Entscheidungsstichwort (Thema)
Militärflugplatz. Änderungsgenehmigung. aufschiebende Wirkung. Fortdauer der –. Rechtsmittelgericht. berichtigende Auslegung. Suspensiveffekt
Leitsatz (amtlich)
§ 80b Abs. 2 VwGO ist berichtigend dahin auszulegen, dass das Rechtsmittelgericht auf Antrag anordnen kann, dass die aufschiebenden Wirkung fortdauert.
Der Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO ist nicht fristgebunden; eine Frist ergibt sich auch nicht mittelbar aus dem Begriff der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung.
Normenkette
VwGO §§ 48, 80 Abs. 5, §§ 80b, 124, 124a Abs. 4, §§ 134-135; LuftVG § 6 Abs. 5 S. 2, § 10 Abs. 6, § 71 Abs. 3 S. 1
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 45 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Antragsteller begehren die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Änderungsgenehmigung zur zivilen Nutzung des ehemaligen NATO-Militärflugplatzes Memmingen zur Anlage und zum Betrieb des regionalen Verkehrsflughafens Allgäu.
Der Antragsgegner hat der Beigeladenen die genannte Änderungsgenehmigung mit Bescheid vom 9. Juli 2004 erteilt. Er hat zugleich nach folgender Maßgabe die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet:
“Die sofortige Vollziehung erstreckt sich nicht auf Durchführung von IFR-Flügen, die Verbreiterung der Rollbahnen N… und W… und die Inanspruchnahme von Flughafenflächen außerhalb der im Lageplan Maßstab M = 1 : 5 000 vom 08.01.2004 Planbeilage 4 Stand Dezember 2003 als ‘Umgriff/Planung Juli 2002’ bezeichneten Bereichs. Soweit der Bereich des ‘Umgriff/Planung Juli 2002’ (Antragsfassung 31.07.2002) über den Bereich ‘beantragten Umgriff’ der konkretisierten Planung (Antragsfassung 22.12.2003) hinausgeht, ist die Grenzlinie ‘beantragter Umgriff’ maßgeblich.”
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen die Änderungsgenehmigung durch Urteil vom 2. Dezember 2005, den Antragstellern zugestellt am 18. Januar 2006, abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Senat durch Beschluss vom 12. Dezember 2006 gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren könne zur Klärung der Frage beitragen, unter welchen Voraussetzungen die Einrichtung eines regionalen Verkehrsflughafens auf einem aus der militärischen Trägerschaft entlassenen ehemaligen Militärflugplatz einer Prüfung der Umweltverträglichkeit bedarf, insbesondere ob und inwieweit im Rahmen einer Vorprüfung des Einzelfalls eine Vorbelastung durch den früheren militärischen Flugbetrieb zu berücksichtigen ist.
Die Beigeladene beabsichtigt, am 28. Juni 2007 den regelmäßigen Flugbetrieb mit Flügen im Linien- und Charterverkehr aufzunehmen. Die örtliche Presse hat hierüber Ende Februar 2007 berichtet. Im Rahmen des genannten Verkehrs sollen täglich zwischen sechs und acht Flugbewegungen stattfinden.
Am 24. Mai 2007 haben die Antragsteller den vorliegenden Antrag gestellt. Beide Antragsteller sind Landwirte. Für das Vorhaben sollen Teile ihrer landwirtschaftlichen Flächen in Anspruch genommen werden, die für die Herstellung der erforderlichen Hindernisfreiheit benötigt werden. Bauliche Maßnahmen sind auf ihren Grundstücken – abgesehen von der Versetzung des Flughafenzauns – nicht vorgesehen.
Entscheidungsgründe
II
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Antrag, die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Anfechtungsklage gegen die Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 anzuordnen, ist gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO statthaft. Daran hat sich durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl I S. 2833, berichtigt BGBl I 2007, 691) nichts geändert.
Gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO endet die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage mit der Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels. Das Oberverwaltungsgericht kann auf Antrag anordnen, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert (§ 80b Abs. 2 VwGO). Die am 16. August 2004 erhobene Anfechtungsklage der Antragsteller gegen die Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 hatte, soweit der Beklagte nicht die sofortige Vollziehung angeordnet hat, gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Diese endete gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, d.h. am 20. Juni 2006.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben gilt gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 LuftVG für die in § 8 Abs. 1 LuftVG bezeichneten Flugplätze für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens u.a. § 10 Abs. 6 LuftVG entsprechend. Nach dieser Vorschrift hat die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung für den Bau oder die Änderung u.a. von Flughäfen keine aufschiebende Wirkung; der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung gestellt und begründet werden; § 58 VwGO gilt entsprechend; treten später Tatsachen ein, die die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen, so kann der durch den Planfeststellungsbeschluss oder die Plangenehmigung Beschwerte einen hierauf gestützten Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO innerhalb von einem Monat stellen; die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerte von den Tatsachen Kenntnis erlangt. Gemäß § 71 Abs. 3 Satz 1 LuftVG werden vor dem 17. Dezember 2006 begonnene Planungsverfahren nach den Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes in der ab dem 17. Dezember 2006 geltenden Fassung weitergeführt.
Im vorliegenden Verfahren ist § 6 Abs. 5 Satz 2 LuftVG n.F. nicht anzuwenden. Der Gesetzgeber hat für bereits anhängige Verfahren nicht nachträglich die aufschiebende Wirkung einer erhobenen Klage entfallen lassen wollen (vgl. Beschluss vom 21. Juli 1994 – BVerwG 4 VR 1.94 – BVerwGE 96, 239 ≪241≫ zu § 17 Abs. 6a FStrG). Dies zeigt das Fehlen von Übergangsvorschriften zur Geltung der Antragsfrist nach § 10 Abs. 6 Satz 2 LuftVG. Deren Notwendigkeit ist offensichtlich für Verfahren, in denen – wie hier – die Frist für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage bei Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben bereits abgelaufen war. Innerhalb welcher Frist in einem solchen Fall der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu stellen sein sollte, regelt auch § 71 Abs. 3 Satz 1 LuftVG nicht. Im vorliegenden Fall wurde die in § 10 Abs. 6 Satz 2 LuftVG enthaltene Monatsfrist zwar nicht in Lauf gesetzt, weil die Antragsteller nicht gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 58 Abs. 1 VwGO über den Rechtsbehelf belehrt worden sind. Die durch die öffentliche Bekanntmachung und Auslegung der Änderungsgenehmigung bis einschließlich 16. August 2004 in Lauf gesetzte Jahresfrist war bei Inkrafttreten des Gesetzes jedoch ebenfalls verstrichen; die Antragsteller waren auch nicht infolge höherer Gewalt an einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gehindert. Sie hatten vielmehr keinen Anlass, vor Ablauf der Jahresfrist einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen, da ihrer Anfechtungsklage bis zum 20. Juni 2006 aufschiebende Wirkung zukam; für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hätte das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt.
2. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig. § 80b Abs. 2 VwGO ist berichtigend dahin auszulegen, dass das Rechtsmittelgericht auf Antrag anordnen kann, dass die aufschiebenden Wirkung fortdauert. Wenn das Verwaltungsgericht erstinstanzlich über die Anfechtungsklage entschieden und die Berufung gemäß § 124 Abs. 1 VwGO zugelassen oder ein Beteiligter gemäß § 124a Abs. 4 VwGO die Zulassung der Berufung beantragt hat, ist Rechtsmittelgericht – dem Wortlaut des § 80b Abs. 2 VwGO entsprechend – das Oberverwaltungsgericht. Wenn den Beteiligten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gemäß § 134 VwGO unter Übergehung der Berufungsinstanz die Sprungrevision zusteht, durch Bundesgesetz die Berufung ausgeschlossen und gemäß § 135 VwGO nur die Revision zulässig ist oder gemäß § 48 VwGO das Oberverwaltungsgericht bereits im ersten Rechtszug entschieden hat, ist nicht das Oberverwaltungsgericht, sondern das Bundesverwaltungsgericht Rechtsmittelgericht. Das wurde im Gesetzgebungsverfahren offenbar übersehen.
