Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 03.06.1997; Aktenzeichen 5 A 4/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Juni 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 70 682 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines am Mittellandkanal gelegenen Baugrundstücks in einer bombenverdächtigen Zone. Im Zuge der Bebauung des Grundstücks kam es zum Einsatz des Kampfmittelräumdienstes, der zwar keine Bombenblindgänger fand, aber auf ehemals reichseigene Munition stieß und diese – ohne daß die Klägerin insoweit mit Kosten belastet wurde – beseitigte. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin von der örtlichen Ordnungsbehörde die Übernahme von Kosten für Erdarbeiten, die den Einsatz des Kampfmittelräumdienstes vorbereitet haben, und für die Beseitigung des Bodenaushubs.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde muß erfolglos bleiben. Sie zeigt einen Revisionszulassungsgrund nicht auf.

1. Die Klägerin beruft sich ausschließlich auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine Rechtssache hat rechtsgrundsätzliche Bedeutung nur, wenn sie eine Frage des Bundesrechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen macht die Beschwerdebegründung nicht ersichtlich.

Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „eine landesrechtliche Regelung, nach der der Eigentümer eines Grundstückes in einer bombenverdächtigen Zone für Maßnahmen der Gefahrenerforschung und zur Beseitigung von Gefahren in Anspruch genommen werden kann, unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG)” ist.

a) Soweit die Klägerin die von ihr formulierte Rechtsfrage auf Maßnahmen der Gefahrenerforschung bezieht, würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsgericht (BU S. 8 f.) ist in Anwendung irrevisiblen Landesrechts (§ 14 OBG NW) davon ausgegangen, daß aufgrund der Erkenntnisse des Kampfmittelräumdienstes eine konkrete Lebens- und Gesundheitsgefahr für Menschen bestanden habe; es habe hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme gegeben, daß sich auf dem Grundstück der Klägerin Kampfmittel befanden, die bei den von der Klägerin beabsichtigten Bauarbeiten hätten explodieren können; die Maßnahmen des Kampfmittelräumdienstes sowie die hierzu notwendigen Erdarbeiten der Klägerin hätten daher unmittelbar der Bekämpfung und Beseitigung dieser Gefahr gedient. Das Berufungsgericht ist demnach nicht von einem Gefahrenverdacht ausgegangen und hat die fraglichen Maßnahmen dementsprechend auch nicht als Maßnahmen der Gefahrenerforschung qualifiziert. Soweit sich das Berufungsgericht zusätzlich mit der Gegenauffassung der Klägerin auseinandersetzt, die in den Maßnahmen des Kampfmittelräumdienstes zumindest teilweise einen Gefahrenerforschungseingriff sieht, handelt es sich nicht um entscheidungserhebliche Erwägungen.

b) Soweit die Klägerin die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage auf Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren bezieht, zeigt sie ebenfalls keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts auf. Die bundesrechtlichen Aspekte, die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehen werden, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt. Jedenfalls kann die in der Beschwerde angesprochene Frage unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die vom Berufungsgericht festgestellten Gegebenheiten des vorliegenden Falles ausreichend beantwortet werden, ohne daß es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Nicht auf eine Grundsatzfrage führen zunächst die Ausführungen der Klägerin, die sich mit ihrer Zustandsverantwortlichkeit befassen. Das Berufungsgericht (BU S. 10 f.) hat in Anwendung irrevisiblen Landesrechts (§ 18 OBG NW) eine ordnungsrechtliche Zustandsstörerhaftung der Klägerin auch hinsichtlich der Kampfmittel im Boden angenommen. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob die Klägerin Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über die Kampfmittel war; sie sei jedenfalls als Eigentümerin des Grundstücks für dessen ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich gewesen; eine Aufteilung in ein „ungefährliches Grundstück” einerseits und „gefährliche Kampfmittel” andererseits sei verfehlt; vielmehr habe die Beschaffenheit des Grundstücks in seiner Gesamtheit eine Gefahr gebildet; das Grundstück selbst habe sich in einem ordnungswidrigen Zustand befunden. Die Klägerin macht demgegenüber geltend, sie sei nicht Eigentümerin der gefundenen Munitionsteile und deshalb zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen, über diese Kampfmittel zu verfügen. Ohne Erfolg beruft sie sich in diesem Zusammenhang auf die dem Berufungsurteil in der Sache widersprechende Entscheidung eines anderen Senats des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zur Frage der Sachherrschaft über durch Hochwasser angeschwemmte Abfälle. Diese Entscheidung ist durch das Bundesverwaltungsgericht inzwischen aufgehoben worden (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1997 – BVerwG 7 C 59.96 – Städte- und Gemeinderat 1998, 63; vgl. auch die Parallelentscheidung vom selben Tage – BVerwG 7 C 58.96 – NJW 1998, 1004 = DVBl 1998, 336). Daß die Auslegung des § 18 OBG NW durch das Berufungsgericht von Verfassungs wegen und auch sonst von Bundesrechts wegen keiner Korrektur bedarf, ergibt sich aus folgendem:

