Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 03.07.2008; Aktenzeichen 80 D 4.07) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 und 1 VwGO, § 41 Berliner Disziplinargesetz – DiszG – und § 69 BDG gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Als Verfahrensfehler rügt der Beklagte, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, er habe seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil konkludent auf das Disziplinarmaß beschränkt. Diese Rüge bleibt ohne Erfolg.
a) Das Berufungsgericht hat ohne nähere Prüfung die Frage bejaht, ob eine Beschränkung der Berufung, die unter der Geltung des auf die Strafprozessordnung verweisenden § 75 der Landesdisziplinarordnung ohne Bedenken als zulässig angesehen wurde, auch unter der Geltung des Bundesdisziplinargesetzes, das in weitem Umfang auf Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung verweist, zulässig ist. Diese Frage bedarf hier keiner Klärung, weil ein darin liegender möglicher Verfahrensverstoß sich auf das angegriffene Urteil nicht ausgewirkt hat. Allerdings wird ein Berufungsgericht im Regelfall anzunehmen haben, dass mit der Berufung eine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zugunsten des Berufungsführers herbeigeführt werden soll und dass deshalb die Beschränkung der Berufung, die die Erreichung dieses Rechtsschutzziels erschweren kann, die eher seltene Ausnahme sein wird, von der das Berufungsgericht in der Regel nur bei eindeutigen Erklärungen des Berufungsführers ausgehen kann. Die Annahme einer konkludenten Berufungsbeschränkung wird nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn der Vortrag des Berufungsführers insoweit keinen Zweifel offen lässt.
b) Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob der gerügte Verfahrensfehler vorliegt. Denn selbst wenn dies zu bejahen ist, führt es nur dann zum Erfolg der Beschwerde, wenn die angegriffene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruht. Dies darzulegen ist Sache des Beschwerdeführers. Hierzu gehört der Vortrag, was bei unbeschränkter Berufung noch vorgetragen worden wäre, welche Beweismittel dafür heranzuziehen wären und inwiefern sich das mutmaßliche Ergebnis weiterer Ermittlungen auf die Entscheidung ausgewirkt hätte. Daran fehlt es.
Die Berufungsschrift referiert zunächst den Inhalt und den Ablauf des disziplinarrechtlichen Ermittlungsverfahrens und sodann (auf den Seiten 3 bis 6) den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Unter Nummer 1 rügt sie sodann, das Verwaltungsgericht habe im Tatbestand ohne nachvollziehbare Gründe festgestellt, die außerdienstliche Pflichtverletzung enthalte einen dienstlichen Bezug, indem der Beklagte eine der CDs an seinem Arbeitsplatz aufbewahrt habe. Diese Rüge geht ersichtlich fehl, weil das Verwaltungsgericht dies nicht als eigene Feststellung, sondern als Teil des Vortrags des Klägers wiedergegeben hat.
Sodann beanstandet die Berufung, das Verwaltungsgericht habe nicht oder nur widersprüchlich begründet, welcher Grad der Schuldhaftigkeit zugrunde zu legen sei, insbesondere habe das Verwaltungsgericht offen gelassen, ob es von einer gezielten Suche des Beklagten nach kinderpornographischen Darstellungen oder von einer mangelhaften Unterscheidungsfähigkeit ausgegangen sei; dies sei für die Maßnahmebemessung unerlässlich gewesen. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht es angesichts des damals öffentlich diskutierten Prozesses wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (gemeint war der Fall Dutroux) als unverständlich bezeichnet, dass der Beklagte nach seinem eignen Vorbringen zwischen Kinder- und Erwachsenenpornographie nicht habe unterscheiden können; dieser Umstand, so rügt die Berufung, sei weder Gegenstand der Disziplinarklage noch der mündlichen Verhandlung gewesen. Das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, aus welchen Quellen sich der Beklage informiere; mit der Verwertung dieses Umstands gegen den Beklagten habe es dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Weiterhin beanstandet die Berufungsschrift, das Verwaltungsgericht habe bestimmte festgestellte Umstände zu Unrecht als erschwerend, andere zu Unrecht nicht als entlastend angesehen. Bei der Würdigung der Persönlichkeit des Beklagten hätte das Verwaltungsgericht auch dessen Sozialkompetenz und das Zerbrechen seiner Beziehung zu seiner Lebenspartnerin berücksichtigen müssen. Schließlich kritisiert die Berufung, das Verwaltungsgericht habe sich über das Ergebnis strafrechtlicher Ermittlungen zum Inhalt eines Mitteilungsaustauschs zwischen dem Beklagten und einem der Empfänger der kinderpornographischen Dateien geäußert, was nicht Gegenstand der Disziplinarklage und einer Beweisaufnahme gewesen sei.
Mit Ausnahme des letzten Vorwurfs ziehen diese Angriffe die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel. Der letzte Vorwurf betrifft zwar die Tatsachenfeststellung, doch hatte das Verwaltungsgericht den Inhalt der Mitteilungen ausdrücklich als nicht entscheidungserheblich angesehen und war deswegen “der genauen Abfolge des Dialogs” nicht weiter nachgegangen. Im Übrigen richten sich die Angriffe der Berufung gegen die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts.
