Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 12.12.2006; Aktenzeichen 5 LC 50/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 904,38 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Die Beschwerde leitet rechtsgrundsätzliche Klärungsbedürftigkeit, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, und Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, aus den Darlegungen her, die das Berufungsgericht zur Auslegung der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag der Klägerin gemacht hat. In dem angegriffenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es hierzu der Sache nach, eine Vertragsauslegung dürfe sich nicht auf eine am Wortlaut und Aufbau des Textes orientierte Interpretation beschränken, vielmehr seien Sinn und Zweck, die von den Vertragsparteien verfolgten Interessen und die sonstigen Umstände zu berücksichtigen. Dann könne die Auslegung auch zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis gelangen. Die Interessenlage der Klägerin und des beklagten Landes sowie die weiteren begleitenden Umstände ließen im hier zu entscheidenden Fall den Willen der Vertragschließenden unzweideutig erkennen. Hingegen gebe der Text der Nebenabrede, vergleichbar einer falsa demonstratio, diesen Willen nicht wieder. Würde man die Nebenabrede ausschließlich nach ihrem Wortlaut verstehen, wäre sie nichtig. In Anbetracht dessen führe die anerkannte Auslegungsregel, wonach bei mehreren Möglichkeiten, einen Vertrag auszulegen, die Interpretation zu wählen sei, die nicht zur Nichtigkeit führt – es sei denn, diese Auslegung laufe dem objektiven Parteiwillen zuwider –, zu dem allein zutreffenden Ergebnis, dass die Zahlung von 270 DM die “Gegenleistung” für die Gewährung der Versorgungsanwartschaft und für die Ermöglichung der Freistellung von den Beitragsleistungen war. Anknüpfend an diese Ausführungen in dem zweitinstanzlichen Urteil wirft die Beschwerde als rechtsgrundsätzlich die Frage auf,
ob es bei der Auslegung vorformulierter öffentlich-rechtlicher Verträge ein Vorrangverhältnis zwischen den Auslegungsmethoden der Wortlautauslegung bei eindeutigem Wortlaut und einer isoliert betrachteten zweckgerichteten Auslegung gibt.
Die aufgeworfene Frage würde sich in dieser allgemeinen Form, bei der dem Wortlaut der auszulegenden Äußerung die – im Regelfall vorhandene – Bedeutung eines wichtigen Auslegungskriteriums zuerkannt wird, in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat bei einer nur auf den Wortlaut abhebenden Interpretation der von beiden Parteien akzeptierten Äußerung als deren Inhalt die Vereinbarung einer Geldleistung der Klägerin als “Gegenleistung” für die ihr zugesicherte Ernennung zur Beamtin festgestellt. Bei dieser Auslegung ist das Oberverwaltungsgericht indessen nicht stehen geblieben. Es hat vielmehr mittels einer auch die Begleitumstände, insbesondere die Interessenlage beider Beteiligten einbeziehenden Interpretation als maßgebenden Aussagegehalt ermittelt, dass die Zahlung von 270 DM pro Monat als “Gegenleistung” für die Gewährung einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bereits während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses gefordert und versprochen worden ist. Den Wortlaut der schriftlichen Vereinbarung, der die künftige Ernennung und die versprochene Zahlung in ein Gegenseitigkeitsverhältnis stellt, hat das Berufungsgericht als eine Art “falsa demonstratio” bezeichnet. Zur Beantwortung der sich in dem angestrebten Revisionsverfahren deshalb allenfalls stellenden Frage,
ob es bei der Auslegung eines Vertrages, wie ihn die Klägerin und das Land Niedersachsen geschlossen haben, ein Vorrangverhältnis zwischen der Auslegungsmethode der Wortlautauslegung bei eindeutigem Wortlaut, der sich jedoch als “falsa demonstratio” darstellt, und einer isoliert betrachteten zweckgerichteten Auslegung gibt,
bedarf es der Durchführung des Revisionsverfahrens nicht. Die Frage lässt sich ohne weiteres dahin beantworten, dass ein Wortlaut, der als falsa demonstratio den Willen der Vertragschließenden nicht wiedergibt, für die Auslegung ohne Bedeutung ist.
