aus, dass die Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung eines anderen obersten Bundesgerichts auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits führt (vgl. Beschluss vom 22. Juni 1984 – BVerwG 8 B 121.83 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 225). Doch muss sich auch in einem solchen Fall die grundsätzliche Bedeutung aus dem Vortrag der Beschwerde ergeben (vgl. Beschluss vom 20. August 1992 – BVerwG 4 NB 3.92 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 69). Daran fehlt es hier. Denn der zitierte Beschluss des Bundesgerichtshofs und die Entscheidung des Berufungsgerichts betreffen unterschiedliche Sach- und Regelungsbereiche. Während sich der Bundesgerichtshof mit der Erhebung von Kammerbeiträgen und der dadurch bewirkten Vorteilsabgeltung bei Anwaltsnotaren befasst hat, die neben dem Gewinn aus dem Notariat auch Einnahmen aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit erzielen, hat das Berufungsgericht sein Entscheidungsergebnis auf die besondere Mitgliederstruktur der Beklagten und die generell verminderte Leistungsfähigkeit eines erheblichen Teils ihrer Mitglieder, nämlich der Gruppe der teilzeitbeschäftigten Berufsangehörigen, gestützt. Unter diesen Umständen kann ohne weitere Darlegung nicht von der Identität der jeweils beantworteten Rechtsfrage und ihrer Erheblichkeit in dem von der Beklagten angestrebten Revisionsverfahren ausgegangen werden. Da die Beklagte somit die vom Bundesverwaltungsgericht zu klärende Rechtsfrage des revisiblen Rechts und den insoweit bestehenden Klärungsbedarf nicht hinreichend deutlich gemacht hat, kann die Revision nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden.
b) Wegen eines Verfahrensmangels kann die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur zugelassen werden, wenn ein Mangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ein solcher Mangel ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in Bezug auf die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Auch diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Die Beklagte rügt einen Verstoß gegen den in § 108 Abs. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Überzeugungsgrundsatz. Sie macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe wesentliche Umstände nicht berücksichtigt. Dieser Vorwurf ist unbegründet.
§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangt, dass im Urteil die Gründe angegeben werden, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind. Dies dient einerseits der Selbstkontrolle der Tatsacheninstanz, andererseits aber auch der Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung durch die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht. Der Begründungszwang ist damit zugleich ein rechtsstaatliches Korrelat zu dem Entscheidungsvorrecht des Tatrichters bei der Feststellung des Sachverhalts (§ 137 Abs. 2 VwGO). Wie umfangreich und detailliert die leitenden oder wesentlichen Gründe im Urteil niederzulegen sind, lässt sich allerdings nicht abstrakt umschreiben. Im Allgemeinen genügt es, wenn der Begründung entnommen werden kann, dass das Gericht eine vernünftige und der jeweiligen Sache angemessene Gesamtwürdigung und Beurteilung vorgenommen hat. Nicht erforderlich ist danach insbesondere, dass sich das Gericht mit allen Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des festgestellten Sachverhalts in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich auseinander setzt. Aus der Nichterwähnung einzelner Umstände kann daher regelmäßig auch nicht geschlossen werden, das Gericht habe diese bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht seiner Pflicht aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt und seiner Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten sowie den festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde gelegt hat (Urteile vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 und vom 25. Juni 1992 – BVerwG 3 C 16.90 – Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 68, jeweils unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu Art. 103 Abs. 1 GG). Wenn das Gericht in seiner Entscheidung jedoch gewichtige Tatsachen oder Tatsachenkomplexe, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt, unerwähnt lässt, so spricht dies dafür, dass es den entsprechenden Tatsachenstoff entweder nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat. Der Überzeugungsbildung des Gerichts liegt dann nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens im Sinne des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zugrunde (Urteil vom 25. Juni 1992 a.a.O.). Unter Anwendung dieser Grundsätze ist ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO nicht ersichtlich.
Die Beklagte hält dem Oberverwaltungsgericht vor, die Einkommensverhältnisse der Klägerin und deren Verhältnis zum Durchschnitt der Einkünfte der Gesamtheit der Mitglieder sowie den Umstand nicht ausreichend berücksichtigt zu haben, dass sie – die Beklagte – sich noch in einer Aufbauphase befinde.
Auf den Gesichtspunkt der Aufbauphase ist das Berufungsgericht ausdrücklich eingegangen; die Mitgliederstruktur ist ebenfalls dargestellt (UA S. 13). Auf die individuellen Einkommensverhältnisse gerade der Klägerin kam es nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an. Es hat vielmehr die Einkommensverhältnisse der teilzeitbeschäftigten Berufsangehörigen als Gruppe der Kammermitglieder in den Blick genommen und deren Leistungsfähigkeit als Gruppenmerkmal seiner Entscheidung zugrunde gelegt (UA S. 16). Unter diesen Umständen brauchte das Gericht die individuellen Einkommensverhältnisse nicht darzustellen. Die Beklagte berücksichtigt in ihren weiteren Überlegungen auch nicht genügend, dass das Berufungsgericht die Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung, nämlich § 1 Abs. 5 der Satzung, für rechtswidrig erachtet hat, so dass aus diesem Grund eine Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung fehlt. Ob die Klägerin auf einer anderen Rechtsgrundlage einen Beitrag in derselben Höhe entrichten müsste, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung. Von einer fehlenden Beschwer der Klägerin kann daher nicht die Rede sein.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Graulich
Fundstellen