Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 04.03.2014; Aktenzeichen 4 A 80/08) |
Tenor
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. März 2014 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheides, mit dem ihr die Beklagte die Vermittlung von Sportwetten an einen privaten Wettanbieter mit Sitz auf Malta verboten hatte. Das Verwaltungsgericht hat die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage und den auf Fortsetzungsfeststellung gerichteten Hilfsantrag abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid „aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013” (wohl: – BVerwG 8 C 17.12 – Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 286) aufgehoben, einer allfälligen Erledigungserklärung der Klägerin im Voraus zugestimmt und sich für diesen Fall bereit erklärt, die Verfahrenskosten zu tragen. Die Klägerin hat daraufhin den erstinstanzlich als Hilfsantrag gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag zum Hauptantrag erhoben. Nach Anhörung zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO – zulasten der Klägerin – hat das Oberverwaltungsgericht deren Berufung mit dem angegriffenen Beschluss zurückgewiesen und die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.
Die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin, die ausschließlich Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat Erfolg. Der angegriffene Beschluss beruht auf dem gerügten Verstoß gegen § 130a VwGO und der daraus folgenden, sinngemäß geltend gemachten Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Unabhängig davon beruht er auch auf dem gleichfalls gerügten verfahrensfehlerhaften Verneinen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses der Klägerin gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden (a). Dadurch hat es das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (b).
a) Mit der Entscheidung durch Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht die rechtlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nach § 130a VwGO überschritten. Es hat übersehen, dass eine mündliche Verhandlung nach Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) geboten war.
§ 130a Satz 1 VwGO stellt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in das Ermessen des Berufungsgerichts, wenn dieses die Berufung einstimmig für begründet oder unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Bei der Ausübung dieses Ermessens hat das Berufungsgericht Art. 6 Abs. 1 EMRK mit dem Inhalt, den die Vorschrift in der Entscheidungspraxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefunden hat, vorrangig zu beachten (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1999 – BVerwG 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203 ≪210 ff.≫ zur Beachtlichkeit – auch – im Rahmen des § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO; zu § 130a VwGO vgl. Beschlüsse vom 25. September 2003 – BVerwG 4 B 68.03 – Buchholz 140 Art. 6 EMRK Nr. 9 unter 1.3.2 und vom 4. August 2005 – BVerwG 4 B 42.05 – Buchholz 140 Art. 6 EMRK Nr. 10 unter 2.d).
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das u.a. über zivilrechtliche Ansprüche zu entscheiden hat. Die Norm gilt nicht nur für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, sondern auch für verwaltungsgerichtliche Verfahren wie das vorliegende (stRspr, vgl. Urteil vom 16. Dezember 1999 a.a.O. S. 206 ff.; Beschluss vom 17. August 2004 – BVerwG 6 B 49.04 – juris Rn. 6). Sie verlangt nach ständiger, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entwickelter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Beteiligten im gerichtlichen Verfahren mindestens einmal die Gelegenheit erhalten, zu den entscheidungserheblichen Rechts- und Tatsachenfragen in einer mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. Wurde in erster Instanz – wie hier – eine mündliche Verhandlung durchgeführt, kann eine mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren entbehrlich sein, wenn der tatsächliche Streitstoff bereits durch das Urteil des Verwaltungsgerichts aufbereitet war und im Berufungsverfahren auf dieser Grundlage nur noch über Rechtsfragen gestritten wird (Beschluss vom 25. September 2003 a.a.O. S. 18 f.). Daran fehlt es beispielsweise bei einer Änderung des Streitgegenstandes (Beschlüsse vom 10. September 1998 – BVerwG 8 B 102.98 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 40 unter 2. und vom 25. September 2003 a.a.O.; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Bd. 2, Stand März 2014, § 130a Rn. 3 m.w.N. in Fn. 24).
Daraus folgt allerdings nicht, dass die Änderung der Prozesslage durch das Fallenlassen des Anfechtungsbegehrens und die Erhebung des hilfsweisen Fortsetzungsfeststellungsantrags zum Hauptantrag schon deshalb keine mündliche Verhandlung erforderte, weil die Umstellung prozessrechtlich nicht als Klageänderung und nicht als Änderung des Streitgegenstandes behandelt wird. Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ist nicht die prozessrechtliche Einordnung der Antragsumstellung entscheidend, sondern vielmehr, ob dadurch neue, im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht relevante Rechtsfragen oder Tatsachen entscheidungserheblich werden. In diesem Fall müssen die Beteiligten die Gelegenheit erhalten, sich zu den neuen entscheidungserheblichen Fragen in einer mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu äußern (vgl. Beschluss vom 10. September a.a.O. unter 2. = juris Rn. 7; Meyer-Ladewig/Rudisile, a.a.O. und Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014 § 130a Rn. 2 m.w.N.). Das gilt für neue Rechtsfragen ebenso wie für neue Tatsachenfragen, weil zu beidem rechtliches Gehör in prozessordnungsgemäßer Form zu gewähren ist. Für die Beurteilung, ob eine Frage für die Berufungsentscheidung erheblich war, ist ebenso wie bei der Prüfung sonstiger Verfahrensmängel von der materiellrechtlichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auszugehen.
Danach durfte das Berufungsgericht hier nicht gegen den Willen der Klägerin im Beschlusswege nach § 130a VwGO entscheiden, weil es nach der Erledigung des Anfechtungsbegehrens im Berufungsverfahren erstmals darauf ankam, ob die Aufhebungserklärung der Beklagten ein Präjudizinteresse der Klägerin ausschloss. Entscheidungserheblich wurde damit erstmals auch die Frage, ob ein rechtskräftiges Fortsetzungsfeststellungsurteil der Klägerin im anhängigen Staatshaftungsprozess nach § 121 Nr. 1 VwGO weitergehende Vorteile verschaffen könnte als das vom Berufungsgericht angenommene konkludente Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit. Dazu in einem Verhandlungstermin Stellung zu nehmen, durfte das Oberverwaltungsgericht der Klägerin nicht verweigern. Auf deren Rüge, nach ihrer schriftsätzlichen Stellungnahme hätten die Beteiligten ein weiteres Mal nach § 130a VwGO angehört werden müssen, kommt es danach nicht mehr an.
b) Die fehlerhafte Anwendung des § 130a VwGO hat einen Verstoß gegen § 101 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO und damit gleichzeitig eine Verletzung des Rechts der Klägerin auf rechtliches Gehör zur Folge, auf der die angegriffene Entscheidung wegen § 138 Nr. 3 VwGO auch beruht (Urteil vom 30. Juni 2004 – BVerwG 6 C 28.03 – BVerwGE 121, 211 ≪221≫).
2. Das Oberverwaltungsgericht hat überdies unzutreffend das Fortsetzungsfeststellungsinteresse und das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin verneint.
a) Das Verkennen des besonderen Feststellungsinteresses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO stellt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar (Beschluss vom 4. Juli 1968 – BVerwG 8 B 110.67 – BVerwGE 30, 111 ≪113≫; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 132 Rn. 104 und Rn. 110 vorletzter Punkt).
In Bezug auf die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen gegen die Beklagte ist das Berufungsgericht unzutreffend davon ausgegangen, das von ihm angenommene verbindliche konkludente Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides durch die Beklagte lasse ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin entfallen. Ob seine Auslegung der Prozesserklärung der Beklagten als Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit die Auslegungsregeln entsprechend §§ 133, 157 BGB richtig anwendet, ist hier nicht zu erörtern, da die Prüfung von Verfahrensmängeln von der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz auszugehen hat. Auch auf der Grundlage dieser Auslegung ist aber prozessrechtlich zu beanstanden, dass die Anforderungen, die das Berufungsgericht an den Inhalt und die Verbindlichkeit eines das Präjudizinteresse ausschließenden Anerkenntnisses stellt, hinter den Anforderungen zurückbleiben, die sich aus § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und der dazu bisher ergangenen Rechtsprechung ergeben.
