Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 12.02.2004; Aktenzeichen 4 N 1181/03) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde rügt als Verfahrensverstoß, der Verwaltungsgerichtshof hätte der Frage näher nachgehen müssen, welchen Zweck die Beauftragung eines Landschaftsplaners durch die Antragsgegnerin verfolgt habe. Die damit der Sache nach erhobene Aufklärungsrüge ist jedoch nicht substantiiert dargelegt worden. Hierfür hätte ausgeführt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (stRspr). Der Vortrag der Beschwerde beschränkt sich demgegenüber darauf, der tatsächlichen Würdigung der Ereignisse durch den Verwaltungsgerichtshof ihre eigene entgegenzusetzen und daraus die von ihr für geboten gehaltenen rechtlichen Schlüsse zu ziehen. Damit kann eine Aufklärungsrüge jedoch nicht begründet werden. Nähere Darlegungen zu etwaigen Bemühungen der Antragstellerin, eine weitere Ermittlung des Sachverhalts durch das Normenkontrollgericht herbeizuführen, fehlen völlig; sie lassen sich übrigens auch der Niederschrift über die mündliche Verhandlung nicht entnehmen.
2. Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
2.1 Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig, ob eine Veränderungssperre, die den gesamten Bereich des Gemeindegebiets erfasst, der nach den Vorstellungen der Gemeinde bei der Änderung ihres Flächennutzungsplans als Potentialfläche für die Windenergienutzung in Betracht kommt, regelmäßig wegen unzureichender Konkretisierung der Planung unwirksam ist. Sie beruft sich dabei auf einen Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Januar 2004 – 1 MN 295/03 (RdL 2004, 94), der in einem Leitsatz eine derartige Regel aufgestellt habe. Damit wird indessen eine Frage, die weiterer rechtsgrundsätzlicher Klärung zugänglich wäre, nicht aufgeworfen.
Der Senat hat in seinem von der Beschwerde in anderem Zusammenhang selbst angeführten Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 4 CN 16.03 – (Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre näher umschrieben. Danach darf eine Veränderungssperre erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Auch eine Planung, bei der in einem raumordnerisch für die Windenergie vorgesehenen Gebiet Festsetzungen zugunsten von Windenergieanlagen von “Null bis Hundert” möglich sind, also alles noch offen ist, kann nicht durch eine Veränderungssperre gesichert werden. Zweck der Veränderungssperre ist es, eine bestimmte Bauleitplanung zu sichern. Sie darf nicht eingesetzt werden, um lediglich die Planungszuständigkeit, die Planungshoheit der Gemeinde zu sichern. Die bloße “Absicht zu planen” genügt nicht. Beabsichtigt eine Gemeinde, für große Teile ihres Gemeindegebiets einen Bebauungsplan aufzustellen, so kann diese Planung nicht durch eine Veränderungssperre gesichert werden, wenn die Bereiche, in denen unterschiedliche Nutzungen verwirklicht werden sollen, nicht einmal grob bezeichnet sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 4 CN 13.03 – Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Das Mindestmaß der Konkretisierung der zu sichernden Planung hängt allerdings im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls ab und ist deshalb einer revisionsgerichtlichen Klärung weitgehend entzogen. Vor diesem Hintergrund lässt die Beschwerde keine Fragen erkennen, die einer weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen. Die Frage, ob eine Veränderungssperre unter bestimmten Voraussetzungen “in der Regel” die beschriebenen Kriterien an eine hinreichend konkretisierte Planung erfüllen wird, lässt sich ohnehin nicht in allgemeingültiger Form rechtsgrundsätzlich klären.