Weil der Wortlaut als falsa demonstratio des übereinstimmend Gewollten seine Bedeutung für die Auslegung verloren hat, besteht auch die geltend gemachte Divergenz zum Urteil des Senats vom 20. März 2003 – BVerwG 2 C 23.02 – (Buchholz 316 § 54 VwVfG Nr. 14) nicht. Mit dem von der Beschwerde genannten Satz aus diesem Urteil, dass etwaige Unklarheiten des allein von dem Träger öffentlicher Verwaltung formulierten und der klagenden Partei vorformuliert angebotenen Vertragstextes zu Lasten des Beklagten gehen, sowie die dem gegenübergestellte Aussage des Oberverwaltungsgerichts zur Bevorzugung der “zweckorientierten Auslegung gegenüber dem eindeutigen Wortlaut” ist eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bereits nicht dargetan. Der mitgeteilte Satz aus dem Urteil vom 20. März 2003 (a.a.O.) gilt nur für behördliche Äußerungen, bei denen wegen ihres unklaren Wortlauts ein eindeutiges, von beiden Vertragsparteien geteiltes Verständnis nicht zu ermitteln ist. Gerade so ist es aber bei der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag der Klägerin nicht. Bei ihr verhindert nicht ein doppeldeutiger Wortlaut ein zweifelsfreies Auslegungsergebnis. Vielmehr ist der Wortlaut, weil er eine falsa demonstratio des Gewollten ist, ohne jeden Belang für die Interpretation.
Weil der Rechtssatz aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Januar 1973 – BVerwG 7 C 3.71 – (BVerwGE 41, 305) eine “nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt missverständliche Willensäußerung der Verwaltung” betrifft, die von der Klägerin akzeptierte Nebenabrede aber, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, “nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt”, also weder nach ihrem als falsa demonstratio misslungenen Wortlaut noch nach den zu berücksichtigenden Begleitumständen, insbesondere der Interessenlage, letztlich unklar bleibt, besteht auch die geltend gemachte Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Januar 1973 (a.a.O.) nicht. Nach diesem Urteil hat die Verwaltung die Nachteile nur bei einer nicht zu überwindenden Zweifelhaftigkeit der Auslegung zu tragen.
Das Berufungsurteil weicht auch nicht von dem Beschluss des Senats vom 27. Januar 2005 – BVerwG 2 B 94.04 – (Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 22) ab. Die Beschwerde sieht die Divergenz zu dieser Entscheidung in Folgendem: Während das Oberverwaltungsgericht die Gewährung einer Versorgungsanwartschaft nach beamtenrechtlichen Grundsätzen als den zentralen Punkt der Nebenabrede bewerte und so die Nichtigkeit der Vereinbarung vermeide, habe das Bundesverwaltungsgericht gerade die – zur Nichtigkeit führende – Verpflichtung des beklagten Landes, den Partner der Nebenabrede zur Beamtin oder zum Beamten zu ernennen, als den zentralen Punkt angesehen. Dieses Vorbringen führt auf keinen Auffassungsunterschied zwischen Bundesverwaltungsgericht einerseits und Berufungsgericht andererseits in der gleichen Rechtsfrage. Der Aussage in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 2005 (a.a.O.) dazu, was zentraler Punkt der Nebenabrede ist, lag deren – mit Revisionsrügen nicht angegriffene – Auslegung durch das Berufungsgericht in seinem damaligen Urteil zugrunde. Wenn das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in dem hier angegriffenen Urteil die Nebenabrede anders ausgelegt und dabei ein anderes Element als deren zentralen Punkt erkannt hat, vertritt es dadurch keine andere Rechtsauffassung als das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 27. Januar 2005 (a.a.O.).
Der behauptete Verfahrensfehler fällt dem Berufungsgericht nicht zur Last. Das Berufungsgericht war nicht gehalten, bei der Auslegung der Nebenabrede unter maßgebender Berücksichtigung des Willens und der Interessenlage der Beteiligten den Willen der Klägerin durch ihre Befragung, also durch eine Maßnahme der Sachverhaltsaufklärung, zu ermitteln. Bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen kommt es auf den objektiven Erklärungswert an, also darauf, wie sich die Erklärung für den Empfänger nach Treu und Glauben darstellt. Es kommt auf den im Rechtsverkehr erklärten, nicht den empirisch feststellbaren inneren Willen des Erklärenden an (BGH, Urteile vom 5. Oktober 1961 – VII ZR 207/60 – BGHZ 36, 30 ≪33≫ und vom 5. Juli 1990 – IX ZR 10/90 – NJW 1990, 3206; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., § 133 Rn. 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Albers, Prof. Dawin, Dr. Kugele
Fundstellen