§ 80b VwGO wurde durch das Sechste Gesetz zur Änderung der VwGO vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) eingefügt. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 13/3993, S. 4) sollte das Gericht des ersten Rechtszuges in der klageabweisenden Entscheidung anordnen können, dass die aufschiebende Wirkung fortdauert; auf Antrag sollte das Gericht der Hauptsache diese Anordnung aufheben können. Geändert wurde diese Regelung – nach Widerstand des Bundesrates gegen die Einfügung des § 80b VwGO insgesamt (BTDrucks 13/3993, S. 19) – erst im Vermittlungsverfahren (BTDrucks 13/5642). Nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses sollte nicht das Gericht des ersten Rechtszuges, sondern das Oberverwaltungsgericht, das über die Berufung oder den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Abweisung der Anfechtungsklage zu entscheiden hat, über die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung entscheiden. Das Gericht des ersten Rechtszuges hätte die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung in aller Regel schon deshalb nicht angeordnet, weil nach seiner Auffassung ein durch die aufschiebende Wirkung zu sichernder Aufhebungsanspruch nicht besteht. Ein Grund, das Oberverwaltungsgericht auch dann über die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung entscheiden zu lassen, wenn es in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage nicht befasst wird, weil die Berufung ausgeschlossen oder das Verwaltungsgericht die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen hat, ist nicht ersichtlich. Dass jedenfalls in diesen Fällen abweichend vom Wortlaut des § 80b Abs. 2 VwGO das Bundesverwaltungsgericht als Rechtsmittelgericht zuständig ist, entspricht einhelliger Auffassung (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80b Rn. 14; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 80b Rn. 7; Redeker, in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 80b Rn. 3; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Februar 1998, § 80b Rn. 43; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 80b Rn. 27). Nichts anderes kann gelten, wenn das Oberverwaltungsgericht – wie hier – gemäß § 48 VwGO im ersten Rechtszug über die Anfechtungsklage entschieden hat (so auch die genannte Literatur mit Ausnahme von Schmidt, a.a.O.). Auch in diesem Fall widerspräche die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts der im Gesetzgebungsverfahren getroffenen Grundentscheidung, dass nicht das Gericht des ersten Rechtszuges über die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage entscheiden soll. Zudem würde eine dem Wortlaut folgende Auslegung des § 80b Abs. 2 VwGO zu einer gespaltenen Zuständigkeit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes führen, wenn die Behörde – wie hier – gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung einzelner Regelungen des Verwaltungsakts angeordnet, es im Übrigen aber bei der aufschiebenden Wirkung belassen hat. Für einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wäre, wenn das Oberverwaltungsgericht der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht abgeholfen hat, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig (vgl. Beschluss vom 7. September 2005 – BVerwG 4 B 49.05 – BVerwGE 124, 201), für die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung das Oberverwaltungsgericht. Dass der Gesetzgeber eine solche Aufspaltung der Zuständigkeit und die damit einhergehende Verzögerung des einstweiligen Rechtsschutzes hat in Kauf nehmen wollen, ist nicht anzunehmen.
