Verfahrensgang
OVG Berlin (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 2 B 14.03) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
a) Das Oberverwaltungsgericht hat die Zulässigkeit des Schwimmhallenanbaus am Maßstab des § 34 Abs. 1 BauGB geprüft. Es hat aus der vorhandenen Bebauung eine faktische – vom Vorhaben überschrittene – hintere Baugrenze abgeleitet. Als maßgebend hierfür hat es nur die Lage der Gebäude der Hauptnutzung, nicht dagegen die der Nebennutzung, denen insoweit die maßstabbildende Kraft fehle, angesehen (UA S. 6). Hieran anknüpfend möchte die Beschwerde in einem Revisionsverfahren geklärt wissen, “ob die Zulässigkeit einer Hinterlandbebauung auf der Grundlage der dort vorhandenen baulichen Anlagen und der von diesen ausgehenden Störungen oder aber formal vor dem Hintergrund vorzunehmen ist, ob es sich bei den im Hinterland vorhandenen baulichen Anlagen um Haupt- oder Nebenanlagen handelt”. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision; sie lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass unter den Begriff der Bebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB nicht jede beliebige bauliche Anlage fällt. Gemeint sind vielmehr Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Wie der beschließende Senat bereits mehrfach entschieden hat, zählen hierzu grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 2000 – BVerwG 4 B 15.00 – BRS 63 Nr. 99 und vom 11. Juli 2002 – BVerwG 4 B 30.02 – BRS 65 Nr. 80). Untergeordnete Nebenanlagen sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juli 2004 – BVerwG 4 B 29.04 – DVBl 2004, 1308). Für das Vorliegen einer faktischen Baugrenze können untergeordnete Nebenanlagen regelmäßig schon deshalb nicht maßgebend sein, weil sie, selbst wenn die Baugrenzen in einem Bebauungsplan festgesetzt worden wären, vorbehaltlich einer abweichenden Festsetzung im Bebauungsplan gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO auch auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden könnten.
b) Die Frage, “ob Anbauten an ein Hauptgebäude, die vom Hauptgebäude aus betreten werden können, grundsätzlich als Bestandteil des Hauptgebäudes und damit nicht als Nebenanlage zu qualifizieren sind”, würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Schwimmhallenanbau unabhängig davon, dass die Schwimmhalle vom Hausinneren nur durch eine Sprossenfensterwand getrennt ist und von dort aus über eine Treppe betreten werden kann, auch deshalb nicht als Nebenanlage qualifiziert, weil das Größenverhältnis zwischen dem Wohnhaus des Klägers und dem Schwimmhallenanbau die Annahme der für Nebenanlagen charakteristischen räumlich-gegenständlichen, dem primären Nutzungszweck der Grundstücke und der Bebauung dienenden Unterordnung ausschließe (UA S. 7).
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist gegeben, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widerspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712). Das Darlegungserfordernis nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze bezeichnet wird.
a) Mit dem der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnommenen Rechtssatz, dass Nebenanlagen nur bauliche Anlagen sein können, die nicht zugleich Bestandteil des Hauptgebäudes sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 1994 – BVerwG 4 B 18.94 – NVwZ-RR 1994, 428), hat sich das Oberverwaltungsgericht nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Senats vom 28. April 2004 (BVerwG 4 C 10.03 – NVwZ 2004, 1244) gesetzt. Die Entscheidung des Senats betraf nicht – wie hier – einen Schwimmhallenanbau, sondern eine Schwimmhalle, die in deutlicher räumlicher Trennung vom Wohnhaus in einem eigenständigen Gebäude errichtet werden sollte.
b) Soweit die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Divergenz geltend macht, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade wegen der optischen Integration und Unterordnung des Schwimmhallenanbaus unter den vorhandenen Baukörper die Annahme einer Nebenanlage zwingend gewesen wäre, genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen. Es fehlt die Herausarbeitung miteinander unvereinbarer Rechtssätze.
c) Von dem Senatsbeschluss vom 13. Dezember 1995 – BVerwG 4 B 245.95 (BRS 57 Nr. 79) – ist die Vorinstanz schon deshalb nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abgewichen, weil die von der Beschwerde aus dem Senatsbeschluss zitierten Rechtssätze eine andere Rechtsvorschrift betreffen. In dem damaligen Beschluss ging es nicht um Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO, sondern um die Abgrenzung zwischen Räumen und Gebäuden im Sinne des § 13 BauNVO. Im Übrigen würde das Berufungsurteil nicht auf der Abweichung beruhen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen einer Nebenanlage – wie bereits dargelegt – selbständig tragend auch wegen der fehlenden räumlich-gegenständlichen Unterordnung des Schwimmhallenanbaus unter das Wohnhaus verneint.