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß die ordnungsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit an die aus der tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft des Grundeigentümers hergeleitete Rechtspflicht anknüpfen, dafür zu sorgen, daß von dem Grundstück keine Störungen oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Sie stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die verfassungsrechtlich schon deshalb unbedenklich sind, weil sie Ausdruck der dem Sacheigentum nach Art. 14 Abs. 2 GG immanenten Sozialbindung sind. Weder die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG noch der mit Verfassungsrang ausgestattete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehen einer Inanspruchnahme des Grundeigentümers entgegen, auch wenn sich seine Sachherrschaft nicht auf eingebrachte Sachen bezieht, von denen die Gefahr ausgeht (vgl. Beschluß vom 14. November 1996 – BVerwG 4 B 205.96 – Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 60; Urteil vom 18. Oktober 1991 – BVerwG 7 C 2.91 – BVerwGE 89, 138 ≪144≫). Es ist daher unerheblich, ob die Klägerin Eigentümerin der Munition geworden ist. Unerheblich ist auch, ob die Begründung und der Fortbestand der Sachherrschaft dem Willen des Grundeigentümers entspricht. Für die Zustandsverantwortlichkeit kommt es allein auf seine rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft über das Grundstück und die sich daraus ergebende Pflicht an, für die Störungsfreiheit zu sorgen (vgl. die Entscheidungen vom 11. Dezember 1997 – BVerwG 7 C 58 und 59.96 – a.a.O.).

Daß das Berufungsgericht die Zustandsverantwortlichkeit des Grundeigentümers auch dann bejaht, wenn der polizeiwidrige Zustand des Grundstücks durch Dritte oder höhere Gewalt herbeigeführt worden ist, bedarf ebenfalls keiner bundes(verfassungs)rechtlichen Korrektur. Denn der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums liegt als Rechtstatsache voraus, daß das Eigentum an einer Sache mit Risiken behaftet sein kann, die sich aus der Sachqualität oder Sachherrschaft als solcher ergeben. Verwirklicht sich ein derartiges Risiko und greift deswegen die polizeiliche Zustandshaftung Platz, so kann darin grundsätzlich eine Verletzung der Eigentumsgewährleistung nicht liegen (Beschluß vom 19. November 1991 – BVerwG 8 B 137.91 – Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 54). Das Berufungsgericht hat nicht nur festgestellt, daß die Gefahrenquelle dem Grundstück der Klägerin als solchem immanent war, weil die Kampfmittel bei den von der Klägerin geplanten Bauarbeiten hätten explodieren können. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, daß die zwischen den Beteiligten streitigen Kosten für zusätzliche Erdarbeiten durch die Beschaffenheit des Grundstücks veranlaßt waren, da Bauschutt und Schlacke ein Absuchen nach Kampfmitteln unmöglich machten. Daher hat sich vorliegend ein der Sachqualität des Grundstücks innewohnendes Risiko verwirklicht, was nicht zu einer Verletzung der Eigentumsgewährleistung führen kann.

c) Soweit die Klägerin schließlich die Auffassung vertritt, daß es im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den verfassungsrechtlich verankerten Eigentumsschutz nicht vertretbar erscheine, die Lasten, die sich aus den Kriegsfolgen ergäben, allein auf die Grundstückseigentümer abzuwälzen, zeigt dieses Vorbringen ebenfalls keine bundesrechtlich bedeutsame Frage auf. Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, ein Eigentümer, der für die Entstehung des Bombenverdachts oder die Belastung des Grundstücks mit reichseigener Munition unter keinem Gesichtspunkt verantwortlich sei, befinde sich in einer „Opferposition”; werde in einem derartigen Fall der Grundstückseigentümer zu den Kosten der Kampfmittelräumung herangezogen, könne es zu schweren und unerträglichen Belastungen kommen.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Eingrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in Betracht kommen kann, wenn der Eigentümer sich in einer Art „Opferposition” befindet (Beschluß vom 11. Oktober 1996 – BVerwG 1 B 120.96 – Buchholz 402.41 Allg. Polizeirecht Nr. 59; Urteil vom 11. Dezember 1997 – BVerwG 7 C 58.96 – a.a.O.). Diese Rechtsprechung ist auf den Fall der Klägerin jedoch nicht übertragbar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Klägerin die eigentlichen Kosten der Kampfmittelräumung nicht zu tragen. Denn von den Kosten der Bodenuntersuchungen und der Beseitigung der Kampfmittel ist die Klägerin aus Billigkeitsgründen freigestellt worden. Die Klägerin ist daher nicht zu Kosten herangezogen worden, die unmittelbar mit Kriegseinwirkungen zusammenhängen. Die Klägerin ist lediglich, wie ausgeführt, von Kosten für zusätzliche Erdarbeiten betroffen, die durch die besondere Beschaffenheit ihres Grundstücks verursacht wurden. Diese Kostenlast führt nicht zu einer – nur ausnahmsweise anzunehmenden – „Opferposition” der Klägerin. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Kostenlast insbesondere nicht den durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierten privatnützigen Gebrauch des Grundstücks ausgeschaltet; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin ist durch sie nicht berührt worden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.

 

Unterschriften

Meyer, Gielen, Richter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1422477

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