Verfahrensgang
VG Cottbus (Urteil vom 15.05.2002; Aktenzeichen 1 K 564/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 15. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 319 750 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Die Darlegungen rechtfertigen eine Zulassung der Revision nicht.
1. Die Verfahrensrügen sind unbegründet. Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Das ist nach den Darlegungen der Klägerin nicht der Fall.
a) Die geltend gemachte Gehörsrüge, mit der die Klägerin das Urteil des Verwaltungsgerichts als „Überraschungsurteil” angreift, trifft nicht zu. Sie trägt insoweit vor, das Verwaltungsgericht habe – ohne auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen zu haben – ihre Ansprüche verneint, weil die in der Vereinbarung vom 16. August 1991 enthaltene Abtretung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Beigeladenen wegen Formmangels unwirksam sei. Auf diesen Überlegungen beruht das Urteil nicht, da, wie auch die Klägerin zitiert, das Verwaltungsgericht ausführlich begründet, warum der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe des streitgegenständlichen Grundstücks von der Abtretung nicht umfasst war. Erst im Anschluss und mit der Einleitung „Im Übrigen” verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass die in dem Vergleich enthaltene Abtretung wegen Formmangels unwirksam sei und sich die Klägerin deshalb ohnehin nicht darauf berufen könne. Es handelt sich damit um die Entscheidung nicht tragende ergänzende Erwägungen.
b) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt auch nicht darin, dass das Verwaltungsgericht den Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf Einräumung einer Schriftsatzfrist abgelehnt hat. Die mündliche Verhandlung hatte auch nach dem Vortrag der Klägerin keine neuen Tatsachen oder Rechtsausführungen ergeben, zu denen sie nicht bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Die von ihr in der mündlichen Verhandlung dem Gericht übergebenen Protokolle über Zeugenvernehmungen in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schwerin stellen keine neuen Tatsachen dar, da sie selbst sich in ihrer Klagebegründung bereits auf diese Aussagen bezogen und sie vorgetragen hat. Es ist Sinn und Zweck der mündlichen Verhandlung, die Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu erörtern und damit die Grundlage für die Entscheidung des Gerichtes zu geben. Die Möglichkeit, anschließend ergänzend Stellung zu nehmen, das Ergebnis der mündlichen Verhandlung insgesamt zu würdigen und damit „die Entscheidungsfindung des Verwaltungsgerichts zu beeinflussen”, ist vom Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht umfasst.
c) Die Aufklärungsrüge wegen Ablehnung der förmlich gestellten Beweisanträge ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge zu Recht als unzulässig abgelehnt. Der Beweisantrag zu 1) zielte nicht auf die Offenlegung einer „inneren Tatsache”, sondern darauf, dass Zeugen rechtliche Schlüsse ziehen sollten. Die Beweisanträge zu 2) und 3) stellten zwar unter Beweis, was die Vertragsparteien mit dem Verlagsvertrag gewollt hatten. Eine Beweiserhebung über innere Tatsachen setzt in solchen Fällen aber die schlüssige Behauptung voraus, dass die Parteien auch das, was sie wollten, einander zu erkennen gegeben haben (BGH, NJW 1992, 2489; NJW 1996, 1678, 1679). Letzteres ist den Beweisanträgen nicht zu entnehmen gewesen.
d) Schließlich beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts auch nicht auf einer Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung. Das Verwaltungsgericht hat den Inhalt der Vereinbarung vom 16. August 1991 zwischen der Klägerin und der Beigeladenen durch Auslegung des Vergleichstextes ermittelt und abschließend festgestellt, dass es keinen Anhaltspunkt gebe, dass der übereinstimmende tatsächliche Wille der Vertragsparteien 1991 von dem mit dem Vergleich geäußerten abgewichen sein könnte. Nur im Hinblick auf die Äußerung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, den Beweisantrag der Klägerin dahin zu verstehen, dass die in der Klagebegründung wiedergegebenen Bekundungen des K.-H. M. der Auslegung des Vergleichs vom 16. August 1991 zugrunde gelegt werden sollten, setzt es sich anschließend mit den protokollierten Aussagen auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass auch diese keine Anhaltspunkte für ein vom objektiven Erklärungsinhalt des Vergleichs abweichendes Verständnis ergeben. Für eine Beweisaufnahme von Amts wegen hat es deshalb keinen Anlass gesehen.
