Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Regelung, Voraussetzungen und Grenzen einer –
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen und Grenzen vorläufiger Regelungen nach § 69 Abs. 5 BPersVG (im Anschluß an den Beschluß vom 20. Juli 1984 – BVerwG 6 P 16.83 –).
Normenkette
BPersVG § 69 Abs. 5
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 25.09.1985; Aktenzeichen BPV TK 2373/84) |
VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 26.07.1984; Aktenzeichen I/V K 1499/84) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 25. September 1985 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Entscheidungssatz des angegriffenen Beschlusses wie folgt gefaßt wird:
Es wird festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG für die von dem Beteiligten am 30. Mai 1984 getroffene vorläufige Regelung (uneingeschränkte Inkraftsetzung der Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst im Postamt 3 Frankfurt am Main für den zeitlichen Geltungsbereich des Sommerfahrplans 1984 der Deutschen Bundesbahn) nicht vorgelegen haben.
Tatbestand
I.
Im Mai 1984 legte der Amtsvorsteher des Postamts 3 Frankfurt am Main, der Beteiligte, dem bei diesem Postamt gebildeten Personalrat, dem Antragsteller, 31 Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst vor, die diesen Dienst während der Geltungsdauer des Sommerfahrplans 1984 regeln sollten, und bat um Zustimmung zu den Plänen gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Sämtliche Pläne berücksichtigten die zuvor vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen getroffene Anordnung, mit dem Beginn des Sommerfahrplans 1984 Zeitzuschläge für den Bahnpostbegleitdienst nicht mehr zu gewähren und die Dienstpläne entsprechend einzurichten. Der Antragsteller verweigerte seine Zustimmung zu den Dienstplänen rechtzeitig und führte zur Begründung vielfältige Bedenken gegen den Fortfall der Zeitzuschläge und die sich daraus ergebenden Folgen für den Arbeitseinsatz der Beschäftigten des Bahnpostbegleitdienstes an. So bemängelte er, daß sich die Zahl und die Aufeinanderfolge von Nachtschichten erhöhe, längere nächtliche Pausen einträten, die nicht auf die Arbeitszeit angerechnet würden, die Anzahl der freien Tage erheblich abnehme und die in den Arbeitszeitrichtlinien vorgesehene Mindestzahl von Ruhetagen sowie in vielen Fällen auch die Mindestruhezeit nach Nachtschichten nicht mehr eingehalten würden. Durch diese Änderungen in der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und deren Auswirkungen auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit würden die Beschäftigten des Bahnpostbegleitdienstes physisch überfordert und in nicht mehr vertretbarer Weise vom üblichen familiären, kulturellen und gesellschaftlichen Leben ferngehalten.
Seine Zustimmungsverweigerung verband der Antragsteller mit dem Initiativantrag, die Dienstpläne dahin abzuändern, daß den Beschäftigten des Bahnpostbegleitdienstes ein Zeitzuschlag von zehn Minuten pro Nachtdienststunde gewährt werde.
Der Beteiligte lehnte den Initiativantrag mit dem Hinweis ab, daß die Anordnung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen, keine Zeitzuschläge mehr zu gewähren, für ihn bindend sei. Hinsichtlich der Mitbestimmung des Antragstellers leitete er das Stufenverfahren ein, indem er die Angelegenheit der Oberpostdirektion Frankfurt am Main vorlegte. Zugleich unterrichtete er den Antragsteller davon, daß er die Dienstpläne mit Wirkung vom 3. Juni 1984 gemäß § 69 Abs. 5 BPersVG vorläufig in Kraft setzen werde.
Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt, festzustellen, daß es sich bei der Änderung der Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst – gültig ab 3. Juni 1984 (Sommerfahrplan 1984) – nicht um eine Maßnahme handele, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulde (§ 69 Abs. 5 BPersVG).
Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG hätten nicht vorgelegen, die Maßnahme sei nicht erforderlich gewesen. Sie schaffe überdies vollendete Tatsachen und sei damit in Wahrheit eine endgültige Regelung.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Beschwerdegericht festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG für die vorläufige Einführung der Dienstpläne nicht vorgelegen haben. Die von dem Beteiligten getroffene vorläufige Regelung begegne schon deswegen Bedenken, weil sie darauf abziele, mit der Dienstleistung nach Maßgabe der Pläne einen Tatbestand zu schaffen, der nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Mit dem Vollzug der Dienstpläne auf der Grundlage einer vorläufigen Regelung werde das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers mithin unwiederbringlich vereitelt. Das widerspreche Wortlaut, Sinn und Zweck des § 69 Abs. 5 BPersVG. Die vorläufige Inkraftsetzung der Dienstpläne sei vornehmlich aber deshalb gesetzwidrig, weil das Stufenverfahren nicht bis zum nächsten Fahrplanwechsel abgeschlossen worden sei, obwohl dafür ein Zeitraum von vier Monaten zur Verfügung gestanden habe. Während dieses Zeitraums sei der Hauptpersonalrat beim Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen mit den umstrittenen Dienstplänen nicht befaßt worden. Daraus sei zu schließen, daß das Stufenverfahren auf der Dienststellenseite nicht mit der bei befristeten Maßnahmen gebotenen Eile durchgeführt worden sei. In einem solchen Fall werde die vorläufige Regelung von Anfang an rechtswidrig, weil sie nach § 69 Abs. 5 Satz 2 BPersVG an die Voraussetzung geknüpft sei, daß der Dienststellenleiter und die weiteren in Betracht kommenden Dienststellen das Beteiligungsverfahren unverzüglich einleiteten und beschleunigt betrieben.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten, mit der er die der Entscheidung zugrundeliegende Auslegung des § 69 Abs. 5 BPersVG beanstandet. Er meint, im vorliegenden Fall sei die vorläufige Inkraftsetzung der Dienstpläne unumgänglich gewesen, weil die Deutsche Bundespost ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zur Sicherstellung des Postverkehrs andernfalls bis zum Abschluß des Stufenverfahrens im Bereich des Bahnpostdienstes nicht hätte uneingeschränkt nachkommen können. Sie sei auch zulässig gewesen. Die Befugnis des Dienststellenleiters, vorläufige Regelungen zu treffen, ähnele dem zivilprozessualen Mittel der einstweiligen Verfügung. Für die einstweilige Verfügung sei aber anerkannt, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen zur Leistung verpflichten und damit die Befriedigung von Ansprüchen herbeiführen dürfe. Entsprechend müsse dem Dienststellenleiter die Befugnis zuerkannt werden, durch eine vorläufige Regelung vollendete Tatsachen zu schaffen, wenn ganz besondere dienstliche Interessen dies erforderten.
Bei der sonach gebotenen Interessenabwägung müsse berücksichtigt werden, daß der Antragsteller anerkannt habe, daß die Dienstpläne des Bahnpostbegleitdienstes an den Sommerfahrplan 1984 der Deutschen Bundesbahn hätten angepaßt werden müssen, und seine Zustimmung zu der Inkraftsetzung dieser Pläne allein von der aus Rechtsgründen unerfüllbaren Forderung nach Gewährung von Zeitzuschlägen abhängig gemacht habe. Er habe das Inkrafttreten der Dienstpläne damit aus sachfremden Gründen verzögert. Dem habe die Dienststelle mit den Mitteln des Rechts entgegentreten dürfen.
Die streitige vorläufige Regelung sei auch nicht deswegen rückwirkend gesetzeswidrig geworden, weil das Stufenverfahren nicht bis zum nächsten Fahrplanwechsel abgeschlossen gewesen sei. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdegerichts lasse sich mit Wortlaut und Sinn des Bundespersonalvertretungsgesetzes nicht in Einklang bringen.
Der Beteiligte beantragt sinngemäß,
den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs – Fachsenat für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 25. September 1905 zu ändern und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) – vom 26. Juli 1984 zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß und tritt der Rechtsbeschwerde aus Rechtsgründen sowie mit dem Hinweis entgegen, daß er seine Zustimmung zu den Dienstplänen nicht allein mit dem Ziel verweigert habe, die Gewährung von Zeitzuschlägen zu erreichen. In erster Linie habe er damit eine günstigere zeitliche Lage und Aufeinanderfolge der Dienstschichten sowie die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Schutzvorschriften bewirken wollen. Zwischen ihm und dem Beteiligten sei streitig gewesen, wie die Dienstpläne des Bahnpostbegleitdienstes an den Fahrplan der Deutschen Bundesbahn anzupassen gewesen seien. Der Antragsteller ist überdies der Auffassung, am 30. Mai 1984 seien die Voraussetzungen für die vom Beteiligten getroffene vorläufige Regelung noch nicht gegeben gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht habe abgesehen werden können, daß das Stufenverfahren bis zum Fahrplanwechsel noch nicht abgeschlossen sein werde. Das vom Beteiligten behauptete vorrangige öffentliche Interesse an der vorläufigen Regelung habe mithin seinerzeit noch nicht bestanden.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er teilt im wesentlichen die Rechtsauffassung des Beteiligten.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist im Ergebnis unbegründet. Das Beschwerdegericht hat die vom Antragsteller begehrte Feststellung mit der aus dem neugefaßten Entscheidungssatz hervorgehenden Einschränkung zu Recht getroffen.
In Übereinstimmung mit dem Beschwerdegericht sieht der Senat die Voraussetzungen für die vom Beteiligten getroffene vorläufige Regelung insoweit als erfüllt an, als die Dienstpläne für den Bahnpostbegleitdienst im zeitlichen Geltungsbereich des Sommerfahrplans 1984 zu dem Zeitpunkt, als der Beteiligte die vorläufige Regelung traf, weder vom Antragsteller gebilligt waren noch gemäß § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG als von ihm gebilligt gelten konnten. Die – vom Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren erneut vorgetragene – Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, die Dienstpläne hätten seinerzeit bereits als vom Antragsteller gebilligt behandelt werden müssen, weil dessen Zustimmungsverweigerung unbeachtlich sei, da sie allein darauf abgezielt habe, die Gewährung von Zeitzuschlägen auch in Zukunft zu erhalten, ist unzutreffend. Das Beschwerdegericht ist ihr mit Recht entgegengetreten. Zwar hat der Antragsteller die weitere Gewährung von Zeitzuschlägen in seinem Schreiben vom 25. Mai 1984 als das von ihm allein als tauglich angesehene Mittel zur Behebung seiner Bedenken gegen die ihm zur Zustimmung vorgelegten Dienstpläne bezeichnet. Die von ihm geäußerten Bedenken selbst richteten sich aber zugleich gegen die Änderungen in der Abfolge und zeitlichen Lage der Dienstschichten und der verbleibenden Dauer der Ruhezeiten, zu denen der vorgesehene Wegfall rechnerischer Zeitzuschläge zur Arbeitszeit führen sollte. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß sich diese Bedenken auf Erwägungen stützten, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit der zeitlichen Lage und den Pausenunterbrechungen der täglichen Arbeitszeit und damit mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie mit der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage standen. Sie hatten folglich einen konkreten sachlichen Bezug zu dem Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG.
Dieser Bezug wird nicht dadurch aufgehoben, daß der Beteiligte aus Rechtsgründen gehindert war, den geäußerten Bedenken auf die vom Antragsteller vorgeschlagene Weise, nämlich durch Weitergewährung von Zeitzuschlägen, abzuhelfen. Der vom Verwaltungsgericht gezogene – und von dem Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren wiederholte – Schluß, das Unvermögen des Beteiligten, dem konkreten Regelungsvorschlag des Antragstellers zu entsprechen, bewirke, daß die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers „außerhalb des Rahmens der Mitbestimmung” liege, ist verfehlt, zumal der Antragsteller nicht verpflichtet war, vorzuschlagen, wie seine Bedenken hätten ausgeräumt werden können (Beschluß vom 18. April 1986 – BVerwG 6 P 31.84 –).
Bei verständiger Betrachtung der Darlegungen des Antragstellers im Schreiben vom 25. Mai 1984 konnte nicht zweifelhaft sein, daß der Antragsteller seine Zustimmung zu den Dienstplänen jedenfalls auch verweigert hat, um eine günstigere Gestaltung des Schichtdienstes zu erreichen, mag es auch sein vorrangiges Ziel gewesen sein, in diesem Zusammenhang die Beibehaltung von Zeitzuschlägen durchzusetzen. Verweigert ein Personalrat seine Zustimmung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme und gibt er zugleich zu erkennen, wie seine Bedenken gegen die Maßnahme oder ihre Ausgestaltung ausgeräumt werden könnten, so darf ihm die Ausübung seines Mitbestimmungsrechts nicht unter Berufung auf § 69 Abs. 2 Satz 5 BPersVG abgeschnitten werden, wenn sich seine Vorschläge zur Umgestaltung der Maßnahme nicht verwirklichen lassen.
Das Beschwerdegericht ist auch, ohne dies ausdrücklich darzulegen, zu Recht davon ausgegangen, daß in der zu beurteilenden Situation wegen der zeitlichen Dringlichkeit eine vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG der Sache nach grundsätzlich in Betracht kam. Zwar haben die Vorinstanzen keine Feststellungen darüber getroffen, ob der vom Postamt 3 Frankfurt am Main aus zu leistende Bahnpostbegleitdienst im Geltungszeitraum des Sommerfahrplans 1984 der Deutschen Bundesbahn auch ohne gültige Dienstpläne hätte fortgeführt werden können. Dessen bedurfte es aber auch nicht. Es steht außer Zweifel, daß dieser Dienst, der zum einen in den Ablauf des Postverkehrs, dessen Teil er ist, zum anderen aber auch in die Fahrplangestaltung der Deutschen Bundesbahn einzufügen ist und entsprechend diesen Anforderungen in – häufig nächtliche – Dienstschichten gegliedert ist, nur nach genauen und verbindlichen Dienstplänen geleistet werden kann. Angesichts dieser Vorgaben müssen die Pläne in ihrer Gesamtheit ein in der zeitlichen wie in der Ablaufgestaltung ineinandergreifendes Ganzes bilden. Abgesehen davon war hier eine grundlegende Änderung aller bisherigen Dienstpläne schon deshalb unumgänglich, weil der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen im Rahmen der durch den Fahrplanwechsel bedingten Dienstplanänderung die bisher gewährten Zeitzuschläge abschaffen wollte.
Den Bedenken, die das Beschwerdegericht unter Berufung auf den Beschluß des Senats vom 20. Juli 1984 – BVerwG 6 P 16.83 – (DVBl. 1984, 1228 – ZBR 1984, 379 = PersR 1985, 58) gleichwohl gegen die Zulässigkeit einer solchen Regelung im vorliegenden Fall geäußert hat, pflichtet der Senat bei, soweit sie sich dagegen richten, daß der Beteiligte die Dienstpläne, zu denen der Antragsteller seine Zustimmung verweigert hatte, unverändert und zeitlich unbeschränkt nach § 69 Abs. 5 BPersVG vorläufig in Kraft gesetzt hat. Die in dem angegriffenen Beschluß getroffene Feststellung, die Voraussetzungen des § 69 Abs. 5 BPersVG hätten (überhaupt) nicht vorgelegen, rechtfertigen sie demgegenüber nicht.
Die Bestimmung des § 69 Abs. 5 BPersVG ordnet sich in die Vorschriften über das zur Sicherung der Mitbestimmung einzuhaltende Verfahren ein. Sie schränkt den Grundsatz des § 69 Abs. 1 BPersVG. nach dem eine der Mitbestimmung des Personalrats unterliegende Maßnahme nur mit dessen Zustimmung getroffen werden darf, für den Fall ein, daß vor Abschluß des Beteiligungsverfahrens (einschließlich des möglicherweise sich anschließenden Verfahrens vor der Einigungsstelle) eine Lage eintritt, die der Natur der Sache nach ein unaufschiebbares, d.h. unverzügliches, wenngleich vorläufiges Tätigwerden des Dienststellenleiters bis zur endgültigen Entscheidung im Beteiligungsverfahren erfordert. Es handelt sich mithin um eine Ausnahmeregelung. Sie gibt einerseits dem Dienststellenleiter die Befugnis, bis zum Abschluß des Beteiligungsverfahrens aller Stufen und des möglicherweise sich anschließenden Verfahrens vor der Einigungsstelle vorläufige Regelungen zu treffen, soweit diese ihrem Gegenstand und ihrer Reichweite nach unabweisbar erforderlich sind, um einem vorrangigen und unaufschiebbaren Allgemeininteresse Rechnung zu tragen. Andererseits soll sie aber sicherstellen, daß die Mitbestimmung bei der endgültigen Maßnahme auch unter diesen besonderen Bedingungen gewährleistet bleibt. Sie dient also dem Schutz sowohl der Belange der Allgemeinheit als auch der Mitbestimmung der durch den Personalrat repräsentierten Beschäftigten.
Hiervon ausgehend hat es der Senat in seinem angeführten Beschluß vom 20. Juli 1984 als Voraussetzung für eine vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG bezeichnet, daß der zu regelnde Sachverhalt seinem Gegenstand nach eine einstweilige Regelung zuläßt, die weder rechtlich noch tatsächlich vollendete Tatsachen schafft. Wie der dargestellte rechtliche Zusammenhang ergibt, bezieht sich diese Feststellung – anders als die Verfahrensbeteiligten annehmen – nicht auf die tatsächlichen Auswirkungen, die der Vollzug der vorläufigen Regelung auf die Beschäftigten und den Dienstbetrieb in der Dienststelle hat. Sie soll vielmehr zum Ausdruck bringen, daß eine vorläufige Regelung, welche die beabsichtigte und umstrittene Maßnahme praktisch vorwegnimmt, regelmäßig mit dem gebotenen Schutz des Mitbestimmungsrechts des Personalrats nicht in Einklang zu bringen ist. Eine solche Regelung hätte nämlich zur Folge, daß die Mitbestimmung an der Maßnahme selbst gegenstandslos würde. Überdies entzöge sie einem Rechtsschutzgesuch des Personalrats auch für den Fall, daß das Beteiligungsverfahren förmlich durchgeführt wird, in aller Regel die Grundlage, weil der Personalrat die Gerichte in der (mittlerweile erledigten) Sache selbst nicht mehr mit Erfolg anrufen könnte, um personalvertretungsrechtliche Bedenken geltend zu machen.
Eine vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG darf daher weder dazu führen, daß die gesetzlich vorgeschriebene Mitbestimmung des Personalrats bei der endgültigen Maßnahme tatsächlich verhindert wird, noch dazu, daß hinsichtlich dieser Maßnahme kein Raum mehr für eine im Beteiligungsverfahren zu treffende modifizierte Regelung verbleibt. Das geschähe aber, wenn im Gewand der „vorläufigen Regelung” tatsächlich die endgültige Maßnahme durchgeführt und abgeschlossen würde oder wenn die vorläufige Regelung die endgültige Maßnahme derart vorprägte, daß diese nur noch in der vom Dienststellenleiter vorgesehenen Weise zu Ende geführt werden könnte. Um beides auszuschließen, muß eine nach § 69 Abs. 5 BPersVG getroffene Regelung daher sich sachlich wie zeitlich auf das unbedingt Notwendige beschränken und deshalb in aller Regel in der Sache soweit hinter der beabsichtigten endgültigen Maßnahme zurückbleiben, daß eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts möglich bleibt. Dies ergibt sich schon aus ihrer Vorläufigkeit.
Diese Grenzen der Ausgestaltung vorläufiger Regelungen dürfen allerdings ausnahmsweise dann überschritten werden, wenn nicht nur ein unverzügliches Handeln des Dienststellenleiters unabweisbar geboten ist, sondern wenn die von ihm zu ergreifende Maßnahme der Natur der Sache nach Einschränkungen nicht zuläßt (z.B. veränderte Arbeitszeitregelungen oder die Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden in Katastrophenfällen oder nach unvorhersehbaren Ereignissen, die ein sofortiges Eingreifen bestimmter Dienstkräfte erfordern). Da ein solches Vorgehen des Dienststellenleiters die Mitbestimmung des Personalrats faktisch ausschließt, kann es nur dann hingenommen werden, wenn die durch die Beteiligung des Personalrats eintretende Verzögerung zu einer Schädigung überragender Gemeinschaftsgüter oder -interessen führen würde, hinter denen der in der Mitbestimmung liegende Schutz der Beschäftigten ausnahmsweise gänzlich zurücktreten muß. Das ist nicht ohne weiteres der Fall, wenn eine vorläufige Regelung erforderlich ist, um den geordneten Dienstbetrieb in einer Dienststelle zu gewährleisten. Vielmehr wird hier in den meisten Fällen eine Regelung ausreichen, die sich in den dargestellten Grenzen hält. Anderes kann nur gelten, wenn die Fähigkeit der betreffenden Dienststelle oder mehrerer Dienststellen, ihre Aufgaben wahrzunehmen, von der vollständigen Durchführung einer bestimmten Maßnahme des Dienststellenleiters abhängt, deren Unterbleiben nicht nur die Funktionsunfähigkeit der Dienststelle nach sich zöge, sondern überragende Gemeinschaftsgüter oder – interessen in Gefahr brächte.
Für den vom Beschwerdegericht im vorliegenden Verfahren festgestellten Sachverhalt läßt sich aus diesen Grundsätzen folgendes ableiten:
Die Weigerung des Antragstellers, den Dienstplänen für den Bahnpostbegleitdienst im Geltungszeitraum des Sommerfahrplans 1984 zuzustimmen, hatte zur Folge, daß insoweit keine Dienstregelung bestand. Eine „Weiterverwendung” der auf den Winter fahrplan 1983/84 bezogenen Dienstpläne kam angesichts der bereits erwähnten Verknüpfung der gesamten Planung des Bahnpostbegleitdienstes mit dem jeweiligen Fahrplan der Deutschen Bundesbahn und den diesem Dienst vor- und nachgeschalteten anderen Postdiensten nicht ohne weiteres in Betracht, zumal die vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen bei Gelegenheit der Dienstplanänderung vorgesehene Abschaffung der Zeitzuschläge, die nicht der Mitbestimmung des Antragstellers unterlag, eine grundlegende Änderung aller Dienstpläne erforderte. Das machte es erforderlich, eine vorläufige Regelung zu treffen; denn die geregelte Fortführung des Bahnpostbegleitdienstes war, was keiner Darlegung bedarf und von den Verfahrensbeteiligten auch nicht in Zweifel gezogen wird, im Sinne des § 69 Abs. 5 BPersVG „der Natur der Sache nach unaufschiebbar”. Welchen konkreten Inhalt eine danach grundsätzlich zulässige vorläufige Regelung hätte haben dürfen, bedarf hier nicht der Prüfung; denn jedenfalls ist festzustellen, daß die Erwägungen, aus denen der Beteiligte die umstrittenen Dienstpläne zwar „vorläufig”, aber sachlich und zeitlich unbeschränkt in Kraft gesetzt hat, diese Maßnahme nicht rechtfertigten. Noch mit seiner Rechtsbeschwerde führt der Beteiligte als Grund hierfür allein das Bestreben an, die Postversorgung uneingeschränkt zu gewährleisten. Damit ist zwar dargetan, daß überhaupt eine vorläufige Regelung erforderlich war, nicht jedoch, daß sie dergestalt ergehen mußte, daß die Mitbestimmung des Antragstellers völlig ausgeschaltet wurde. Das letztere hätte vielmehr den Nachweis einer konkreten Gefährdung von Gütern oder Interessen der erwähnten Art vorausgesetzt. Wird er – wie im vorliegenden Fall – nicht geführt oder läßt er sich nicht führen, dann muß der Dienststellenleiter die Einschränkungen seiner Dispositionsfreiheit und Regelungsbefugnis hinnehmen, zu denen die vorschriftsgemäße Wahrnehmung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte durch den Personalrat führen kann. Wäre es anders, könnte der Dienststellenleiter unter Berufung auf seinen Auftrag, für die geordnete und unverzögerliche Aufgabenerfüllung der Dienststelle Sorge zu tragen, die Mitbestimmung des Personalrats und damit den in ihr verkörperten Schutz der Rechte der Beschäftigten durch den „vorläufigen”, aber vollständigen Vollzug seiner Maßnahmen faktisch weitestgehend unmöglich machen. Das aber wäre mit dem Schutzzweck des Personalvertretungsrechts unvereinbar. Daß es tatsächlich möglich ist, das Beteiligungsverfahren einschließlich des Einigungsverfahrens bei der gebotenen Beschleunigung während der relativ kurzen Zeit der Geltung des Sommerfahrplans der Deutschen Bundesbahn durchzuführen und zum Abschluß zu bringen, zeigt der Sachverhalt des beim Senat anhängigen Parallelververfahrens BVerwG 6 P 27.85.
Dem Beschwerdegericht ist nach alledem zwar darin zuzustimmen, daß die von dem Beteiligten getroffene vorläufige Regelung mit ihrem konkreten, vom Antragsteller abgelehnten Inhalt in § 69 Abs. 5 BPersVG keine Grundlage findet. Seiner im Ergebnis weitergehenden Feststellung, daß es an den Voraussetzungen für jegliche vorläufige Regelung gefehlt habe, pflichtet der Senat demgegenüber nicht bei. Sie läßt sich insbesondere nicht darauf stützen, daß das Stufenverfahren im vorliegenden Fall nach Auffassung des Beschwerdegerichts auf der Dienststellenseite nicht mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden ist.
Der vom Beschwerdegericht für seine gegenteilige Rechtsmeinung angeführte § 69 Abs. 5 Satz 2 BPersVG verpflichtet den Dienststellenleiter zwar, nach einer vorläufigen Regelung unverzüglich das Beteiligungsverfahren und, soweit erforderlich, das Stufenverfahren und das Verfahren vor der Einigungsstelle einzuleiten. Er enthält aber keine Sanktion für den Fall, daß die am Stufenverfahren beteiligten übergeordneten Behörden die Angelegenheit verzögerlich behandeln. Dem liegt offenbar die Annahme zugrunde, das Gebot der Partnerschaft und des vertrauensvollen Zusammenwirkens, von dem das Personalvertretungsrecht beherrscht wird, schließe von vornherein ein solches Verhalten aus, das mit dem Grundverständnis vom Auftrag der Personalvertretung, welches dem Bundespersonalvertretungsgesetz zugrunde liegt, unvereinbar ist.
Wird das Stufenverfahren verzögert, dann läßt sich auch durch die vom Beschwerdegericht befürwortete rückwirkende Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Regelung nichts für den Schutz der Mitbestimmung gewinnen. Soweit die beabsichtigte Maßnahme nämlich, gestützt auf die vorläufige Regelung, bereits vollzogen ist, vermag eine solche Feststellung daran nichts zu ändern. Sie könnte allenfalls in die Zukunft wirken. Auch dafür wird es indessen in aller Regel an einer rechtlichen Grundlage fehlen. Haben nämlich die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung, die die oben erläuterten Grenzen beachtet, bei deren Erlaß vorgelegen und hat sich die Sachlage seither nicht dahin geändert, daß die vorläufige Regelung nicht mehr unaufschiebbar erforderlich ist, dann fehlt es an einer rechtlichen Grundlage dafür, sie wegen des Verhaltens der Dienststellenseite im Stufenverfahren gleichwohl „strafweise” zu beseitigen.
Die Rechtsbeschwerde bleibt nach alledem im Ergebnis ohne Erfolg.
Unterschriften
Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1210609 |
DVBl. 1988, 699 |