Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Aktenzeichen 11 K 2769/99) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Entscheidung des Normenkontrollgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung des Normenkontrollgerichts beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der die Entscheidung des Normenkontrollgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
a) Die von der Antragstellerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerdebegründung muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer in verallgemeinerungsfähiger Weise zu beantwortenden, bisher revisionsgerichtlich nicht entschiedenen Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann. Diesen Anforderungen genügen die von der Antragstellerin aufgeworfenen Fragen nicht.
aa) Die Antragstellerin hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig: „Hat der Beschwerdegegner ohne bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage die rechtliche Möglichkeit, die vom Bundesgesetzgeber nach der Vorschrift von § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG vorgegebenen EG-Pauschalgebühren außer Acht zu lassen und anstatt dessen der Höhe nach Gebühren für die Fleischuntersuchung festzulegen, die die EG-Pauschalgebührensätze übersteigen?”
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision. Die Antragstellerin geht mit ihrer Frage davon aus, dass der Antragsgegner unter Verletzung von Bundesrecht die EG-Pauschalgebühren „außer Acht” gelassen habe; sie ist der Auffassung, dem Landesgesetzgeber fehle die Kompetenz, von den „EG-Pauschalgebührensätzen” abweichende Gebühren vorzuschreiben. Das Normenkontrollgericht hat dahin erkannt, dass die mit dem Normenkontrollantrag angegriffene Gebührenordnung die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ohne Mängel umsetzt. Mit der Ansicht der Antragstellerin, die Gebührenhöhe sei bereits durch Bundesrecht im Wege der Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht (§ 24 Abs. 2 FlHG) geregelt und für Landesrecht, das von den EG-Pauschalgebühren abweicht, sei insoweit kein Raum, hat sich der beschließende Senat in seinem Urteil vom 27. April 2000 – BVerwG 1 C 7.99 – eingehend befasst. Er hat entschieden, dass § 24 Abs. 2 FlHG nicht die Regelungskompetenz der Länder auf die gebührenpflichtigen Tatbestände beschränkt, sondern dem Landesrecht – mit gewissen Einschränkungen – auch die Bestimmung der Höhe der Gebühren einschließlich etwaiger Abweichungen von den EG-Pauschalgebühren unter den gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen überlässt. Darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Antragstellerin insoweit nicht auf.
bb) Die Antragstellerin meint ferner, die Revision müsse zur Klärung folgender Frage zugelassen werden:
„Konnte der Beschwerdegegner Gebühren für die Trichinenuntersuchung und die bakteriologische Fleischuntersuchung gesondert neben den EG-Pauschalgebühren festlegen, obwohl die Fleischuntersuchung nach der Vorschrift von § 2 Ziff. 1 lit. b FlHV diese Untersuchungen mit umfasst und die Bestimmungen von Art. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 der RL 85/73/EWG i.d.F. der RL 96/43/EG vom 26.06.1996 vorsehen, dass diese Pauschalgebühren anstelle jeder anderen Gebühr treten sollen, die von regionalen oder kommunalen Behörden des Mitgliedstaates erhoben werden?”
Diese Fragestellung kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen. Soweit die Antragstellerin auf § 2 Nr. 1 Buchst. b FlHV hinweist, ist ein Klärungsbedarf nicht erkennbar. Der Senat hat in seinen Beschlüssen vom 27. April 2000 – BVerwG 1 C 8. und 12.99 – ausgeführt, dass § 2 FlHV eine gesonderte Gebühr für die Untersuchung auf Trichinen und die bakteriologische Untersuchung nicht ausschließt. Die Fleischhygiene-Verordnung regelt keine Gebührenfrage. Die Problematik, ob das Gemeinschaftsrecht derartige Gebühren zulässt, rechtfertigt hier nicht die Zulassung der Revision. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung nicht nur auf die Erkenntnis gestützt, dass die Kosten für die genannten Untersuchungen nicht zu den Kosten der harmonisierten Fleischuntersuchungen gehörten, für die allein die harmonisierten Gemeinschaftsgebühren eingeführt worden seien. Es hat vielmehr die Entscheidung selbständig tragend auch darauf gestützt, dass diese Gebühren als die tatsächlichen Kosten deckende „spezifische” Gebühren im Sinne des Kapitels I Nr. 4 b des Anhangs A der Richtlinie 85/73/EWG des Rates vom 29. Januar 1985 in der Fassung der Richtlinien 93/118/EG des Rates vom 22. Dezember 1993 und 96/43/EG des Rates vom 26. Juni 1996 zulässig seien. In Bezug auf diese Begründung macht die Antragstellerin einen Revisionszulassungsgrund nicht geltend. Wird eine Entscheidung auf mehrere sie jeweils selbständig tragenden Gesichtspunkte gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungserwägungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt. Ist das, wie hier, nicht der Fall, genügt die Beschwerde insoweit nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
cc) Die Antragstellerin möchte außerdem folgende Frage geklärt wissen:
„Sind die angegriffenen Regelungen der Gebührenordnung für die Veterinärverwaltung vom 02.07.1997, soweit sie gegen die vorgegebenen Bestimmungen der Entscheidung 88/408/EWG, der RL 93/118/EG und RL 85/73/EWG i.d.F. der RL 96/43/EG verstoßen, als nicht existent (nichtig) zu qualifizieren und dürfen sie wegen des Grundsatzes des Vorranges des europäischen Gemeinschaftsrechtes im nationalen Recht nicht angewendet werden?”