Bei Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts eröffnet § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Fortsetzungsfeststellungsklage, damit der Kläger nicht ohne Not um die Früchte seiner bisherigen Prozessführung gebracht wird, solange die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts seine Position verbessern kann (Urteile vom 28. April 1967 – BVerwG 4 C 163.65 – Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 36 S. 64 ≪66≫ und vom 24. Oktober 1980 – BVerwG 4 C 3.78 – BVerwGE 61, 128 ≪135≫). Da die Vorschrift die Zurücknahme des Verwaltungsakts als Beispiel einer solchen Erledigung nennt, erfordert auch die Rücknahme wegen Rechtswidrigkeit eine Prüfung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses im konkreten Fall (vgl. Urteil vom 15. März 1977 – BVerwG 1 C 27.75 – juris Rn. 26 f.). Entscheidungen, denen zufolge ein solches Interesse bei Aufhebung des Verwaltungsakts wegen Rechtswidrigkeit regelmäßig fehlt (Beschlüsse vom 5. September 1984 – BVerwG 1 WB 131.82 – BVerwGE 76, 258 ≪260≫ und vom 23. November 1995 – BVerwG 8 PKH 10.95 ≪8 C 9.95≫ – juris LS 2 und Rn. 6), schließen ein berechtigtes Feststellungsinteresse in solchen Fällen nicht kategorisch aus. Sie beschreiben vielmehr das Ergebnis seiner konkreten, auch in diesen Entscheidungen vorgenommenen Prüfung in der Mehrzahl der Fälle. Hat die Behörde die Rechtswidrigkeit erkannt, wird in der Regel kein wiederholter Erlass einer gleichartigen Verfügung drohen. Ein Rehabilitierungsinteresse kann durch das ausdrückliche oder unmissverständliche Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit im Aufhebungsbescheid (vgl. Urteil vom 15. März 1977 a.a.O. Rn. 27; Beschluss vom 5. September 1984 a.a.O. S. 260 f.) und durch die Rückabwicklung den Kläger stigmatisierender Folgeentscheidungen beseitigt worden sein (vgl. Beschluss vom 23. November 1995 a.a.O.). Soweit der Beschluss vom 5. September 1984 (a.a.O. S. 261) in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für von vornherein ausgeschlossen erklärt, ist er durch die Einfügung des § 19 Abs. 1 Satz 3 in die Wehrbeschwerdeordnung – WBO – (vgl. Art. 5 Nr. 15 des Gesetzes vom 31. Juli 2008, BGBl I S. 1629) und die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung überholt (vgl. Beschlüsse vom 17. Februar 2009 – BVerwG 1 WB 17.08 – Buchholz 449.7 § 36 SBG Nr. 1 Rn. 41 und vom 25. März 2010 – BVerwG 1 WB 42.09 – Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 3 Rn. 19 f.).
Bei der Prüfung, ob die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit auch das Präjudizinteresse entfallen lässt, sind die Vorteile zu berücksichtigen, die sich aus der Präjudizwirkung der begehrten verwaltungsgerichtlichen Feststellung gemäß § 121 VwGO für den Betroffenen ergeben. Im Staatshaftungsprozess wie in anderen gerichtlichen Verfahren ist die Präjudizwirkung von Amts wegen zu beachten; sie schließt eine erneute und erst recht eine abweichende Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Bescheides aus (vgl. Urteil vom 23. November 1999 – BVerwG 9 C 16.99 – BVerwGE 110, 111 ≪116≫). Ein behördliches Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit kann das Präjudizinteresse an deren rechtskräftiger Feststellung deshalb nur entfallen lassen, wenn das Anerkenntnis dem Betroffenen im Folgeprozess eine Rechtsposition verschafft, die durch die rechtskräftige Feststellung nicht mehr verbessert würde (vgl. Beschluss vom 23. November 1995 a.a.O. Rn. 6 a.E.; Urteil vom 23. Januar 2007 – BVerwG 1 C 1.06 – juris Rn. 18 f.).
Unter welchen Umständen dies zu bejahen wäre, muss hier nicht abschließend geklärt werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, es genüge ein Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit – nur – im Verwaltungsprozess, weil abweichendem Prozessvortrag im zivilgerichtlichen Verfahren der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden könne, lässt jedenfalls einen Grad an Verbindlichkeit genügen, der hinter dem nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderlichen zurückbleibt. Die Begründung der Aufhebungsverfügung vermittelt keine der Rechtskraftbindung vergleichbare Verbindlichkeit, da die Zivilgerichte an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsakts mangels gesetzlicher Grundlage für eine Feststellungswirkung nicht gebunden sind (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 1971 – V ZR 167/68 – LM Nr. 5 zu § 437 BGB = juris Rn. 23, vom 15. November 1990 – III ZR 302/89 – BGHZ 113, 17 und vom 4. Februar 2004 – XII ZR 301/01 – WM 2004, 2268 ≪2269≫; BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 – BVerwG 2 C 22.06 – Buchholz 232 § 47 BBG Nr. 3 = juris Rn. 12). Ein Ausschluss des Präjudizinteresses kommt deshalb nicht in Betracht, wenn die Behörde das Eingeständnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht ausdrücklich oder jedenfalls unmissverständlich sowie vorbehaltlos auch bezüglich des Staatshaftungsprozesses erklärt hat. Es genügt also nicht, dass die Aufhebung des Verwaltungsakts als Anerkenntnis seiner Rechtswidrigkeit verstanden werden kann. Vielmehr muss jede andere Deutung ausscheiden (vgl. Beschluss vom 23. November 1995 a.a.O.; ebenso für den Wegfall des Rehabilitierungsinteresses: Urteil vom 15. März 1977 a.a.O. Rn. 27). Insbesondere muss ausgeschlossen sein, dass die Aufhebung nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht oder lediglich prozesstaktisch darauf abzielt, eine rechtskräftige, für Folgeprozesse präjudizielle Entscheidung zu verhindern. Ohne eine vorbehaltlose Erklärung des Anerkenntnisses auch in Bezug auf den Zivilprozess, die die Rechtswidrigkeit und die dafür maßgebenden Tatsachen dort unstreitig stellt, ist noch nicht einmal eine Annäherung an die Präjudizwirkung zu erreichen.