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen ist der Antrag zulässig, obwohl die Antragsteller ihn erst mehr als drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Dezember 2005 gestellt haben. Die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung kann gemäß § 80b Abs. 2 VwGO angeordnet werden, auch wenn die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits beendet war (so auch Redeker, a.a.O. Rn. 9; Puttler, a.a.O. Rn. 30; OVG Bremen, Beschluss vom 13. Dezember 1999 – 1 B 422/99 – NVwZ 2000, 942; VGH München, Beschluss vom 26. Oktober 2000 – 10 AS 00.2391 – juris Rn. 2; OVG Münster, Beschluss vom 29. Mai 2001 – 13 B 434/01 – DVBl 2001, 1227; a.A.: Schmidt a.a.O. Rn. 6; Schoch, a.a.O. Rn. 38; Funke-Kaiser, in: Bader, VwGO, 3. Aufl. 2005 § 80b Rn. 14). Der Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO ist nicht fristgebunden; eine Frist ergibt sich auch nicht mittelbar aus dem Begriff der Fortdauer. Anderenfalls könnte das Gericht auf einen Antrag, der zwar vor Beendigung der aufschiebenden Wirkung gestellt, über den aber erst nach deren Beendigung entschieden wird, die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung ebenfalls nicht anordnen, denn der Antrag hemmt die Beendigung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80b Abs 1 Satz 1 VwGO nicht. Wäre der Antrag nur zulässig, solange die aufschiebende Wirkung andauert, müsste er zur Vermeidung eines Rechtsverlusts im Übrigen selbst dann gestellt werden, wenn eine Vollziehung des Verwaltungsakts zu diesem Zeitpunkt nicht beabsichtigt ist. Denn eine Regelung, die erneut eine Frist in Lauf setzt, wenn später Tatsachen eintreten, die eine Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen (vgl. z.B. § 10 Abs. 6 Satz 4 und 5 LuftVG), enthält § 80b Abs. 2 VwGO nicht. Auch daraus ist zu schließen, dass der Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO ohne Einhaltung einer Frist zulässig sein soll.
4. In der Sache gelten für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über einen Antrag nach § 80b Abs. 2 VwGO die gleichen Grundsätze wie für eine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO (so auch Redeker, a.a.O., Rn. 10; Puttler, a.a.O., Rn. 32; Schmidt, a.a.O.; Schenke, a.a.O. Rn. 15). § 80b Abs. 3 VwGO ordnet die entsprechende Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO ausdrücklich an. Dass die Revision gegen die Abweisung der Anfechtungsklage zugelassen wurde, genügt für die Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung nicht. Die Zulassung der Revision lässt als solche nicht den Schluss zu, dass der durch die aufschiebende Wirkung zu sichernde Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts voraussichtlich besteht. Dass die Anfechtungsklage jedenfalls nicht rechtsmissbräuchlich erhoben wurde, ist nicht ausreichend. Der Gesetzgeber ging zwar davon aus, dass Klagen gegen belastende Verwaltungsakte zuweilen anhängig gemacht würden, um den Suspensiveffekt auszunutzen; dies war jedoch nicht der maßgebende Grund für die zeitliche Begrenzung der aufschiebenden Wirkung durch § 80b Abs. 1 VwGO (so aber OVG Bremen, Beschluss vom 13. Dezember 1999 – 1 B 422/99 – NVwZ 2000, 942; OVG Weimar, Beschluss vom 7. Januar 2004 – 2 EO 612/03 – juris Rn. 12). Leitend war vielmehr die Auffassung, dass es, wenn eine Anfechtungsklage im ersten Rechtszug nach eingehender Prüfung des Rechtsschutzbegehrens keinen Erfolg hat, in der Regel nicht gerechtfertigt sei, dass die aufschiebende Wirkung auch noch während eines eventuellen Rechtsmittelverfahrens fortdauert (BTDrucks 13/3993 S. 11 f.).
Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Antragsgegners und der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Diese Interessenbewertung besagt nichts über die Prozessaussichten, an denen sich die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Rücksicht auf ihre Funktion, den Rechtsschutz in der Hauptsache zu sichern, an sich vorrangig auszurichten hat (Beschluss vom 14. April 2005 – BVerwG 4 VR 1005.04 – BVerwGE 123, 241 ≪244≫). Die Erfolgsaussichten der von den Antragstellern erhobenen Anfechtungsklage gegen die Änderungsgenehmigung vom 9. Juli 2004 lassen sich im derzeitigen Verfahrensstadium mit Blick auf den zum 28. Juni 2007 vorgesehenen Beginn des regulären Flugbetriebs nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit beurteilen.
Aus dem Vorbringen der Antragsteller ergibt sich nicht, dass ihnen durch die Aufnahme des regulären Flugbetriebs am 28. Juni 2007 oder andere auf der Grundlage der Änderungsgenehmigung noch durchzuführende Maßnahmen der Beigeladenen irreversible Nachteile drohen. Durch die Aufnahme von IFR-Flügen werden vollendete Tatsachen zu ihren Lasten nicht geschaffen. Sollte die angefochtene Änderungsgenehmigung aufgehoben oder mit der Folge, dass sie bis zur Behebung des Mangels in einem ergänzenden Verfahren nicht vollziehbar wäre (Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – BVerwGE 100, 370 ≪372≫), für rechtswidrig erklärt werden, könnte der Flugbetrieb wieder eingestellt werden.
Die für die Durchführung von IFR-Flügen erforderlichen baulichen Veränderungen des Flugplatzes sind, da der reguläre Flugbetrieb in Kürze aufgenommen werden soll, im Wesentlichen abgeschlossen. Die Rollbahnen wurden bereits im November 2006 verbreitert, nachdem der Antragsgegner den Antrag der Beigeladenen, insoweit die sofortige Vollziehung anzuordnen, mit Bescheid vom 8. August 2006 abgelehnt hatte, weil die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage kraft Gesetzes beendet sei. Die Antragsteller hatten hiervon Kenntnis. Die Bauarbeiten für die Installation des Instrumentenlandesystems konnten auf der insoweit für sofort vollziehbar erklärten Änderungsgenehmigung durchgeführt werden.
Die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke der Antragsteller werden nur für die Herstellung der Hindernisfreiflächen benötigt. Auch hierfür sollen sie während des laufenden Revisionsverfahrens nach Angaben der Beigeladenen noch nicht in Anspruch genommen werden; insoweit sei ein Verzicht auf die Herstellung der Hindernisfreiheit zeitlich beschränkt zugelassen worden. Den Sicherheitszaun wird die Beigeladene nach ihren Angaben vorerst in 2 m Abstand zu den nicht in Anspruch genommenen Grundstücken auf eigenem Grund errichten. Sollte die Beigeladene die Grundstücksgrenzen unrichtig vermessen haben – konkrete Anhaltspunkte hierfür haben die Antragsteller nicht aufgezeigt – könnte der Sicherheitszaun jederzeit versetzt werden. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Sicherheitszaun nach der Änderungsgenehmigung in 150 m oder 170 m Abstand zur Achse der Start- und Landebahn zu errichten ist, hat für den durch die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage zu sichernden Anspruch auf Aufhebung der Änderungsgenehmigung keine Bedeutung.
Soweit sich die Antragsteller gegen die Durchtrennung landwirtschaftlicher “Anwandwege” wenden, haben sie nicht geltend gemacht, dass die Erreichbarkeit der von ihnen bewirtschafteten Flächen unzumutbar erschwert wird und nicht auf andere Weise wieder hergestellt werden kann.
Ob die Aufnahme des Flugbetriebs, wie die Antragsteller vortragen, den Bau einer neuen Straße zur Erschließung des südlichen Teils des ehemaligen Flughafengeländes und die Anlegung weiterer Parkplätze erfordert, kann dahinstehen. Diese Maßnahmen sind nicht Gegenstand der angefochtenen Änderungsgenehmigung; über ihre Zulassung müsste in einem gesonderten Verfahren entschieden werden.
Die Behauptung der Antragsteller, dass die Beigeladene, um Flächen für Parkplätze zu schaffen, vorhandene Lärmschutzhallen beseitige, kann dem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Sollte die Beigeladene auf der Grundlage der Änderungsgenehmigung verpflichtet sein, die vorhandenen Lärmschutzhallen zu erhalten, wäre deren Beseitigung zwar genehmigungswidrig; die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsgenehmigung bliebe hiervon jedoch unberührt. Sollte die Beigeladene auf der Grundlage der Änderungsgenehmigung nicht verpflichtet sein, die vorhandenen Lärmschutzhallen zu erhalten, wären die Hallen aber erforderlich, um die Anwohner vor unzumutbarem Lärm durch Triebwerksprobeläufe zu schützen, würde auch dies nicht zur Aufhebung der Änderungsgenehmigung, sondern allenfalls zu einem Anspruch auf Ergänzung der Genehmigung führen. Ein auf Genehmigungsergänzung gerichteter Verpflichtungsantrag könnte durch Anordnung der Fortdauer der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5, § 80b Abs. 2 VwGO nicht gesichert werden. Im Übrigen haben die Antragsteller im Hauptsacheverfahren einen Verpflichtungsantrag nicht gestellt. Dass sie an ihrem Wohnsitz in Ungerhausen von den Triebwerksprobeläufen betroffen sein werden, machen sie selbst nicht geltend.
Die Antragsteller haben schließlich nicht dargelegt, dass der genehmigte Flugbetrieb ihre Sicherheit gefährden könnte. Dass die luftverkehrsrechtlich genehmigten Anlagen Sicherheitsmängel aufweisen, machen die Antragsteller nicht geltend. Sie verweisen auf zwei Zwischenfälle mit Kleinflugzeugen, bei denen nach ihrer Einschätzung die Flughafenfeuerwehr nicht hinreichend einsatzfähig war. Nach der Änderungsgenehmigung gelten für die Ausstattung des Flugplatzes mit Rettungsfahrzeugen und -kräften die ICAO-Richtlinien Annex 14 und die “Gemeinsame Empfehlung des Bundes und der Länder für Feuerlösch- und technisches Rettungswesen auf Regionalverkehrsflughäfen und Verkehrslandeplätzen mit Linien- und/oder Pauschalflugverkehr” (A.I.8.1). Den Vollzug dieser Auflage zu kontrollieren, ist Aufgabe der Luftaufsicht. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsgenehmigung bleibt hiervon unberührt.
Der Antragsgegner und die Beigeladene haben demgegenüber ein berechtigtes Interesse daran, dass der reguläre Flugbetrieb auf dem Flugplatz der Beigeladene bereits vor einer abschließenden Entscheidung über die Anfechtungsklage der Antragsteller aufgenommen werden kann. Sie haben mit erheblichem finanziellem und personellem Aufwand die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der ehemalige Militärflugplatz Memmingen als regionaler Verkehrsflughafen betrieben werden kann. Dieser Aufwand bliebe jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ohne Ertrag. Außerdem hat die Beigeladene auf der Grundlage der vollziehbaren Änderungsgenehmigung bereits im Februar 2007 angekündigt, am 28. Juni 2007 den regulären Flugbetrieb aufnehmen zu wollen. Seither werben die Luftverkehrsgesellschaften und Reiseveranstalter für das Flugangebot und verkaufen Flugtickets. Würde der Flugbetrieb abgesagt, müssten die geschlossenen Verträge rückabgewickelt werden. Die damit verbundenen Nachteile werden umso größer, je später die Absage erfolgt. Gegenüber den Antragstellern haben die mit der Rückabwicklung verbundenen Nachteile besonderes Gewicht, denn es ist nicht zu erkennen, warum die Antragsteller den vorliegenden Antrag erst wenige Wochen vor dem seit längerem angekündigten Termin für die Aufnahme des Flugbetriebs gestellt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertentscheidung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Gatz, Dr. Philipp
Fundstellen
BVerwGE 2008, 58 |
BauR 2008, 78 |
VR 2007, 358 |
BayVBl. 2007, 662 |
GV/RP 2009, 70 |
KommP BY 2007, 347 |