Tenor
Die Anhörungsrüge des Beklagten gegen das Urteil vom 23. November 2006 – BVerwG 3 C 30.05 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I
Die Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) des Beklagten richtet sich gegen das Urteil des 3. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. November 2006 – BVerwG 3 C 30.05 –. Streitgegenstand des Verfahrens war die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG.
In der Anhörungsrüge macht der Beklagte geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei vom Bundesverwaltungsgericht mehrfach verletzt worden. Fast jeder Abschnitt (Randnr.) des Urteils beruhe auf mindestens einer Verletzung dieses Anspruchs. Das Urteil insgesamt beruhe auf weiteren Verletzungen dieses Rechts. Schließlich verletze darüber hinaus das “Vorgehen” des Bundesverwaltungsgerichts den Anspruch auf rechtliches Gehör mehrfach.
Entscheidungsgründe
II
Aufgrund des Geschäftsverteilungsplans des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsjahr 2007 ist für Verfahren aus dem Sachgebiet Tierschutzrecht nunmehr der 7. Senat zuständig. Das gilt mangels einer hierauf bezogenen Übergangsregelung im Geschäftsverteilungsplan auch für Anhörungsrügen gegen Entscheidungen des bisher zuständig gewesenen Senats und für die Fortsetzung des Verfahrens nach erfolgreicher Anhörungsrüge. Zwar enthält der Geschäftsverteilungsplan auch folgende Bestimmung: “Soweit nach diesem Geschäftsverteilungsplan die Zuständigkeit für bereits anhängige Sachen auf einen anderen Senat übergeht, verbleibt es für Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgefunden hat, bei der bisherigen Zuständigkeit.” Diese Bestimmung gilt aber nicht für Verfahren, in denen aufgrund einer mündlichen Verhandlung – vor der Änderung des Geschäftsverteilungsplans – ein Urteil ergangen ist, das nunmehr mit einer Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) angegriffen wird. Von dieser Auffassung ist das Bundesverwaltungsgericht bereits bisher ausgegangen. Sie wird vom Präsidium des Gerichts ausdrücklich geteilt.
Dem Antrag, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, folgt der Senat nicht. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge ergeht durch Beschluss (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO). Der Senat macht von dem ihm gesetzlich eingeräumten Ermessen (vgl. § 101 Abs. 3 VwGO) dahingehend Gebrauch, dass von einer mündlichen Verhandlung abgesehen wird; denn zu entscheiden ist allein über die schriftlich rechtzeitig geltend gemachten Rügen (vgl. § 152a Abs. 2 VwGO), und eine Entscheidung über diese ist dem Senat ohne eine ergänzende mündliche Verhandlung möglich.
Die Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) ist unbegründet. Der Beklagte trägt zwar vor, das Bundesverwaltungsgericht habe einen großen Teil seines Vortrags nicht zur Kenntnis genommen und ernsthaft in seine Erwägungen einbezogen. In diesem Zusammenhang wendet er sich aber in erster Linie gegen die in dem angegriffenen Urteil vertretene Rechtsauffassung. Das Verfahren nach § 152a VwGO eröffnet jedoch nicht den Weg zu einer Überprüfung der dem angegriffenen Urteil zugrunde liegenden Rechtsauffassung.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Danach ist das Gericht zwar verpflichtet, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in seine Erwägungen einzubeziehen (BVerfGE 69, 233 ≪246≫). Es ist jedoch nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass das Gericht insbesondere schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, soweit nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorhanden sind (BVerfGE 51, 126 ≪129≫). Solche Anhaltspunkte fehlen hier. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
Mit dem Begriff der “Religionsgemeinschaft” im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) befasst sich das angegriffene Urteil ausdrücklich. In diesem Zusammenhang setzt es sich auch mit der Rechtsauffassung des Beklagten auseinander (vgl. UA Rn. 8). Anhaltspunkte dafür, dass weitere in diesem Zusammenhang vom Beklagten vorgetragene Argumente nicht zur Kenntnis genommen wurden, fehlen. Gleiches gilt für die Fragen, was “zwingende Vorschriften” im Sinne des § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG sind (vgl. UA Rn. 9) und welche Bedeutung die Einfügung des Tierschutzes in Art. 20a GG hat (vgl. UA Rn. 12).
Soweit die Anhörungsrüge geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht hätte in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass es – entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten – dessen neuen Tatsachenvortrag als unzulässig ansieht, wird übersehen, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil ausdrücklich offenlässt, ob der neue Vortrag zulässig gewesen ist (vgl. UA Rn. 15).
Im vorliegenden Fall ging es um einen Schlachter, dessen berufliche Tätigkeit durch die Zielsetzung gekennzeichnet ist, seine – durch eine entsprechende Glaubensüberzeugung gebundenen – Kunden mit dem Fleisch betäubungslos – und damit auch nicht kurzzeitig betäubter – geschlachteter Tiere zu versorgen (vgl. UA Rn. 12). Deshalb bestand keine Veranlassung, auf den Vortrag des Beklagten zum Schlachten kurzzeitig betäubter Tiere einzugehen.
Dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 TierSchG vorliegen, hat das Bundesverwaltungsgericht doppelt begründet. Zum einen hält das Bundesverwaltungsgericht es für ausreichend, dass der Antragsteller die maßgeblichen Umstände substantiiert und nachvollziehbar darlegt. Zum anderen sieht es diese Umstände aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hier sogar für nachgewiesen an (vgl. UA Rn. 13). Die Ausführungen zur Darlegung der maßgebenden Umstände sind damit nicht entscheidungserheblich.
Auch soweit sich das Bundesverwaltungsgericht mit Auflagen in der zu erteilenden Genehmigung befasst (UA Rn. 15), wird der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Der Kläger hat eine Ausnahmegenehmigung beantragt, um durch eine entsprechende Glaubensüberzeugung gebundene Kunden mit Fleisch geschächteter Tiere zu versorgen. Angesichts dessen ist es naheliegend, durch Auflagen in der Genehmigung sicherzustellen, dass der Kläger das betäubungslose Schlachten lediglich in dem Umfang praktiziert, wie es zur Versorgung dieser Kunden notwendig ist, und damit auszuschließen, dass auch Tiere, deren Fleisch an andere Kunden verkauft werden soll, geschächtet werden. Ein unzulässiges “Verschieben von Kernfragen des Genehmigungstatbestandes” in den Regelungsbereich der Auflagen gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG ist damit nicht verbunden (vgl. a. § 36 Abs. 1 a.E. VwVfG). Deswegen musste das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung nicht auf seine dahingehende Rechtsauffassung hinweisen.
Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht auf seine Bindung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2002 – 1 BvR 1783/99 – (BVerfGE 104, 337) eingeht, musste es sich nicht mit jedem Argument des Beklagten auseinandersetzen (UA Rn. 10 bis 12). Der Beklagte legt auch nicht dar, wieso es entscheidungserheblich gewesen sein könnte, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Bindung an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus einer analogen Anwendung von § 144 Abs. 6 VwGO und nicht aus § 31 Abs. 1 BVerfGG herleitet.
Schließlich ergibt sich aus der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Ablehnung einer Ausnahmegenehmigung zum Schächten den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt. Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 355) hat entschieden, dass dem Antragsteller die beantragte Ausnahmegenehmigung zu erteilen ist, soweit eine solche nicht aus anderen Gründen ausscheidet. Mit dem – unzutreffenden – Argument des Beklagten, die Ablehnung stehe in seinem Ermessen, musste sich das angegriffene Urteil deshalb nicht ausdrücklich befassen.
Soweit die Anhörungsrüge das “Vorgehen” des Bundesverwaltungsgerichts kritisiert, wird eine Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO). Wieso die Dauer der abschließenden Beratung des erkennenden Senats nicht ausgereicht haben soll, um neuen Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ernsthaft in Erwägung zu ziehen, wird nicht dargelegt, zumal das Urteil – wie oben ausgeführt – ausdrücklich auf den neuen Vortrag des Beklagten eingeht (UA Rn. 15).
Es entspricht ordnungsgemäßer Prozessführung, wenn ein Revisionsgericht beabsichtigt, am Tage der mündlichen Verhandlung zu entscheiden (vgl. § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass es dann aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung doch nicht zu einer abschließenden Entscheidung an diesem Tag kommt. Dass eine derartige gerichtliche Planung den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen könnte, wird nicht dargelegt und liegt überdies fern.
Selbst bei einer übermäßig langen Dauer zwischen Verkündung und Zustellung des Urteils beruht dieses nicht ohne weiteres auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Vielmehr sind – solange die 5-Monats-Grenze nicht überschritten wird – besondere Umstände erforderlich, die den Gehörsverstoß belegen. Solche Gründe sind hier nicht erkennbar. Das vollständige Urteil ist hier zweieinhalb Monate nach dessen Verkündung zugestellt worden.
Schließlich genügt die pauschale Bezugnahme auf einen Befangenheitsantrag nicht dem Darlegungsgebot des § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO.
Der nach Ablauf der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangene Schriftsatz des Beklagten vom 16. April 2007 gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Krauß, Neumann, Guttenberger
Fundstellen