2.2 Auch die zweite von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob es sich noch um ein Parallelverfahren im Sinne von § 8 Abs. 3 BauGB handelt, wenn zwar der Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gleichzeitig mit dem Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans gefasst wurde, dann jedoch erst das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans vollständig durchgeführt und erst im Anschluss daran das Bebauungsplanaufstellungsverfahren begonnen worden ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Nach § 8 Abs. 2 BauGB sind die Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Um die in der Praxis aufgetretenen Verzögerungen bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu vermeiden, hat der Gesetzgeber den Gemeinden überdies die Möglichkeit eingeräumt, Flächennutzungsplan und Bebauungsplan in zeitlicher und inhaltlicher Abstimmung gleichzeitig aufzustellen (Parallelverfahren) oder – unter bestimmten in § 8 Abs. 4 BauGB näher aufgeführten Gründen – sogar einen vorzeitigen Bebauungsplan aufzustellen. Vor diesem Hintergrund begegnet es unter dem Maßstab der Regelungen in § 8 BauGB keinen rechtlichen Bedenken, wenn im Rahmen eines Parallelverfahrens zunächst der Flächennutzungsplan fertiggestellt wird. In Wahrheit geht es der Beschwerde, wie ihre Begründung deutlich zeigt, nicht um die Zulässigkeit eines Parallelverfahrens als solchem, sondern um eine weitere Entwicklung von Maßstäben für die Zulässigkeit von Veränderungssperren. Es bedarf indes nicht der Vertiefung in einem Revisionsverfahren, dass eine Veränderungssperre nach dem gegenwärtig geltenden Recht nicht zur Sicherung des Inhalts eines Flächennutzungsplans verwendet werden darf. Auch insoweit zeigt die Beschwerde nicht auf, dass der vorliegende Fall Gelegenheit gäbe, die vom Senat in seinem Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 4 CN 16.03 – aufgestellten Grundsätze weiter zu entwickeln.
3. Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass die Revision wegen Divergenz zuzulassen wäre. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (stRspr). Die Beschwerde legt nicht dar, dass dies der Fall ist.
3.1 Die Beschwerde sieht eine Abweichung zum Urteil des Senats vom 18. September 2003 – BVerwG 4 CN 20.02 – (NVwZ 2004, 226; Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen). Danach kommt den Zielen der Raumordnung die Funktion zu, räumlich und sachlich die zur Verwirklichung der Grundsätze der Raumordnung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. In ihnen spiegelt sich bereits eine Abwägung zwischen den durch die Grundsätze verkörperten unterschiedlichen raumordnerischen Belangen wider. Sie sind anders als die Grundsätze der Raumordnung nicht bloß Maßstab, sondern als räumliche und sachliche Konkretisierung der Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Planungsraumes das Ergebnis landesplanerischer Abwägung. Einer weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe sind sie nicht zugänglich. Die planerischen Vorgaben, die sich ihnen entnehmen lassen, sind verbindlich. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof einen entgegengesetzten Rechtssatz aufgestellt hätte. Er legt die Zielaussage des maßgeblichen Regionalplans dahingehend aus, dass den betroffenen Gemeinden ein Konkretisierungsspielraum verbleiben solle (Urteilsabdruck S. 12). Soweit er damit Landesrecht auslegt, ist dies revisionsgerichtlich hinzunehmen. Ein derartiger Konkretisierungsspielraum ist auch nicht von vornherein mit dem bundesrechtlichen Begriff des Ziels der Raumordnung unvereinbar. Schon daraus ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof keinen entgegenstehenden Rechtsgrundsatz aufgestellt hat.
3.2 Die Beschwerde sieht ferner eine Divergenz zur Aussage des Senats im Urteil vom 19. Februar 2004 – BVerwG 4 CN 16.03 –, eine Veränderungssperre, die der Gemeinde erst die Zeit für die Entwicklung eines bestimmten Planungskonzepts geben solle, sei mangels eines beachtlichen Sicherungsbedürfnisses unwirksam. Auch insoweit stellt der Verwaltungsgerichtshof indes keinen entgegengesetzten Rechtsgrundsatz auf. Denn er setzt sich mit der Frage, ob es der Antragsgegnerin an einer positiven Planungskonzeption fehle und sie von dem Instrument der Veränderungssperre in einer missbräuchlichen Weise Gebrauch gemacht habe, näher auseinander und verneint dies unter Hinweis auf Besonderheiten des Einzelfalls (Urteilsabdruck S. 13). Dass das Normenkontrollgericht dem Zeitfaktor ebenfalls besondere Bedeutung beigemessen hat, zeigt sich auch daran, dass es ausdrücklich darauf hinweist, die Antragsgegnerin werde ihre planerische Konzeption weiter konkretisieren müssen, falls sie die Erforderlichkeit einer Verlängerung der Veränderungssperre in Betracht ziehe. Diesem Hinweis ist im Übrigen beizupflichten.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen