Verfahrensgang
VG Dresden (Aktenzeichen 14 K 2327/99) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 156 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin beansprucht als Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft die Rückübertragung eines Grundstücks nach dem Vermögensgesetz (VermG). Sie meldete ihren Anspruch im April 1997 bei der Beklagten an und bat zugleich, ihr die Anmeldefrist (§ 30 a VermG) nicht entgegenzuhalten, weil sie diese aufgrund staatlichen Fehlverhaltens – wegen fehlerhafter Auskünfte des Grundbuchamts auf ihre Anfragen im April und Mai 1992 – versäumt habe. Der Antrag blieb vor den Verwaltungsbehörden erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Beschwerde möchte geklärt wissen, „ob es unabhängig vom konkreten Sachverhalt und von der Schwere des staatlichen Fehlverhaltens unter jeden Umständen und ausnahmslos für eine Nachsichtgewährung erforderlich ist, dass durch die verspätete Anmeldung der Zweck der vermögensgesetzlichen Frist des § 30 a VermG eingehalten ist”. Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Die mit der Versäumung der Anmeldefrist verbundenen Rechtsfragen sind, soweit sie hier entscheidungserheblich sind, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach kann die Versäumung der Anmeldefrist des § 30 a VermG zwar unter besonderen Umständen unbeachtlich sein. Jedoch kommt eine solche Ausnahme dann nicht in Betracht, wenn erstmals nach Fristablauf ein neuer Restitutionsanspruch angemeldet worden ist (Urteil vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39 ≪46≫). Diese Voraussetzung ist unabdingbar, weil anderenfalls der Gesetzeszweck verfehlt würde. Er besteht darin, zur Beseitigung von Investitionshemmnissen, zur Gewährleistung des Rechtsverkehrs und im Interesse eines baldigen Abschlusses vermögensrechtlicher Verfahren mit Ablauf der Frist Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herzustellen. Selbst wenn der Grund, der zur Versäumung der Anmeldefrist geführt hat, für sich genommen die mit dem Fristablauf verbundene Anspruchsvernichtung bedenklich erscheinen ließe, muss für eine Nachsichtgewährung stets die weitere Voraussetzung erfüllt sein, dass eine derartige Fristdurchbrechung mit dem Zweck der Ausschlussfrist vereinbar ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Senats zu verneinen, wenn der betreffende Vermögenswert bei Fristablauf nicht anmeldebelastet war oder die Behörde über angemeldete Ansprüche bereits entschieden hat. Bei Absehen von dieser Voraussetzung würde der vom Gesetz angestrebte Zustand nachträglich beseitigt werden. Zu einer solchen gesetzwidrigen Rechtsfolge, die zu Unsicherheiten und Verzögerungen führen würde, die § 30 a VermG gerade verhindern will, zwingt auch Verfassungsrecht nicht.
Damit beantwortet sich zugleich die von der Beschwerde aufgeworfene weitere Frage, ob die Anforderungen an die Annahme einer Zweckverfehlung „zumindest bei grobem staatlichen Fehlverhalten in einer Art beweglichem System zumindest herabzusetzen sind”, in verneinendem Sinn. Nichts anderes ergibt sich ferner daraus, dass der Senat in der zitierten Entscheidung eine Ausnahme von der anspruchsvernichtenden Wirkung der Ausschlussfrist „jedenfalls” dann zugelassen hat, wenn die genannten beiden Voraussetzungen – staatliches Fehlverhalten und Wahrung des Gesetzeszwecks – erfüllt sind. Der in dem Wort „jedenfalls” von der Beschwerde erblickte Vorbehalt stellt nicht in Frage, dass eine Ausnahme bei Verfehlung des Gesetzeszwecks nicht in Betracht kommt, sondern bezieht sich auf die Voraussetzung eines staatlichen Fehlverhaltens bei der Anwendung von Rechtsvorschriften, ohne deren korrekte Beachtung der Anmelder seine Rechte nicht wahren kann (a.a.O., S. 45). Aus diesem Grund liegt auch die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde erhobene Abweichungsrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) neben der Sache.
Die weitere Frage der Beschwerde, „ob eine Nachsichtgewährung nicht auch dann eingreifen kann, wenn im konkreten Einzelfall der Zweck der Ausschlussfrist trotz der Bestandskraft eines anderen vermögensgesetzlichen Verfahrens nicht verfehlt würde”, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Unter der genannten Voraussetzung wird mit einer Zulassung der verspäteten Anmeldung stets der Zweck der Ausschlussfrist beeinträchtigt, da der Eigentümer über das Grundstück nicht mehr unbeschränkt verfügen könnte. Die Beschwerde übersieht, dass die Ausschlussfrist nicht nur die Durchführung konkreter Investitionen ermöglichen, sondern auch den Grundstücksverkehr gewährleisten soll. Falls die Bebauung des betroffenen Grundstücks durch den bisherigen Investor gescheitert und der investive Vertrag rückabzuwickeln sein sollte, wie die Beschwerde vorträgt, wäre infolge der neuen Anmeldung zumindest die Befugnis der Beklagten zur Weiterveräußerung des Grundstücks beschränkt. Auch diese Rechtsfolge soll durch die Ausschlussfrist verhindert werden.
