Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 24.09.2008; Aktenzeichen 12 B 08.1061) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. September 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Rz. 1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Rz. 2
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Dies wäre nur der Fall, wenn in der Beschwerdebegründung in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt wird, dass für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete fallübergreifende Rechtsfrage bedeutsam war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zu einer Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr; vgl. Beschluss vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Das ist nicht der Fall. Die Beschwerde legt nicht hinreichend dar, dass die von ihr aufgeworfene Frage,
“welche tatbestandlichen Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs tatsächlich zu fordern sind”,
in einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig und entscheidungserheblich wäre. An einer hinreichenden Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung fehlt es hier schon insofern, als die Beschwerde die – vom Berufungsgericht zitierte – Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage des Rechtsmissbrauchs außer Acht lässt. Anders als die Beschwerde meint, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13. Januar 1983 entschieden (BVerwG 5 C 103.80 – Buchholz 436.36 § 26 BAföG Nr. 1), dass es auch im Ausbildungsförderungsrecht die Rechtsfigur des Rechtsmissbrauchs gibt und dem Auszubildenden Vermögen weiterhin zugerechnet werden kann, das er unentgeltlich und insoweit im Einzelfall rechtsmissbräuchlich an Dritte übertragen hat (vgl. auch Urteil vom 4. September 2008 – BVerwG 5 C 12.08 – juris Rn. 15). Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und zeigt demgemäß nicht auf, inwiefern der vorliegende Fall Anlass zur erneuten und ergänzenden Klärung der angesprochenen und bereits entschiedenen Rechtsfrage geben könnte.
Rz. 3
Zudem legt die Beschwerde nicht hinreichend dar, dass die von ihr aufgeworfene Frage des Rechtsmissbrauchs in einem Revisionsverfahren überhaupt klärungsbedürftig ist. Zu dem streitigen Wertpapierverkauf vom 19. August 2002 hat das Berufungsgericht in dem angegriffenen Urteil (UA S. 11) auf der Grundlage der insoweit nicht oder jedenfalls nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen (siehe unten 3.) angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen ausgeführt, dass der Beklagte diesen Erlös – ohne dass es auf die Frage des Rechtsmissbrauchs ankäme – schon deshalb zu Recht als Vermögen der Klägerin bei der Berechnung der Höhe der Ausbildungsförderung angesetzt habe, weil eine Übertragung auf den Vater oder die Mutter nicht schlüssig dargetan sei. Hiermit setzt sich die Beschwerde im Rahmen der Grundsatzrüge nicht auseinander. Sie geht weder auf diese selbstständig tragende Erwägung ein noch zeigt sie insoweit einen Zulassungsgrund auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann aber in Fällen, in denen ein Urteil auf mehrere die Entscheidung selbstständig tragende Begründungen gestützt ist, die Revision gegen dieses Urteil nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jedes dieser Gründe ein Zulassungsgrund vorliegt (vgl. Beschlüsse vom 17. April 1985 – BVerwG 3 B 26.85 – Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53; vom 24. Mai 2007 – BVerwG 4 BN 16.07 u.a. – BauR 2007, 2041). Ebenso fehlt es im Hinblick auf die Vermögensverfügung der Klägerin vom 18. März 2002 an einer Auseinandersetzung mit der (Hilfs-)Erwägung des Berufungsgerichts, dass es auf die Frage des Rechtsmissbrauchs auch insoweit nicht ankäme, “wenn es zuträfe, dass das Geld dem Bruder nur darlehensweise überlassen worden wäre”, weil “dann der Rückforderungsanspruch aus dem Darlehen dem Vermögen der Klägerin nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG zuzurechnen” sei (UA S. 10).
Rz. 4
2. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist von der Beschwerde ebenfalls nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet worden. Dies setzt nämlich voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschlüsse vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18; vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht. Sie bezeichnet schon keine divergierenden Rechtssätze, die zu derselben, hier entscheidungserheblichen Vorschrift ergangen sind. Die von ihr zur Begründung der Divergenz allein herangezogene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Oktober 1978 – BVerwG 8 C 55.75 – BVerwGE 56, 354) verhält sich, gerade auch soweit sie den Mangel eines Antragsformulars erwähnt, zur Frage der Verletzung der “Rangfolgebestimmung des § 26 Abs. 1 Nr. 4 II. WoBauG” im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Förderung von Familienheimen. Diese Entscheidung betrifft also weder einen Fall der Rückforderung von Leistungen der Ausbildungsförderung noch bezieht sie sich überhaupt auf die hier entscheidungserhebliche Vorschrift des § 45 Abs. 2 SGB X noch ist sie – wie die Beschwerde behauptet – zu der “Parallelvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG” ergangen. Unabhängig davon macht die Beschwerde, ohne Abweichungen im rechtlichen Ansatz darzulegen, allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 45 Abs. 2 SGB X im Einzelfall geltend.
Rz. 5
3. Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnte, nicht ordnungsgemäß dargelegt. Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die von ihr aufgelisteten Verfahrensvorschriften (§ 86 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 und 2 VwGO) darin, dass es der Verwaltungsgerichtshof, der maßgeblich auf die Widersprüchlichkeit und Unschlüssigkeit des Vortrags der Klägerin abgestellt habe, versäumt habe, diese hierzu persönlich zu hören. Er habe das persönliche Erscheinen der Klägerin anordnen oder zumindest einen Hinweis (vor der mündlichen Verhandlung) geben oder die mündliche Verhandlung vertagen müssen, um der Klägerin im Hinblick auf Widersprüche und Unklarheiten ihres Vortrags nochmals Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
Rz. 6
Dieses und das weitere Vorbringen der Beschwerde zur Verletzung der genannten Verfahrensvorschriften genügt den Darlegungsanforderungen nicht. Ein Verfahrensmangel ist im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss dementsprechend nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dargelegt werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26; vom 28. Juli 2008 – BVerwG 8 B 31.08 – juris). Hier hat es der Prozessbevollmächtigte der in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht anwaltlich sowie durch ihre Eltern vertretenen Klägerin – nachdem das Berufungsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift ausdrücklich auf die Widersprüchlichkeit hingewiesen hatte – nicht unternommen, in entsprechender Weise auf die aus Sicht der Klägerin zu Unrecht unterbliebene (weitere) Sachaufklärung hinzuwirken. Es ist weder behauptet worden noch sonst erkennbar, dass der Prozessbevollmächtigte unter Aufzeigung des Aufklärungsbedarfs etwa einen Antrag auf Anhörung der Klägerin, oder auf Vertagung gestellt hätte. Zudem legt die Beschwerde nicht dar, warum sich dem Berufungsgericht auch ohne ein solches Hinwirken – zumal nachdem dieses in der mündlichen Verhandlung auf den widersprüchlichen Vortrag der Klägerin hingewiesen hatte – eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen. Dass die Verwendung der durch den Verkauf von Wertpapieren erlangten Mittel und die hierzu von der Klägerin gemachten Angaben für die Berufungsentscheidung erheblich werden könnten, musste sich der Klägerin dagegen nach der Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts aus den im Schriftsatz des Beklagten vom 19. März 2008 angeführten Gründen aufdrängen. Überdies fehlt es an einer Darlegung der Beschwerde, was die Klägerin – wenn das Berufungsgericht entsprechende Aufklärungsmaßnahmen (wie etwa das persönliche Erscheinen der Klägerin bzw. ihre Anhörung) angeordnet hätte – zur Klärung des Sachverhalts hätte beitragen können.
Rz. 7
Jedenfalls aus diesem Grund fehlt es auch an einer hinreichenden Darlegung der von der Beschwerde gerügten Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erfordert nämlich regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (Beschlüsse vom 19. März 1991 – BVerwG 9 B 56.91 – Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25; vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Hieran lässt es die Beschwerdebegründung fehlen. Sie behauptet lediglich in pauschaler Weise, die Klägerin sei selbst in der Lage gewesen, zu den einzelnen Vorgängen, die aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs unsubstantiiert und unschlüssig seien, Stellung nehmen zu können, legt aber nicht dar, was die Klägerin im Falle ihrer persönlichen Hinzuziehung überhaupt vorgetragen hätte und wie sie mit welchem weiteren Vortrag zur Klärung welcher konkreten Fragen hätte beitragen können.
Rz. 8
4. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 9
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Dr. Störmer
Fundstellen