Verfahrensgang
OVG Berlin (Urteil vom 21.11.2002; Aktenzeichen 6 B 8.02) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 21. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist unbegründet. Die als alleiniger Zulassungsgrund geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
Die Beschwerde hält die Frage für revisionsgerichtlich klärungsbedürftig, ob “unverhältnismäßige Kosten” im Sinne von § 5 Abs. 2 SGB VIII, die es rechtfertigen, dem Wunsch- und Wahlrecht der Hilfeberechtigten nicht zu entsprechen, erst vorliegen, wenn die von einer größeren Anzahl anderer Leistungserbringer akzeptierten Kostensätze um mehr als 20 % überstiegen sind, oder ob es dafür auf einen prozentual zu bestimmenden Umfang der Überschreitung der üblichen Kosten nicht ankomme. Entgegen der Ansicht der Beschwerde lässt sich diese Frage aber auf der Grundlage bereits vorliegender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, so dass kein weiterer Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung besteht.
Der Begriff “unverhältnismäßige Mehrkosten” in § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff und unterliegt deshalb in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der gerichtlichen Überprüfung. Dies hat der Senat (BVerwGE 64, 318 ≪323≫) so bereits zum Tatbestandsmerkmal “angemessen” in § 3 Abs. 2 Satz 1 BSHG entschieden, wonach Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, entsprochen werden soll, soweit sie angemessen sind. Zur Bedeutung des so genannten Mehrkostenvorbehalts des § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG, wonach der Träger der Sozialhilfe Wünschen nicht zu entsprechen braucht, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre, hat der Senat bereits klargestellt, dass die Mehrkosten dann “unverhältnismäßig” sind, wenn die hieraus folgende Mehrbelastung des Sozialhilfehaushalts zum Gewicht der vom Hilfebedürftigen angeführten Gründe für die von ihm getroffene Wahl der Hilfemaßnahme nicht mehr im rechten Verhältnis steht, so dass die Frage nach der (Un-)Verhältnismäßigkeit wunschbedingter Mehrkosten sich nicht in einem rein rechnerischen Kostenvergleich erschöpft, sondern eine wertende Betrachtungsweise verlangt (BVerwGE 97, 110 ≪116≫). § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG lässt sich jedenfalls hinsichtlich seiner tatbestandlichen Voraussetzungen, nämlich hinsichtlich des Merkmals “(Un-)Verhältnismäßigkeit” ohne weiteres, d.h. ohne dass diese Feststellung einem Revisionsverfahren vorzubehalten wäre, mit § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII vergleichen, wonach der Wahl und den Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen werden soll, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Diese Vergleichbarkeit setzt auch das Beschwerdevorbringen voraus, das in erheblichem Umfange auf Rechtsprechung und Schrifttum zu § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG zurückgreift.
Wird also – was angesichts der Vergleichbarkeit der betreffenden Gesetzesbestimmungen gleichfalls ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens zulässig ist – die Rechtsprechung des Senats zu § 3 Abs. 2 BSHG auf § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII übertragen, richtet sich auch im Rahmen dieser Vorschrift die Bestimmung der (Un-)Verhältnismäßigkeit von Mehrkosten nach den Umständen des Einzelfalles und ist weder allein die Höhe des Kostenunterschiedes maßgeblich noch eine “Kostenhöchstspanne” anzuerkennen, innerhalb derer ein Kostenunterschied von vornherein als verhältnismäßig zu gelten hätte.
Soweit die Beschwerde geltend macht, die “sozialpolitische und verfassungsrechtliche Zielsetzung” des Wahl- und Wunschrechts gebiete es, einen gewissen “Sockel” an Überschreitung der durchschnittlichen Kosten zuzulassen, begründet dies keinen Bedarf an einer über die Erkenntnisse aus der oben genannten Rechtsprechung hinausgehenden, revisionsgerichtlichen Klärung. Insbesondere kann keinen Zweifeln unterliegen, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen durch ein vom Gesetz nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles eingeräumtes Wahl und Wunschrecht des Hilfeberechtigten genügt ist.
Auch mit dem Hinweis darauf, dass “von öffentlichen Leistungsträgern” eine “20 %Grenze … praktiziert” werde und dies Zustimmung in der Literatur finde, wird angesichts der oben genannten Rechtsprechung eine weitergehende revisionsgerichtliche Klärungsbedürftigkeit der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage nicht begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Rothkegel, Prof. Dr. Berlit
Fundstellen