Verfahrensgang
VG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.12.2011; Aktenzeichen 7 K 454/10.F (3)) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je einem Drittel.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Kläger wenden sich gegen einen einheitlichen Bescheid des Bundesausgleichsamtes über die Höhe des Schadensausgleichs bei Schäden an Anteilsrechten einer Aktiengesellschaft.
Rz. 2
Durch Bescheid von 1973 waren Wegnahme-, Kriegs- und Reparationsschäden an Anteilsrechten an der Zwickauer Kammgarnspinnerei AG für die Jahre 1940 bis 1948 festgestellt worden. Die Rückgabe des Gesamtvermögens des enteigneten Unternehmens nach dem Vermögensgesetz an ehemalige Gesellschafter und deren Erben wurde vom zuständigen Landesvermögensamt im Jahre 2002 abgelehnt. Auf vertraglicher Grundlage wurden in der Folgezeit einzelne Betriebsgrundstücke zurückübertragen, für bereits veräußerte Grundstücke wurde der Erlös ausgekehrt. Daraufhin stellte das Bundesausgleichsamt mit einheitlichem Bescheid vom 26. Januar 2010 gemäß § 335b Lastenausgleichsgesetz (LAG) fest, dass der 1973 festgestellte Schaden in Höhe von 20,06 RM je 100 RM Grundkapital der Gesellschaft ausgeglichen sei. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage blieb erfolglos. Es seien Übertragungen von Wirtschaftsgütern und Entschädigungszahlungen an die ursprünglich im Lastenausgleichsverfahren Entschädigten erfolgt, die einen teilweisen Ausgleich des Wegnahmeschadens darstellten; andere Schadensarten würden vom Bescheid nicht erfasst. Nach § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG sei ein voller Schadensausgleich eingetreten, soweit Flächen restituiert worden seien oder Erlösauskehr erfolgt sei. Den Anteil des Schadensausgleichs für die entschädigte juristische Person habe die Beklagte anhand der zuletzt erstellten Bilanz der Aktiengesellschaft und dem Bericht der Wirtschaftsprüfer schlüssig bestimmt. Hierbei habe sie sich darauf stützen können, dass bei der Rückgabe eines Wirtschaftsgutes nach § 349 Abs. 3 Satz 1 LAG vermutet werde, dass der festgestellte Schaden in voller Höhe ausgeglichen worden sei. Die Kläger könnten nicht mit Erfolg einwenden, dass eines der Grundstücke zum Schadenszeitpunkt unbebaut gewesen, das Anlagevermögen für die gesamte Fläche berechnet worden und die Bebauung mit Wohnhäusern, Produktionsstätten und Freiflächen durch lineare Wertermittlung erfolgt sei. Soweit die Kläger den Schadensausgleich wegen Folgeschäden herabgesetzt sehen wollten, könnten sie dies erst im nachfolgenden Rückforderungsverfahren geltend machen.
Rz. 3
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Ein Grund, der die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO rechtfertigen könnte, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht.
Rz. 4
1. Das angefochtene Urteil weicht nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2010 – BVerwG 3 C 3.09 – (LKV 2010, 228) ab.
Rz. 5
a) Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn sich das vorinstanzliche Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat zu einem ebensolchen Rechtssatz, der in einer Entscheidung eines divergenzfähigen Gerichts aufgestellt worden ist, und wenn das Urteil auf dieser Abweichung beruht (stRspr, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 29 ff.). Den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie arbeitet keine einander widersprechenden Rechtssätze der Entscheidungen heraus, sondern rügt letztlich eine unzutreffende Anwendung der vom Senat im zitierten Urteil vom 28. Januar 2010 aufgestellten Grundsätze. Damit kann allenfalls ein Subsumtionsfehler aufgezeigt werden, der keine Divergenz begründet.
Rz. 6
b) Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht von Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schadensausgleich bei Kapitalgesellschaften abgewichen ist oder sie unzutreffend verstanden und angewandt hat. Zutreffend gehen auch die Kläger davon aus, dass das Verfahren bei der Rückforderung von Lastenausgleich bei Beteiligungen zweistufig ausgestaltet ist. In den Fällen des § 349 Abs. 3 Satz 3 LAG, also bei einem vollständigen oder teilweisen Ausgleich von Schäden an einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft des Handelsrechts, wird nach § 335b Abs. 1 LAG auf der ersten Stufe festgestellt, ob und in welchem Umfang der Schaden an der Beteiligung im Sinne des § 349 Abs. 3 Satz 3 LAG ausgeglichen ist und welchen Personen der Ausgleich zuzurechnen ist. Diese Feststellung über die Höhe des Schadensausgleichs wird im nachfolgenden Rückforderungsverfahren der Ermittlung des Rückforderungsbetrages (§ 349 Abs. 2, Abs. 4 LAG) zugrunde gelegt (vgl. Urteil vom 28. Januar 2010 a.a.O. Rn. 11).