Auch diese Frage ermöglicht nicht die Zulassung der Revision. Sie unterstellt einen Verstoß der im Normenkontrollverfahren angegriffenen Regelungen der Gebührenordnung gegen das Gemeinschaftsrecht. Einen solchen Verstoß hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht festgestellt. Außerdem liegt es auf der Hand und ist nicht weiter klärungsbedürftig, dass ein Verstoß gegen unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht grundsätzlich jedenfalls zur Unanwendbarkeit entgegenstehenden Landesverordnungsrechts führen würde, weil dem Gemeinschaftsrecht der Anwendungsvorrang gebührt (vgl. z.B. Urteil vom 7. Dezember 1999 – BVerwG 1 C 13.99 – Buchholz 402.240 § 45 AuslG Nr. 17 = DVBl 2000, 429; BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2000 – 2 BvR 1210/98 – DVBl 2000, 900). Klärungsbedarf hierzu macht die Beschwerde nicht ersichtlich.
b) Die Beschwerde rügt eine Abweichung von der Rechtsprechung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Rechtsprechungsdivergenz liegt nur vor, wenn das Normenkontrollgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgerückt ist; dabei müssen sich die Rechtssätze grundsätzlich auf dasselbe Gesetz beziehen. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt in diesem Zusammenhang, dass in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, dass und inwiefern das Normenkontrollgericht seine Entscheidung auf einen in der genannten Weise widersprechenden Rechtssatz gestützt hat. Daran fehlt es.
aa) Die Antragstellerin entnimmt dem Urteil vom 29. August 1996 – BVerwG 3 C 7.95 – (BVerwGE 102, 39) den Rechtssatz, „dass der jeweilige Landesgesetzgeber nach der Kompetenzzuweisung in der Vorschrift von § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG die Gebührenerhebung für die Fleischuntersuchung zu begrenzen” habe. Davon weiche der angefochtene Beschluss ab, da er den Rechtssatz enthalte „die GOVet in der geänderten Fassung vom 02.07.1997 setzt diese Vorgaben (der RL 85/73/EWG i.d.F. der RL 96/43/EG vom 26.06.1996) ohne Mängel um”. Damit kann eine Divergenz nicht dargelegt werden. In dem angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ging es um eine Gebührenerhebung auf der Grundlage einer Verwaltungsgebührenordnung des Landes Schleswig-Holstein, die bei der Festlegung der Fleischbeschaugebühren nicht das europäische Gemeinschaftsrecht in dem in § 24 Abs. 2 FlHG vorgeschriebenen Umfang berücksichtigte, sondern ohne Rücksicht auf die gemeinschaftsrechtlichen Pauschalgebühren eine weite Rahmenregelung enthielt, deren Ausfüllung der Exekutive im jeweiligen Einzelfall überlassen war. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der Gebührenrahmen „vom Verordnungsgeber nicht in einem nach der Kompetenzregelung in § 24 Abs. 2 FlHG sachentsprechenden Umfang begrenzt” sei (a.a.O., S. 43). Der von der Antragstellerin angeführte Satz ist sonach kein Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts. Zudem widerspricht das Oberverwaltungsgericht mit der von der Antragstellerin hervorgehobenen Passage nicht einem den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts möglicherweise zu entnehmenden Rechtssatz mit einem abstrakten Rechtssatz, sondern hält nur die zur Prüfung stehende Verordnung als mit den „Vorgaben” des vorrangigen Rechts für vereinbar. Das Normenkontrollgericht bewegt sich sonach auf der Ebene der Anwendung seiner Rechtssätze auf den konkreten Fall, wie auch die weitere Beschwerdebegründung hierzu verdeutlicht, die eine Kritik an der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts darstellt, aber keine Divergenz aufzeigt.
bb) Eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Februar 2000 – 2 BvR 1210/98 – (a.a.O.) ist ebenfalls nicht dargelegt. Die Antragstellerin führt keinen Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts an, sondern entnimmt dem Beschluss, dass das Bundesverfassungsgericht „den Vorrang des europäischen Gemeinschaftsrechtes auf verfassungsrechtlicher Grundlage explizit bejaht”. Der genannte Beschluss betrifft eine Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit der Rückforderung einer gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Beihilfe. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde als unzulässig erachtet. In einem obiter dictum führt es aus, der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Grundsatz des Vorranges des Gemeinschaftsrechts vor dem einfachen deutschen Recht sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerde legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen davon abweichenden Grundsatz aufgestellt habe, sondern rügt nur die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts als unzutreffend und mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Das genügt nicht den Darlegungsanforderungen.
cc) In gleicher Weise verfehlt das Beschwerdevorbringen die Darlegungsanforderungen hinsichtlich der behaupteten Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 1997 – 2 BvR 882/97 – (BVerfGE 97, 67 = NJW 1998, 1547). Auch hier stellt die Antragstellerin keine abstrakten Rechtssätze einander gegenüber, sondern meint, dass das Normenkontrollgericht die Grundsätze über eine zulässige Rückwirkung von Rechtsvorschriften nicht genügend beachtet habe.
dd) Nichts anderes gilt für die behauptete Divergenz zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 640/80 – (BVerfGE 58, 257 ≪277 f.≫). Den Ausführungen der Antragstellerin kann lediglich entnommen werden, dass sie eine fehlerhafte Anwendung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG beanstandet.
ee) Mit einer Abweichung von dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 3. Februar 1999 kann eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von vornherein nicht dargetan werden, weil das Oberverwaltungsgericht nicht zu den in dieser Bestimmung genannten Gerichten gehört.
2. Auch das sonstige Vorbringen führt nicht auf einen Revisionszulassungsgrund.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Meyer, Hahn, Groepper
Fundstellen