Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 19.12.1997; Aktenzeichen 9 A 5943/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 287 500 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch leidet das angefochtene Urteil unter den gerügten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
a) Die von der Beschwerde zunächst aufgeworfene Frage,
ob das in der TS 2.1.4 b (AGT) verwendete Tatbestandsmerkmal “Rohbausumme” inhaltlich mit dem Rechtsstaatsprinzip und mit der … gebotenen Bestimmtheit vereinbar ist,
ist in ihrem landesrechtlichen Ausgangspunkt nicht klärungsfähig und – soweit bundesrechtliche Bezüge hergestellt werden – nicht klärungsbedürftig. Im Rahmen der Auslegung des Begriffs der Rohbaukosten beruht das angefochtene Urteil in erster Linie auf der Anwendung irrevisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Insoweit können sich keine rechtsgrundsätzlichen Fragen stellen. In einem Revisionsverfahren könnte lediglich nachgeprüft werden, ob Bundesrecht ein anderes Ergebnis gebietet (vgl. Urteile vom 24. November 1992 – BVerwG 1 C 9.91 – BVerwGE 91, 186 ≪187≫ und vom 23. August 1994 – BVerwG 1 C 18.91 – Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 230 S. 14 ≪15≫). Auch die Rüge einer Verletzung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur dann zu rechtfertigen, wenn die Beschwerdebegründung eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzeigt (stRspr; vgl. Beschluß vom 3. März 1994 – BVerwG 1 B 97.93 – Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 26 S. 5 ≪6≫). Das ist weder mit Blick auf das in der Fragestellung erwähnte Rechtsstaatsprinzip im allgemeinen noch auf das Bestimmtheitsgebot im besonderen der Fall. Das Bundesverwaltungsgericht hat gerade auch bezüglich der Bemessung von Baugenehmigungsgebühren mehrfach entschieden, daß dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot insoweit allein die Funktion zukommt, Gebührentatbestände auszuschließen, die so unbestimmt sind, daß sie den Behörden die Möglichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren, willkürlichen Handhabung eröffnen (Urteil vom 2. Juli 1969 – BVerwG IV C 68.67 – Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 6 S. 3 ≪6≫; Beschlüsse vom 25. September 1989 – BVerwG 8 B 95.89 – Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 23 S. 5 ≪8≫ und vom 13. November 1996 – BVerwG 8 B 212.96 – ZKF 1997, 230). Die sich hieraus ergebenden engen Grenzen des Bestimmtheitsgebots im Gebührenrecht sind danach nicht überschritten, wenn Landesrecht Baugenehmigungsgebühren nach den tatsächlichen oder – wie hier – nach landesdurchschnittlichen Rohbaukosten bemißt (vgl. Beschlüsse vom 13. November 1996, a.a.O., vom 20. Februar 1996 – BVerwG 8 B 16.96 – n.v. und vom 27. März 1996 – BVerwG 8 B 51.96 und 52.96 – n.v.; Verfassungsbeschwerden gegen die beiden letztgenannten Beschlüsse sind nicht angenommen worden, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Februar 1998 – 1 BvR 693/96 – und vom 4. Februar 1998 – 1 BvR 1011/96 –).
Das Beschwerdevorbringen, das sich mit der erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur knapp befaßt, zeigt nicht auf, weshalb aus der Sicht des Bundesrechts gleichwohl erneuter oder weiterer Klärungsbedarf bestehen sollte. Das Oberverwaltungsgericht hat im übrigen auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Landesrechts einen klar umrissenen Inhalt des Begriffs der maßgeblichen Rohbaukosten ermittelt (vgl. BU S. 37); dies zieht auch die Beschwerde nicht in Zweifel. Daß demselben Begriff nach früherer anders gestalteter Rechtslage oder in anderen Rechtsgebieten eine abweichende Bedeutung beigemessen worden ist oder wird, stellt die Wahrung des Bestimmtheitsgebots im vorliegenden Fall nicht in Frage.
b) Die sinngemäßen weiteren Fragen,
ob es mit dem Rechtsstaatsprinzip zu vereinbaren ist, daß dem Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik die Feststellung und Errechnung der Preisindizes überlassen wird und ob darin nicht eine unzulässige dynamische Verweisung zu sehen ist,
verkennen die bereits geklärte Rechtsnatur der Festlegung durchschnittlicher Rohbaukosten und ihrer Fortschreibung um einen ermittelten Baukostenindex. Das Bundesverwaltungsgericht hat darin “ihrem Wesen nach sachverständige Tatsachenfeststellungen” gesehen, “die als solche durch die Gerichte auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden können und – bei hinreichenden Zweifeln – müssen” (vgl. Beschlüsse vom 13. November 1996, a.a.O., vom 27. Juni 1984 – BVerwG 8 B 163.83 – Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 17 S. 7 ≪8≫ und vom 27. März 1996 – BVerwG 8 B 51.96 – Abdruck S. 3). Die Bezugnahme auf die von dem Landesamt ermittelten Daten stellt danach – wie dem von der Beschwerde selbst zitierten Beschluß vom 27. Juni 1984 (a.a.O.) ausdrücklich zu entnehmen ist – gerade keine dynamische Verweisung dar. Davon geht auch das Berufungsurteil (S. 16 f.) zutreffend aus.
c) Klärungsbedarf bzw. Klärungserwartung fehlen auch bezüglich der Fragen,
ob das Bestimmtheitsgebot verletzt ist, wenn für die Fortschreibung der Rohbaukostenansätze für Bürogebäude und Tiefgaragen der Preisindex für Wohngebäude zugrunde gelegt wird und ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegt, wenn die Rohbaukosten aller Bauwerkstypen anhand des Indexes für Wohngebäude fortgeschrieben werden.
Die von der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebotes geforderte Möglichkeit, daß jeder interessierte Bürger sich über die Entwicklung der Preisindizes informieren und die Höhe der jeweiligen Abgabe berechnen können müsse, entspricht der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. BU S. 18). Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. schon Beschluß vom 12. Mai 1977 – BVerwG VII B 27.76 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 12 S. 12) im einzelnen dargelegt, daß diese Möglichkeit der Information und Berechnung besteht (BU S. 17 f.). Die Anwendbarkeit des Preisindexes für Wohngebäude auf alle Bauwerkstypen stellt entgegen der Ansicht der Beschwerde allenfalls deren materiellrechtliche Gültigkeit unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG, nicht aber die Berechenbarkeit der Gebührenhöhe für Betroffene, die keine Wohngebäude errichten, in Frage.
Die landesrechtlich vorgesehene Fortschreibung aller bauwerksbezogenen Rohbaumittelwerte des Jahres 1984 nach dem Preissteigerungsindex für Wohngebäude wirft auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts und der bindenden Auslegung des irrevisiblen Landesrechts keine klärungsbedürftigen Fragen des Bundesrechts auf. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Verfahren unter dem Gesichtspunkt der zulässigen Pauschalierung und der Typengerechtigkeit gewürdigt und mit Art. 3 Abs. 1 GG für vereinbar gehalten (BU S. 30 bis 39), weil es an konkreten Anhaltspunkten dafür fehle, daß die pauschale Mittelwertbildung und Fortschreibung bei den jeweiligen Bauwerkstypen zu Rohbausummenwerten außerhalb der zulässigen Bandbreite geführt habe (BU S. 32 und 34 f.). Da für das hier maßgebliche Jahr 1994 nach der bindenden Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht nur die Preisentwicklung bis Mai 1993 zugrunde zu legen war und nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der berücksichtigungsfähige Preiszuwachs für Wohngebäude von 34,2 % “sogar noch unter dem … für August 1994 festgestellten und von den Klägerinnen nicht angegriffenen Zuwachs bei Rohbauarbeiten/Bürogebäude von 34,3 %” lag, kommt eine fortschreibungsbedingte Überhöhung der Rohbausumme für Bürogebäude nicht in Betracht (BU S. 35).
2. Das Berufungsurteil leidet auch nicht unter einem Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Berufungsgericht hat die ihm obliegende Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Die Rüge der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe verschiedene Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt, trifft nicht zu.
a) Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte den im Verhandlungstermin gestellten förmlichen Beweisanträgen Nr. 1 und 2 nachgehen und ermitteln müssen, ob in den Rohbaukosten-Ausgangswerten des Jahres 1984 Ausbaukosten enthalten gewesen seien. Das Berufungsgericht hat diese Beweisanträge jedoch zu Recht als unzulässige Ausforschungsbeweise abgelehnt, weil die von den Klägerinnen als Beleg angeführte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts eine andere Rechtslage betreffe, nach den vorliegenden Unterlagen nichts darauf hindeute, daß in den seinerzeit an den Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr übermittelten, im Jahre 1984 angewandten ortsüblichen Rohbaukosten Ausbaukosten enthalten seien und die Klägerinnen ihre diesbezügliche pauschale Vermutung “nicht ansatzweise zu konkretisieren vermocht” hätten (BU S. 33). Diese Wertung ist nicht zu beanstanden. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis bzw. Beweisermittlungsantrag liegt vor, wenn die unter Beweis gestellte Vermutung durch keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte gestützt wird (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982 – BVerwG 7 C 17.80 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 26 und Beschluß vom 29. März 1995 – BVerwG 11 B 21.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 S. 10) und die Beweistatsachen oder -mittel durch Nachforschungen erst gesucht werden sollen. Die Klägerinnen haben auch nach Ablehnung der Beweisanträge Nr. 1 und 2 nichts dafür vorgebracht, dass die behauptete Überhöhung der Rohbauwerte gerade auf der Einbeziehung von Ausbaukosten in den Ausgangswert des Jahres 1984 beruht. Auch das Beschwerdevorbringen, Anhaltspunkte für eine Überhöhung der fortgeschriebenen Rohbauwerte würden durch die im konkreten Fall festzustellende erhebliche Abweichung der pauschalen von den tatsächlichen Rohbaukosten belegt, hat keinen tragfähigen Bezug zu der allein unter Beweis gestellten Behauptung, die Ausgangswerte des Jahres 1984 seien bereits durch die fehlerhafte Einbeziehung von Ausbaukosten überhöht gewesen; vielmehr sind insoweit vielfache andere Ursachen (– untypischer Einzelfall, Fortschreibungsfehler etc. –) denkbar. Das Oberverwaltungsgericht musste deshalb auch unter diesem Blickwinkel den konkret beantragten Beweis nicht erheben. Da der Beweisantrag Nr. 1 zu Recht als unzulässiger Ausforschungsbeweis abgelehnt worden ist, kommt es nicht darauf an, ob auch der weitere Ablehnungsgrund der Unerheblichkeit insoweit tragfähig war.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler den Beweisantrag Nr. 5 abgelehnt, weil er unbestimmt sei und im übrigen die als Beweismittel genannte Auskunft des Landesamtes bereits vorliege. Zum einen war der angebotene Beweis, “daß die Preissteigerungsraten für Wohngebäude gegenüber Bürogebäuden und Tiefgaragen weit höher” liegen, bezüglich der angeblichen Höhe der Überschreitung zu unbestimmt. Da eine Auskunft des Landesamtes unter dem Datum des 19. November 1997 zu der unter Beweis gestellten Preissteigerungsrate bereits vorlag, hätten die Klägerinnen überdies substantiiert darlegen müssen, weshalb und inwiefern eine erneute Auskunft derselben Stelle zu demselben Thema eingeholt werden müßte bzw. weshalb darüber hinaus ein Sachverständigengutachten erforderlich sein sollte (vgl. Beschluß vom 2. März 1995 – BVerwG 5 B 26.95 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 Nr. 267 S. 11 ≪12≫). Es besteht auch kein Anhaltspunkt für die Annahme der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe den von ihm für maßgeblich gehaltenen Preisindex für Rohbauarbeiten/Wohngebäude im Zeitpunkt Mai 1993 “geschätzt” (Beschwerdebegründung S. 26). Vielmehr geht das Berufungsurteil davon aus (BU S. 35), es finde der in dem Statistischen Fachbericht des LDS … “ausgewiesene Preisindex für Rohbauarbeiten/Wohngebäude mit einem Wert von 134,2 … Anwendung”. Diese tatsächliche Feststellung ist mangels insoweit erhobener Verfahrensrügen bindend und rechtfertigt nicht die Annahme einer eigenständigen Schätzung durch das Oberverwaltungsgericht. Die Beschwerde hat auch nicht etwa substantiiert dargelegt oder gar unter Beweis gestellt (vgl. BU S. 38 f.), daß für Bürogebäude gerade in dem Zeitraum zwischen Mai 1993 und August 1994 ein erheblicher Preisverfall eingetreten sei. Nur ein solches substantiiertes und unter Beweis gestelltes Vorbringen hätte der Argumentation des Oberverwaltungsgerichts (BU S. 35) den Boden entziehen können, die Preissteigerungsgesamtrate für Wohngebäude im Mai 1993 von 34,2 % liege unter der Preissteigerungsgesamtrate für Bürogebäude im August 1994 von 34,3 % und belege deshalb, daß der nach Wohngebäuden einheitlich fortgeschriebene Preisindex auch für Bürogebäude nicht überhöht sei. Im übrigen legt die Beschwerde entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO insoweit nicht dar, daß eine nach der materiellen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts erforderliche (vgl. BU S. 32) “signifikante” Überschreitung des Anteils der Rohbausumme an den gesamten Herstellungskosten als Beweisergebnis zu erwarten gewesen wäre (vgl. zu diesem Darlegungserfordernis: Beschlüsse vom 13. September 1973 – BVerwG II B 45.73 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 114 S. 62 ≪63≫ und vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 8 ≪9≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Sailer, Krauß
Fundstellen
Haufe-Index 1457426 |
NVwZ-RR 1999, 191 |