Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 29.05.2009; Aktenzeichen 5 D 20/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 1 29/100, der Antragsteller zu 2 14/100, die Antragsteller zu 3 und 4 als Gesamtschuldner 39/100 und die Antragstellerin zu 5 18/100.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 35 338,38 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
1. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Sache nicht zu.
Rz. 3
Die Beschwerde hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der Satzungsgeber im Falle der Erhebung von Beiträgen und Gebühren bei der Gebührenerhebung zwischen baulich gering ausgelasteten Grundstücken im ländlichen Raum und stärker ausgelasteten Grundstücken im städtischen Raum unterscheiden müsse und eine Gebührendifferenzierung zwischen Fremdnutzern eines Grundstücks und Eigennutzern erforderlich sei. Sie legt insoweit nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar, worin sie – angesichts der bereits existierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung – den weiteren bundesrechtlichen Klärungsbedarf sieht. Dass die Beschwerde der Auffassung ist, das angegriffene Urteil verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, genügt insoweit nicht.
Rz. 4
An der Darlegung eines grundsätzlichen Klärungsbedarfs fehlt es auch für die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Satzungsgeber im Interesse der Gewährleistung des Gleichheitssatzes gehalten sei, bei der Festsetzung eines Beitragsmaßstabs unterschiedliche bauliche Ausnutzungsmöglichkeiten durch unterschiedliche Nutzungsfaktoren zu berücksichtigen. Die Beschwerde macht zwar geltend, das Oberverwaltungsgericht habe mit seinen Ausführungen zur Vereinbarkeit der Bildung des Beitragssatzes mit höherrangigem Recht gegen Art. 3 GG verstoßen. Sie übersieht aber, dass allein die Rüge eines Verstoßes gegen Bundes(verfassungs)recht nicht genügt, um einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu verleihen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich gerade in Bezug auf den bundesrechtlichen Gleichheitssatz ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung stellen würden, die auf der Grundlage der bisher zu Art. 3 GG ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beantwortet werden könnten (vgl. Beschluss vom 13. Juni 2009 – BVerwG 9 B 2.09 – Buchholz 445.4 § 3 WHG Nr. 6 Rn. 4). Dies ist nicht dargetan. Gleiches gilt, soweit die Beschwerde grundsätzlichen Klärungsbedarf im Zusammenhang mit der Auslegung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts sieht.
Rz. 5
2. Die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greifen nicht durch.
Rz. 6
Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt nur dann vor, wenn sich die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 12. Dezember 1991 – BVerwG 5 B 68.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 m.w.N.). Abweichungen in diesem Sinne fehlen bzw. sind schon nicht hinreichend dargetan.
Rz. 7
Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 16. September 1981 – BVerwG 8 C 48.81 – (Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 45) abgewichen; es habe den Rechtssatz aufgestellt, mit einer reinen Gebührenerhebung werde gegen den Gleichheitssatz verstoßen, weil sie Eigentümer von unbebauten, aber bebaubaren Grundstücken ohne sachlichen Grund bevorzuge. Das Oberverwaltungsgericht hat den ihm zugeschriebenen Rechtssatz jedoch weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Die angegriffene Entscheidung geht davon aus, dass nach dem Sächsischen Kommunalabgabengesetz kein Rangverhältnis zwischen Beiträgen und Gebühren existiert und es keinen Grundsatz gibt, “der in bestimmten Konstellationen zur reinen Gebührenfinanzierung verpflichtet” (UA S. 24). In diesem Zusammenhang hat das Oberverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die reine Gebührenerhebung gegen den Gleichheitssatz verstoßen könne.
Rz. 8
Eine Divergenz ist nicht mit dem Hinweis dargelegt, die in dem angegriffenen Urteil zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2007 stehe im Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2008 – BVerwG 7 C 2.08 – (Buchholz 401.64 § 10 AbwAG Nr. 10). Es fehlt an der Darlegung, welchen Rechtssatz das Oberverwaltungsgericht durch die Bezugnahme auf sein Urteil vom 12. Juli 2007 nach Meinung der Beschwerde aufgestellt hat.
Rz. 9
Sollte schließlich mit der Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die Erhebung eines einheitlichen Beitrags für die Teilleistung Schmutzwasser einerseits und die Teilleistung Schmutz- und Niederschlagswasser andererseits Bundesrecht verletze, Divergenz gerügt werden, übersieht die Beschwerde, dass dieser Tatbestand nicht schon bei der im Einzelfall fehlerhaften Anwendung von Bundesrecht verwirklicht ist (vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14; stRspr).
Rz. 10
3. Verfahrensmängel, die zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnten, ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
Rz. 11
Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung Verfahrensvorschriften verletzt. Diese Rüge greift schon deswegen nicht durch, weil sie nicht darlegt, welche Verfahrensvorschriften sie insoweit als verletzt ansieht, und mithin die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotene substantiierte rechtliche Würdigung des geltend gemachten Verfahrensverstoßes vermissen lässt. Aber auch wenn man der Beschwerdebegründung die Rügen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) entnimmt, kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Rz. 12
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Aus einem Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffes allein kann noch nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann daher nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 – 1 BvR 1621/94 – BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫; BVerwG, Beschlüsse vom 5. Februar 1999 – BVerwG 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3 und vom 27. Juni 2007 – BVerwG 10 B 30.07 u.a. – juris Rn. 10). Ausgehend hiervon ist der Vortrag der Beschwerde nicht geeignet, einen Gehörsverstoß darzutun.
Rz. 13
Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Berücksichtigung der Kosten für den Abwasserzweckverband Oberes Elbtal Riesa den Vortrag der Antragsteller im Schriftsatz vom 20. Mai 2009 zur Ausgliederung des Anlagevermögens außer Acht gelassen, übersieht, dass sich das angegriffene Urteil mit der Frage, ob in unzulässiger Weise Kosten des genannten Zweckverbandes in die Globalrechnung eingeflossen sind, auseinander gesetzt hat (UA S. 30). Gleichfalls gewürdigt hat es deren Einwand, die vom Satzungsgeber gewählte Kombination von Grundstücksfläche und Nutzungsfaktor als Beitragsmaßstab bilde keine geeignete Grundlage zur Verteilung der unterschiedlichen Nutzungsvorteile (UA S. 27 ff.).
Rz. 14
Entsprechendes gilt für die Rüge, die Entscheidung berücksichtige nicht den “Nachweis der Kostenüberdeckung durch Beitragseinnahmen” und den Vortrag der Antragsteller zur Fehlerhaftigkeit des Abwasserbeseitigungskonzepts. Sowohl mit dem Einwand einer Überdeckung durch Beitragseinnahmen als auch mit dem eines unzureichenden Abwasserbeseitigungskonzepts hat sich das Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung auseinander gesetzt und die Einwände zurückgewiesen (UA S. 31 f. und 38). Vor diesem Hintergrund stellt die Rüge der Gehörsverletzung einen Angriff auf die Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts dar, mit dem ein Verfahrensfehler regelmäßig nicht begründet werden kann (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15 m.w.N.).
Rz. 15
Dass die Antragsteller sich im Gewand einer Gehörsrüge in Wahrheit gegen die Entscheidung in der Sache wenden, wird aus der im Zusammenhang mit der Ermittlung des angemessenen Betriebskapitals erhobenen Rüge deutlich, die Richtlinie 91/271 EWG sei fehlerhaft ausgelegt und angewandt worden. Dasselbe gilt, soweit die Beschwerde bemängelt, die Ausführungen der Antragsteller zur demographischen Entwicklung in Sachsen und zum Gewässerschutz seien vom Oberverwaltungsgericht nicht beachtet worden. Die Vorinstanz ist auf dieses Vorbringen in den Entscheidungsgründen eingegangen (UA S. 38). Dass sie nicht die von den Antragstellern gewünschten Schlussfolgerungen gezogen hat, begründet keinen Gehörsverstoß.
Rz. 16
Das Oberverwaltungsgericht hat den Vortrag der Antragsteller, eine ständige Auskehrung der Zinsen für Beiträge führe zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, zur Kenntnis genommen, wie sich aus dem Tatbestand des Urteils (UA S. 13 unten und 17 oben) sowie aus den Ausführungen zum Äquivalenzprinzip in den Entscheidungsgründen (UA S. 24 oben) ergibt. Dort wird das Argument der Antragsteller, die Eigentümer würden durch die Beitrags- und Gebührenerhebung doppelt belastet und gegenüber den Mietern benachteiligt, aufgegriffen und in den folgenden Absätzen als unbegründet zurückgewiesen.
Rz. 17
b) Die Rüge mangelhafter Sachaufklärung erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese nach der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einer für die Antragsteller günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.).
Rz. 18
Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht hätte im Hinblick auf die fachtechnische Stellungnahme des Regierungspräsidiums Dresden vom 7. Februar 2008 zur Unwirtschaftlichkeit einer zentralen Abwasserentsorgung weitere Sachaufklärung betreiben müssen. Einen Beweisantrag haben die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt und auch nicht in anderer Weise auf eine Sachverhaltsaufklärung hingewirkt. Das Oberverwaltungsgericht hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass sich die für sich genommen möglicherweise unwirtschaftlich erscheinenden Investitionen im langfristigen Vergleich als unwirtschaftlich herausstellen und die Abwassererzeuger übermäßig belasten werden (UA S. 32 oben). Die Beschwerde legt nicht dar, und es ist auch sonst nicht erkennbar, warum sich der Vorinstanz bei dieser auf die langfristige Entwicklung abstellenden Sichtweise weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen. Soweit die Beschwerde geltend macht, die Antragsteller hätten in ihren Schriftsätzen vom 25. November 2008 und 1. Dezember 2008 darauf hingewiesen, dass die Vorteilhaftigkeit der zentralen Entsorgung gegenüber der dezentralen Entsorgung erst “weit nach dem prognostizierten Zeitraum von 25 Jahren erreicht” werde, genügt diese pauschale Bezugnahme auf das Vorbringen in der Vorinstanz nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Es ist nicht Aufgabe des angerufenen Gerichts, die Schriftsätze der Antragsteller im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht daraufhin durchzusehen, ob sich ihnen ein substantiierter Vortrag entnehmen lässt, der eine weitere Aufklärung von Amts wegen gefordert hätte. Entsprechendes gilt für die Rüge, hinsichtlich der Behauptung der Antragsteller, die Nutzungsflächen seien fehlerhaft ermittelt worden, hätte sich wegen der Vielzahl der dem Oberverwaltungsgericht vorgelegten Karten eine Sachaufklärung aufdrängen müssen.
Rz. 19
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 2 ZPO, § 159 Satz 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Dr. Nolte, Prof. Dr. Korbmacher
Fundstellen