Rz. 7
Für die Feststellung des Schadensausgleichs gelten andere Maßstäbe als für die Ermittlung des Rückforderungsbetrages. Zu Recht sind das Bundesausgleichsamt und das Verwaltungsgericht auf der ersten Stufe von den Regelungen in § 349 Abs. 3 Satz 1 und 2 LAG ausgegangen. Diese sehen vor, dass unter den genannten Bedingungen ein voller Schadensausgleich anzunehmen ist. In dem von den Klägern herangezogenen Urteil des Senats vom 28. Januar 2010 (a.a.O. Rn. 13) ist hierzu unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung weiter ausgeführt, dass ein Schadensausgleich grundsätzlich nicht mit der Behauptung infrage gestellt werden kann, dass ein nur im Wert stark gemindertes Grundstück zurückübertragen worden ist. Wertminderungen werden bei der Rückgabe von Vermögenswerten, die im Beitrittsgebiet belegen sind, gemäß § 349 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 LAG nicht berücksichtigt. Ein Restschaden, der bereits den Schadensausgleich mindert, ist nur dann anzuerkennen, wenn nach der Verkehrsauffassung nicht mehr von dem Gegenstand gesprochen werden kann, der entschädigt worden ist. Nach diesen Grundsätzen hat der von den Klägern geltend gemachte Folgeschaden auf der ersten Stufe außer Betracht zu bleiben. Die Kläger machen als Folgeschaden geltend, dass beim Abriss der Produktionshalle auf einem der Grundstücke der berücksichtigten Schadensausgleichsfläche “die Trümmer dem Boden quasi lediglich ‘untergepflügt’ wurden” und die zur Wiederbebauung notwendige “Tiefenenttrümmerung” und Trümmerentsorgung erhebliche Kosten verursache. Es ist nicht dargetan, dass die Fläche dadurch ihre Grundstückseigenschaft verloren hat. Der Abriss der Produktionshalle ist, wie im Urteilstatbestand auch mitgeteilt, vom Bundesausgleichsamt ausdrücklich als Restschaden anerkannt worden. Damit trifft es zu, dass ein solcher Folgeschaden erst auf der Stufe der Rückforderung zu beachten ist (vgl. § 349 Abs. 2, Abs. 4 Satz 4 LAG).
Rz. 8
2. Demnach hat die Rechtssache auch nicht die hilfsweise geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr die Kläger mit Blick auf die Frage zumessen wollen, wie Folgeschäden im Rahmen des Schadensausgleichs zu berücksichtigen sind.
Rz. 9
3. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann, ist ebenfalls nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht musste die vormalige Bebauung auf den Schadensausgleichsflächen nicht aufklären und den schriftsätzlichen Beweisanregungen nachgehen. Die Bebauung war nach seinem Rechtsstandpunkt, der für die Aufklärungspflicht maßgeblich ist, nicht entscheidungserheblich, weil die auf den Schädigungszeitpunkt bezogene Wertermittlung im Feststellungsbescheid von 1973 für das Bundesausgleichsamt rechtlich bindend und von den Klägern nicht substanziiert in Zweifel gezogen sei. Dies vermag die Beschwerde mit dem Hinweis auf im Verfahren vorgelegte Pläne und Bilder, die den unstreitigen Zustand unterschiedlicher Bebauung dokumentieren, nicht zu entkräften.
Rz. 10
4. Es liegt auch kein Verfahrensfehler willkürlicher Sachverhaltswürdigung vor, weil Anlagevermögen “gedanklich linear” auch auf Grundstücke umgelegt worden sei, die reine Wohnbebauung aufgewiesen hätten. Abgesehen davon, dass die Höhe des Restschadens für die Feststellung der Höhe des Schadensausgleichs an den in Rede stehenden Grundstücken keine Bedeutung hat, gilt das zu 3 Gesagte entsprechend: Das Verwaltungsgericht hat zugrunde gelegt, dass das Bundesausgleichsamt eine differenzierte Wertermittlung unter Aussonderung anderer Schadensarten vorgenommen und nur den Ausgleich des Rohvermögens berücksichtigt hat. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern es logischen Grundsätzen oder Erfahrungssätzen widersprechen sollte, die realen Verhältnisse der Bebauung nicht isoliert zu betrachten. Soweit dem Verwaltungsgericht ein Fehler der Sachverhaltswürdigung unterlaufen sein sollte – wofür nichts ersichtlich ist –, wäre dieser ohnehin dem materiellen Recht zuzuordnen.
Rz. 11
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Dr. Wysk, Dr. Kuhlmann
Fundstellen