Der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Maßstab bleibt hinter diesen Anforderungen zurück; er trägt damit den Vorteilen einer Präjudizwirkung nach § 121 VwGO nicht ausreichend Rechnung. Der angegriffene Beschluss fordert weder ein ausdrückliches oder unmissverständliches noch ein vorbehaltloses Anerkenntnis auch bezüglich des Staatshaftungsprozesses. Für die Verbindlichkeit des Anerkenntnisses lässt er genügen, dass die Klägerin einem Bestreiten der Rechtswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren das im Verwaltungsprozess abgegebene konkludente Anerkenntnis und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben entgegenhalten könnte. Dieser materiell-rechtliche Einwand wäre mangels rechtskräftigen Feststellungsurteils aber ebenso wie die Rechtswidrigkeit der Untersagung (erneut) vom Zivilgericht zu prüfen, das auch nicht an die verwaltungsgerichtliche Würdigung der Aufhebungserklärung gebunden wäre. Wegen des damit verbundenen Prozessrisikos würde die Klägerin die Früchte ihrer Prozessführung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einbüßen. Der Regelungszweck des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, die prozessökonomische Klärung präjudizieller verwaltungsrechtlicher Fragen im bereits weitgehend geförderten anhängigen Prozess zu ermöglichen, wird dadurch ebenfalls verfehlt.
Die Verbesserung der Rechtsposition der Klägerin durch die Präjudizwirkung lässt sich auch nicht durch den Hinweis auf eine im Staatshaftungsprozess geäußerte vorläufige materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Zivilgerichts entkräften. Der Einwand, das Zivilgericht werde sich jedenfalls an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols und zur Unzulässigkeit eines nachträglichen Austauschs wesentlicher Ermessenserwägungen orientieren, reicht dazu gleichfalls nicht aus. Das Feststellungsurteil hätte die Rechtswidrigkeit des konkreten Verwaltungsakts – und nicht nur des Sportwettenmonopols – zum Gegenstand. Es schlösse auch eine nachträgliche Rechtfertigung der Untersagung im Zivilprozess, etwa unter Berufung auf eine Ermessensreduzierung aus monopolunabhängigen Gründen, aus.
Ein Präjudizinteresse wegen der Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen gegen die Beklagte wäre danach nur zu verneinen, wenn deren Einklagen offensichtlich aussichtslos wäre. Davon ist die Vorinstanz nicht ausgegangen. Insbesondere hat sie offengelassen, ob der angegriffene Bescheid durch eine verbindliche Weisung gedeckt war, und ob deshalb statt der Beklagten allenfalls das Land Nordrhein-Westfalen als Staatshaftungsschuldner in Betracht kommt. Auf die Frage, ob in diesem Fall ein Präjudizinteresse auch bezüglich des Prozesses gegen das Land bestünde, kommt es daher nicht an.
b) Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin durfte die Vorinstanz ebenfalls nicht verneinen. Aus den oben dargelegten Erwägungen geht hervor, dass das begehrte Fortsetzungsfeststellungsurteil durchaus geeignet ist, die Rechtsposition der Klägerin zu verbessern.
Der angegriffene Beschluss beruht nicht nur auf dem Verstoß gegen § 130a VwGO, sondern unabhängig davon auch auf dem Verkennen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses und des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses, da die Zurückweisung der Berufung auf die Unzulässigkeit der Klage, und diese auf das Verneinen der beiden Sachentscheidungsvoraussetzungen gestützt wurde.
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat gemäß § 133 Abs. 6 VwGO von der Möglichkeit Gebrauch, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Christ, Dr. Held-Daab, Hoock
Fundstellen