2. Der Rechtssache kommt auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Voraussetzung dieser Vorschrift liegt vor, wenn für die Entscheidung des (vorinstanzlichen) Gerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90, 91 f.).
a) Die Beschwerde möchte geklärt wissen,
ob ein Rückgabeanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auch für solche Vermögenswerte besteht, die bereits vor 1945 aus dem Vermögen des nach § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. § 6 VermG zurückzugebenden oder einem anderen nach dem 8. Mai 1945 ergangenen Gesetz bereits zurückgegebenen Unternehmen ausgeschieden sind, insbesondere dann, wenn der betreffende Vermögenswert nach 1945 von der SMAD dem Unternehmen restituiert wurde,
sowie ergänzend,
ob ein Rückgabeanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG auch für solche Vermögenswerte besteht, die erst nach 1949 aus dem Vermögen des nach § 1 Abs. 6 VermG i.V.m. § 6 VermG zurückzugebenden oder einem anderen nach dem 8. Mai 1945 ergangenen Gesetz bereits zurückgegebenen Unternehmen ausgeschieden sind.
Diese – vom Verwaltungsgericht bejahte Rechtsfrage – ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Im Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 53.96 – (Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18) hat das Gericht festgestellt, dass die Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG schon seinem Wortlaut nach lediglich voraussetzt, dass der Vermögensgegenstand nicht mehr zum Unternehmensvermögen gehört. Auf die Umstände, auf Grund derer der Gegenstand „weggeschwommen” ist, kommt es nicht an.
Dementsprechend ist auch der Zeitpunkt, zu dem der Vermögenswert aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, ohne Bedeutung. Insbesondere gibt der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG keinerlei Anhaltspunkte dafür her, dass der Anspruch beschränkt sein soll auf Werte, die zwischen 1945 und 1949 aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. So ist auch die Entscheidung vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 53.96 –, a.a.O., zu einem Grundstück ergangen, das nach der „Arisierung” des Unternehmens 1939 abgetrennt und veräußert und 1962 Eigentum des Volkes wurde.
Wie das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, wollte der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG erreichen, dass die während der NS-Herrschaft Verfolgten nicht schlechter gestellt werden, als sie bei Anwendung der alliierten Rückerstattungsgesetze stünden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2944 S. 50; Urteil vom 15. November 2000 – BVerwG 8 C 28.99 –, Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 40). Da dem seinerzeit möglichen Einsammeln „abgeschwommener” Grundstücke der Einwand des gutgläubigen Erwerbs nicht entgegengehalten werden konnte (Art. 1 Abs. 3 REAO; Art. 1 Abs. 2 USREG; Art. 1 Abs. 3 BrREG), mussten auch im normalen Geschäftsverkehr veräußerte Gegenstände des Unternehmensvermögens zurückgegeben werden (vgl. Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 53.96 –, a.a.O.). Auf die Tatsache, dass hier das streitgegenständliche Grundstück nach 1945 von der SMAD der SED restituiert worden war, kommt es wegen des erneuten Verkaufs 1983 nicht an.
b) Die darüber hinaus für klärungsbedürftig gehaltene Frage,
ob Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG so auszulegen ist, dass die Nichteinhaltung der Anzeigefrist zu einer cessio legis des zuvor nach § 3 Abs. 1 Satz 3 VermG in der Fassung vor dem 2. VermRÄndG formwirksam abgetretenen Rückübertragungsanspruchs auf den früheren Zedenten führt,
bzw.
ob Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG so auszulegen ist, dass die Nichteinhaltung der Anzeigefrist des Art. 14 Abs. 1 nicht lediglich zu einem Fortfall der Legitimationswirkung der nach § 3 Abs. 1 Satz 3 VermG in der Fassung vor dem 2. VermRÄndG formwirksam vorgenommenen Abtretung im vermögensrechtlichen Verfahren führt, sondern zugleich dem Zedenten das Recht gibt, sich gegenüber den das VermG ausführenden Behörden und dem Zessionar auf eine eigene Berechtigung zu berufen,
würde sich im Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung – wie oben bereits festgestellt – nicht auf die Unwirksamkeit der Abtretung gestützt, sondern nur ergänzend auf Zweifel an der Formwirksamkeit der Abtretung hingewiesen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen