Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 26.05.1994; Aktenzeichen 7 A 1670/90) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1994 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 75 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist – zumindest – unbegründet. Der Senat kann offenlassen, ob die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung des angefochtenen Beschlusses gegeben waren oder ob es dem Kläger verwehrt wäre, sich auf einen Zustellungsmangel zu berufen, weil er möglicherweise den Zugang des Beschlusses selbst vereitelt hat. Auf die Frage, ob die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden ist oder ob dem Beschwerdeführer, wenn er die Beschwerdefrist versäumt haben sollte, Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, kommt es nicht an. Denn aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich jedenfalls kein Grund für eine Zulassung der Revision.
Die Frage, ob eine “temporäre Ungleichbehandlung” bei Abrißverfügungen über einen Zeitraum von fast zehn Jahren (oder mehr) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie betrifft in erster Linie die Ausübung des bauordnungsrechtlichen Eingriffsermessens und gehört insoweit zum irrevisiblen Landesrecht. Soweit sie sich auf den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG bezieht, wird mit ihr zwar auch revisibles Bundesrecht angesprochen. Grundsätzliche Fragen stellen sich jedoch nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist wiederholt ausgeführt worden, daß das Willkürverbot bei jeder Ermessensausübung zu beachten ist und daß eine Behörde daher nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ihr Ermessen ausüben darf. Geklärt ist aber auch, daß dem polizeilichen Einschreiten Fälle, in denen noch nicht eingeschritten worden ist, nur ausnahmsweise dann entgegengehalten werden können, nämlich wenn es der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für diese Art des (auch zeitlichen) Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muß (Urteil vom 2. März 1973 – BVerwG 4 C 40.71 – DVBl 1973, 636 ≪639≫, m. w. N.). Die Bauaufsichtsbehörde darf sich also auch auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe, etwa – wie hier – die Auswahl eines “Musterfalls”, anzuführen vermag (vgl. Beschluß vom 19. Februar 1992 – BVerwG 7 B 106.91 – Buchholz 406.17 Nr. 37 = NVwZ-RR 1992, 360). Eine allgemeingültige zeitliche Grenze für ein unterschiedliches Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz nicht.
Das Berufungsgericht ist auch nicht von dem genannten Beschluß vom 19. Februar 1992 (a.a.O.) abgewichen. Es führt vielmehr ausdrücklich aus, daß der Beklagte nach einem Konzept vorgegangen sei, welches sicherstelle, daß andere Bauherren nicht bessergestellt würden als der Kläger. Wenn die Beschwerde das von den Vorinstanzen gebilligte Konzept als nicht sachgerecht ansieht, kritisiert sie lediglich die Rechtsanwendung im Einzelfall; eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wird hiermit nicht geltend gemacht. Die Frage, ob eine Abrißverfügung über einen Teil eines Gebäudes mit einem – nicht auf § 176 BauGB gestützten – Baugebot verbunden werden darf, könnte im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden. Zwar ist dem Kläger aufgegeben worden, näher bezeichnete Anbauten abzureißen und den ursprünglichen (genehmigten) Zustand wiederherzustellen. Die Vorinstanzen haben darin jedoch kein Baugebot gesehen, sondern die Anordnung ausschließlich als eine Beseitigungsanordnung gewertet. Auf der Grundlage dieser den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Auslegung stellt sich die als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage nicht. Deshalb scheidet auch eine Abweichung von dem Beschluß des Senats vom 3. August 1989 – BVerwG 4 B 70.89 – (Buchholz 406.11 § 175 BauGB Nr. 1 = NVwZ 1990, 60) aus, weil dieser zu einem Baugebot nach § 39 b BBauG/§ 176 BauGB ergangen ist. Im übrigen wäre es zunächst eine Frage des irrevisiblen Landesrechts, ob die Bauaufsichtsbehörde zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände bestimmte Reparatur-, Instandsetzungs- oder Wiederherstellungsarbeiten anordnen darf; eine die Auslegung des Bundesrechts betreffende Frage hierzu wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt.
Die auf die Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes genügt. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die mangelhafte Erforschung des Sachverhalts durch das Tatsachengericht gerügt, so ist nicht nur darzulegen, welche Ermittlungen das Gericht hätte vornehmen müssen, sondern auch, welches Ergebnis bei Durchführung der unterlassenen Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. In der Beschwerdebegründung wird lediglich gerügt, daß das Berufungsgericht keine Ortsbesichtigung durchgeführt habe. Der Beschwerde kann aber nicht entnommen werden, welcher entscheidungserhebliche Sachverhalt bei einer Ortsbesichtigung festgestellt worden wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG fest.
Unterschriften
Gaentzsch, Lemmel, Halama
Fundstellen
Haufe-Index 2183049 |
BRS 1996, 539 |