Schließlich erlangt die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung auch nicht durch die Behauptung der Beschwerde, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Rechtsanwendung „die Bedeutung und Reichweite des Art. 14 GG grundsätzlich verkannt” habe. Wenn mit der Beschwerde davon ausgegangen wird, dass noch nicht angemeldete vermögensrechtliche Ansprüche den grundrechtlichen Eigentumsschutz genießen, stellt sich – wie die Beschwerde zutreffend vorträgt – die in § 30 a VermG geregelte Ausschlussfrist als eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Als solche enthält sie keinen übermäßigen oder sonst unzumutbaren Eingriff und ist damit nicht anders als in dem bereits dargelegten Sinne auszulegen und anzuwenden. Revisionsrechtlich klärungsbedürftige und im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Fragen verbinden sich damit nicht.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der behaupteten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es die Grundakten und die Akten aus dem im Januar 1993 abgeschlossenen Restitutionsverfahren nicht beigezogen hat; denn auf die nach Ansicht der Beschwerde hieraus zu gewinnenden Erkenntnisse über die näheren Umstände und die Intensität des staatlichen Fehlverhaltens, das zur Versäumung der Anmeldefrist geführt hat, kam es aus der hierfür maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts nicht an. Gleiches gilt für den Vorwurf der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen im Zusammenhang mit dem über das Grundstück geschlossenen investiven Vertrag unterlassen; auch diese Umstände waren nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich, da es die Verfehlung des Zwecks der Ausschlussfrist darin gesehen hat, dass das Grundstück seit Januar 1993 nicht mehr anmeldebelastet und damit jedenfalls auch die Beklagte in ihrer Verfügungsbefugnis nicht mehr beschränkt war.
Angesichts der aus der Sicht des Verwaltungsgerichts fehlenden Entscheidungserheblichkeit des Inhalts des investiven Vertrags bedurfte es keines entsprechenden Hinweises der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung, so dass die auf eine Verletzung der Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) abzielende Rüge fehl geht. Unbegründet ist auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe dadurch, dass es der Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Grundstückskaufvertrag nicht zur Kenntnis gegeben habe, den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt; denn das angegriffene Urteil beruht nicht auf Erwägungen oder Erkenntnissen, die das Gericht aus dem Grundstückskaufvertrag gewonnen, der Klägerin aber vorenthalten hat. Abgesehen davon ergibt sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht, dass die anwaltlich vertretene Klägerin die Einsichtnahme in den Vertrag beantragt hat.
Soweit die Beschwerde beanstandet, dass die Käuferin des Grundstücks nicht beigeladen worden ist, ist ihre Verfahrensrüge unzulässig, weil sie ihre Beschwer durch den behaupteten Verfahrensfehler nicht in der erforderlichen Weise darlegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde behauptet zwar, dass ein Fall der notwendigen Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) gegeben sei, begründet dies aber nur damit, dass die Beizuladende das Eigentum an dem Grundstück erworben habe und ihre Rechte durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hätten berührt werden können. Da der Restitutionsanspruch bei Veräußerung des Vermögensgegenstands erlischt und durch den gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auf Erlösauskehr ersetzt wird (§ 3 Abs. 4 Satz 3 VermG), ist schon die Notwendigkeit der Beiladung aus dem Beschwerdevorbringen nicht erkennbar; daran ändern auch die Mutmaßungen der Beschwerde zur Aufklärung von den Grundstückskaufvertrag betreffenden Umständen nichts.
3. Die Revision ist auch nicht wegen Abweichung von dem bezeichneten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, dass die Versäumung der Anmeldefrist des § 30 a VermG beachtlich bleibt, wenn erstmals nach Fristablauf ein neuer Restitutionsanspruch angemeldet wird, entspricht der Rechtsprechung des Senats. Danach ist eine Ausnahme von dem Erfordernis der Wahrung dieser Frist nicht allein dann ausgeschlossen, wenn das betroffene Grundstück bei Fristablauf am 31. Dezember 1992 nicht anmeldebelastet war. Dasselbe gilt, wenn der Anspruch nach Ablauf der Ausschlussfrist zu einem Zeitpunkt angemeldet wurde, zu dem die Behörde über angemeldete Ansprüche auf den Vermögensgegenstand bereits entschieden hatte (vgl. BVerwGE 101, 39 ≪46≫). Diese Fallgruppe ist in dem Beschluss des Senats vom 5. Mai 2000 – BVerwG 7 B 220.99 – allein deswegen nicht erwähnt, weil es darauf in jenem Verfahren nicht ankam.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Herbert
Fundstellen