d) Die Vorinstanz ist auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, wonach eine nur im Wege der Planung auffangbare Beeinträchtigung auch in Betracht kommt, wenn bei einer Hinterlandbebauung eine vorhandene Ruhelage gestört wird. Wann insoweit die bauplanungsrechtliche Relevanzschwelle im Einzelnen erreicht ist, lässt sich nach dieser Rechtsprechung nicht anhand von verallgemeinerungsfähigen Maßstäben feststellen, sondern hängt von den jeweiligen konkreten Gegebenheiten ab (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 1999 – BVerwG 4 B 15.99 – BRS 62 Nr. 101). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat die Abweisung der Klage nicht nur damit begründet, dass der Schwimmhallenanbau die sich aus der Lage der Gebäude der Hauptnutzung ergebende faktische hintere Baugrenze überschreitet, sondern anknüpfend an das Urteil des Senats vom 21. November 1980 (BVerwG 4 C 30.78 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 79) zusätzlich darauf abgestellt, dass das hier in Rede stehende konkrete Vorhaben aufgrund seiner möglichen Vorbildwirkung die städtebauliche Situation in dem Blockinnenbereich negativ in Bewegung bringe und dadurch geeignet sei, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen (UA S. 8). Die hieran in der Beschwerdebegründung geübte Kritik geht dahin, dass das Oberverwaltungsgericht die vom Senat aufgestellten Rechtssätze fehlerhaft angewendet habe. Insoweit ist das Vorbringen nicht geeignet, eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO darzulegen.
3. Schließlich greifen auch die Verfahrensrügen nicht durch.
a) Die Beschwerde rügt, dass sich das Oberverwaltungsgericht nicht mit dem Vortrag des Klägers, dass der Flurkartenauszug, in dem der Beklagte eine faktische hintere Baugrenze eingezeichnet habe, den vorhandenen Gebäudebestand nicht ansatzweise zutreffend wiedergebe, auseinander gesetzt habe. Dadurch habe das Gericht gegen § 108 Abs. 1 VwGO verstoßen und den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist das Tatsachengericht – wie die Beschwerde selbst darlegt – nur verpflichtet, sich mit dem Sachverhalt und dem Vorbringen der Beteiligten auseinander zu setzen, soweit es sich um nach seiner Rechtsauffassung erhebliche Umstände handelt. Auch aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergeben sich insoweit keine weitergehenden Pflichten. Nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts war maßgebend für das Vorliegen einer faktischen hinteren Baugrenze nur die Lage der Gebäude der Hauptnutzung, nicht dagegen die der Nebenanlagen. Die Beschwerde legt weder dar, dass die Flurkartenauszüge den Bestand nicht nur der Nebenanlagen, sondern auch der Gebäude der Hauptnutzung nicht zutreffend wiedergeben, noch dass der Kläger dies bereits in der Vorinstanz vorgetragen habe.
b) Die Beschwerde rügt weiter, dass das Berufungsgericht sich nicht mit der Tatsache auseinander gesetzt habe, dass das Schwimmbad selbständig nutzbar und ohne weiteres auch vom Garten aus zugänglich sei. Diese Umstände standen nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts einer Zuordnung der Schwimmhalle zum Hauptgebäude jedoch nicht entgegen. Die hierfür als erforderlich angesehene bauliche und funktionelle Verbindung hat es nicht nur bejaht, weil die Schwimmhalle vom Hausinnern über eine Treppe betreten werden kann, sondern auch, weil die Halle an das Wohnhaus über die gesamte Breite angebaut und vom Hausinnern nur durch eine Sprossenfensterwand getrennt ist; außerdem fehle wegen des Größenverhältnisses die räumlich-gegenständliche Unterordnung des Schwimmhallenanbaus unter das Wohnhaus (UA S. 7).
c) Die Beschwerde rügt schließlich, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers, dass das Eckgrundstück Suermondtstraße/Klarastraße fast vollständig überbaut worden sei, weder überprüft noch in seine Erwägungen einbezogen habe. Die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung ist unzulässig. Die Beschwerde legt nicht – wie dies erforderlich wäre – dar, was sich aus der Bauakte, deren Beiziehung sie angeregt hatte, für die faktische hintere Baugrenze hätte ergeben sollen. Wie sich die vordere Baugrenze historisch entwickelt hat, brauchte das Oberverwaltungsgericht nicht aufzuklären, weil es nach seiner Rechtsauffassung nur auf die hintere Baugrenze ankam. Auch die Gehörsrüge bleibt ohne Erfolg. Anhaltspunkte dafür, dass die Vorinstanz den Vortrag des Klägers zur Bebauung des genannten Grundstücks nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben könnte, sind nicht ersichtlich. Sie hat – von der Beschwerde unwidersprochen – festgestellt, dass die Häuser auf den Eckgrundstücken an der Klarastraße relativ weit an der hinteren Grundstücksgrenze liegen. Diesem Umstand hat sie jedoch keine über den faktischen Baugrenzenverlauf hinausgehende maßstabbildende Wirkung beigemessen (UA S. 6).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Philipp
Fundstellen