Eine detaillierte Darlegung dessen, was der Beklagte wegen der Beschränkung der Berufung nicht vortragen konnte, bei unbeschränkter Berufung aber vorgetragen hätte, wäre hier umso mehr erforderlich gewesen, als das Berufungsgericht mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, an seiner Bewertung der festgestellten Straftaten als schweres Dienstvergehen hätte sich auch dann nichts geändert, wenn die Berufung unbeschränkt eingelegt worden wäre und eine Beweisaufnahme durch den Senat zugunsten des Beklagten etwa ergeben hätte, dass die Zahl der als kinderpornographisch zu bewertenden Bilder gegenüber den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu reduzieren wäre. Als ebenso unerheblich hat das Berufungsgericht die Frage eingestuft, ob der Beklagte durch Presseveröffentlichungen im Zusammenhang mit dem Fall Dutroux zur Tatzeit besonders hätte sensibilisiert sein müssen; es hat vielmehr angenommen, dass dem Beklagten die besondere Vorwerfbarkeit seines Verhaltens auch ohne diese Kenntnis bekannt war. Infolgedessen kam es nicht auf Feststellungen dazu an, ob der Beklagte regelmäßig die Nachrichten im Fernsehen und in den Zeitungen verfolgt hatte. Soweit die Beschwerde hier einen Aufklärungsmangel rügt, ist die Rüge nicht schlüssig. Dasselbe gilt auch für die durch die Beschränkung der Berufung vermeintlich abgeschnittene weitere Sachverhaltsermittlung zur Frage, wann sich der Beklagte letztmalig kinderpornographisches Material aus dem Internet beschafft habe und ob dieser Zeitpunkt längere Zeit oder kurz vor oder sogar nach der Entdeckung der Tat gelegen habe. Die Beschwerde trägt selbst vor, aus den Ermittlungen im Strafverfahren habe sich “klar und eindeutig (ergeben), zu welchen Zeitpunkten der Beamte kinderpornographisches Material aus dem Internet heruntergeladen … und zu welchen Zeitpunkten er kinderpornographisches Material weitergeleitet” habe. Dass der Beklagte sich im Zeitpunkt der Entdeckung noch im Besitz dieses Materials befand – was das Berufungsgericht zu seinem Nachteil gewertet hat –, hat er zu keinem Zeitpunkt bestritten. Im Übrigen macht die Beschwerde nicht deutlich, wieso der Beklagte im Berufungsverfahren daran gehindert gewesen war, klare Angaben zu der Frage zu machen, wann er Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt und sich entsprechend verhalten hatte; erst recht lässt die Beschwerde Ausführungen dazu vermissen, mit welchen Mitteln der Senat über diese Tatsache hätte Beweis erheben können und müssen.
2. Als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Beklagte die Frage, ob die Rechtsprechung des Wehrdisziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts zum Besitz und zur Weitergabe kinderpornographischer Darstellungen auf Beamte einschränkungslos übertragen werden könne. Die Beschwerde arbeitet jedoch nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 41 DiszG, § 69 BDG genügenden Weise heraus, warum diese Frage im konkreten Fall klärungsbedürftig ist und welche rechtlichen Folgerungen sich für den Beklagten daraus ergäben, wenn sie im gegenteiligen Sinne zu beantworten wäre. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich davon abgesehen zu prüfen, ob der Beklagte als Beamter der Feuerwehr etwa den schärferen Anforderungen unterliegt, die an einen Lehrer (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 12. Juli 2007 – A 10296/07 – LKRZ 2007, 364) oder an einen Polizeivollzugsbeamten (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 14. Februar 2008 – DL 16 S 29/06 – juris) zu stellen sind, der in ständigem oder zumindest häufigem Kontakt mit Kindern steht und bei dem bereits der bloße Besitz kinderpornographischen Materials das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in seine Integrität unheilbar zu zerstören geeignet ist. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, welcher Erkenntnisgewinn aus der Klärung der vom Beklagten aufgeworfenen Frage zu erwarten wäre. Hiervon abgesehen hat auch die 1. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Nichtannahmebeschluss vom 18. Januar 2008 – 2 BvR 313/07 – (ZBR 2008, 316) ohne Bedenken auf die Rechtsprechung des Wehrdisziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts zurückgegriffen und gegen die Rechtsprechung der Disziplinargerichte zu Besitz und Weitergabe kinderpornographischen Materials keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urteil vom 4. September 2007 – 20 LD 14/06 – juris Rn. 65 mit umfassenden Nachweisen; BVerwG, Urteile vom 6. Juli 2000 – BVerwG 2 WD 9.00 – BVerwGE 111, 291 ≪294 ff.≫ und vom 8. November 2001 – BVerwG 2 WD 29.01 – NVwZ 2002, 1378). Danach ist die in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; sie beruhe auf sachlichen Erwägungen und trage dem Schuldprinzip ausreichend Rechnung, indem sie die Berücksichtigung minder schwerer Fälle und besonderer Milderungsgründe im Einzelfall erlaube.
3. Ohne Erfolg macht die Beschwerde schließlich geltend, das angegriffene Berufungsurteil weiche von der Senatsentscheidung vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – (Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3) ab. Die Beschwerde referiert über mehrere Seiten Passagen dieses Urteils, macht jedoch nicht deutlich, zu welchem diese Entscheidung tragenden Rechtssatz sich das Berufungsgericht mit einem ebenfalls tragenden Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat. Soweit die Beschwerde einen solchen Gegensatz darin sieht, dass das Berufungsgericht im Falle des Beklagten das Vertrauensverhältnis als zerstört angesehen und deshalb dessen Entfernung aus dem Dienstverhältnis für geboten gehalten hat, steht dies nicht im Widerspruch zu dem Rechtssatz, dass diese Prognoseentscheidung einer Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten bedarf. Mit ihren Angriffen wendet sich die Beschwerde in der Sache gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, die sie für fehlerhaft hält, macht aber keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 41 DiszG, § 69 BDG ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 41 DiszG, § 77 Abs. 4 BDG. Da das Gerichtsverfahren gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BDG gebührenfrei ist, bedarf es der Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes nicht.
Unterschriften
Herbert, Groepper, Dr. Burmeister
Fundstellen