Verfahrensgang
Hessischer VGH (Beschluss vom 02.08.2012; Aktenzeichen 27 F 96/11) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beklagten und des Beigeladenen zu 3 wird der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. August 2012 geändert. Ziffer 2 des Entscheidungsausspruchs wird aufgehoben. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 3 tragen je ¼ der Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Klägers. Der Kläger trägt je die Hälfte der Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Beklagten und des Beigeladenen zu 3. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Kläger begehrt mit dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Verfahren auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) Einsicht in Unterlagen der beklagten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die im Rahmen der Aufsicht über drei Finanzdienstleistungsunternehmen angefallen sind; eine der Gesellschaften ist zwischenzeitlich im Handelsregister gelöscht, über das Vermögen der beiden anderen ist das Konkursverfahren nach österreichischem Recht eröffnet worden.
Rz. 2
Mit Beschluss vom 12. August 2010, ergänzt durch Beschluss vom 18. Oktober 2010, forderte der Verwaltungsgerichtshof als Gericht der Hauptsache im Berufungsverfahren die Beklagte auf, im Einzelnen benannte Unterlagen vorzulegen. Da der Informationszugangsanspruch nicht bereits an anderen Bestimmungen – wie insbesondere § 3 Nr. 1 Buchst. d IFG oder § 7 Abs. 2 IFG – scheitere, komme es entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte sich zu Recht auf den Weigerungsgrund nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 9 KWG bzw. § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG berufen könne. Diese Vorschriften erfassten über die beispielhaft genannten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinaus auch personenbezogene Daten und enthielten somit eine § 5 und § 6 Satz 2 IFG verdrängende Spezialregelung. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der drei Gesellschaften unterlägen allerdings nicht mehr der Verschwiegenheitspflicht; denn eine sei bereits im Handelsregister gelöscht, und für die anderen hätten sowohl der Konkursverwalter als auch die Vorstände in eine Akteneinsicht eingewilligt bzw. Einwände gegen die Informationsweitergabe nicht erhoben.
Rz. 3
Daraufhin gab der Beigeladene zu 3 als oberste Aufsichtsbehörde unter dem 9. Dezember 2010 eine Sperrerklärung bezüglich der angeforderten Unterlagen ab. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der gesperrten Akten gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergebe sich primär aus § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG, § 9 Abs. 1 KWG und § 5b InvG als gesetzliche Verschwiegenheitspflichten und daneben aus dem Wesen der begehrten Information selbst. Die vorzulegenden Unterlagen enthielten Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Unternehmen und/oder dritter Personen liege, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten. Der Verschwiegenheitsschutz zu Gunsten des Unternehmens entfalle weder deswegen, weil der Konkursverwalter keine Einwendungen gegen die Informationsweitergabe erhoben habe noch deswegen, weil ein Verdacht von Rechtsverstößen bestehe. Die Geheimhaltungsbedürftigkeit folge teilweise auch aus dem Umstand, dass die Informationen vertraulich übermittelt worden seien. Die Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung führe zur Sperrung der Akten. Gewichtige – grundrechtlich geschützte – private sowie öffentliche Geheimhaltungsinteressen sprächen gegen eine Preisgabe der gesperrten Aktenteile. Bei der Würdigung der rechtsschutzverkürzenden Wirkung der Nichtvorlage der geheim zu haltenden Aktenteile sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen des Zwischenverfahrens wegen teilweiser Überschneidung der Prüfungsgegenstände die Möglichkeit habe, eine gerichtliche Überprüfung der Voraussetzungen des § 8 WpHG/§ 9 KWG zu erreichen.
Rz. 4
Mit Beschluss vom 2. August 2012 hat der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs den Antrag des Klägers im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO insoweit abgelehnt, als er festgestellt hat, dass die Verweigerung der Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen wegen des Schutzes personenbezogener Daten insgesamt rechtmäßig sei. Bezüglich weiterer Unterlagen sei die Verweigerung der Nennung schutzwürdiger Daten Dritter rechtmäßig; sie sei durch Schwärzung zu gewährleisten. Hierunter fielen nur Daten, die juristischen oder natürlichen Personen zuzuordnen seien, die nicht Mitarbeiter der beteiligten Behörden oder der beigeladenen (insolventen) Firmen seien bzw. gewesen seien. Franchisenehmer, Vertreter oder ähnliche Personen, die für diese Firmen selbstständig tätig geworden seien, gälten als Dritte im Sinne dieser Regelung. Im Übrigen hat er festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage der begehrten Unterlagen rechtswidrig sei. Zur Begründung hat er ausgeführt: In der Sperrerklärung seien nur teilweise Tatbestandsmerkmale, die die Verweigerung der Vorlage zuließen, in der erforderlichen Weise substantiiert dargelegt. Die Unterlagen seien nicht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO nach einem Gesetz geheim zu halten. Die in § 9 Abs. 1 KWG, § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG und § 5b InvG angeordnete Verschwiegenheitspflicht erfülle diese Voraussetzung nicht. Personenbezogene Informationen über Dritte und Geschäftsgeheimnisse seien zwar grundsätzlich ihrem Wesen nach geheim zu halten. Allerdings werde ein insbesondere nach Eröffnung des Konkursverfahrens fortbestehendes Interesse an der Geheimhaltung betriebsinterner Vorgänge nicht dargelegt. Die Durchsicht der Unterlagen ergebe indessen, dass darin schützenswerte Daten Dritter enthalten seien. Nur bei einem Teil der Unterlagen könne das berechtigte Geheimhaltungsbedürfnis schon durch eine Schwärzung der Namen oder sonstiger personenbezogener Hinweise effektiv gewährleistet werden. Nicht schützenswert seien jedoch mangels besonderer, die Geheimhaltungsbedürftigkeit begründender Umstände die Namen von Behördenmitarbeitern oder die Namen der direkten Mitarbeiter der betroffenen Firmen. Hinsichtlich der schützenswerten Daten seien die Ermessenserwägungen wegen des Verweises auf die fachgesetzlichen Geheimhaltungsvorschriften zwar fehlerhaft. Dies sei jedoch unbeachtlich, da das Ermessen wegen des Schutzes der Grundrechte Dritter aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebunden sei.
Rz. 5
Hiergegen wenden sich die Beschwerden der Beklagten und des Beigeladenen zu 3.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 6
Die zulässigen Beschwerden, mit denen die Beschwerdeführer sich lediglich insoweit gegen den angefochtenen Beschluss wenden, als darin den Daten von Mitarbeitern am Verwaltungsverfahren beteiligter Behörden, von Mitarbeitern der beteiligten (insolventen) Firmen und von sonstigen Dritten der Schutz versagt wird, sind nur zum Teil begründet.
Rz. 7
Auf den zulässigen Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO hat der Verwaltungsgerichtshof bei seinen verbindlichen Vorgaben für die Vornahme von Schwärzungen zum Schutz der Belange Dritter einen unzutreffenden, bei personenbezogenen Daten zu engen rechtlichen Maßstab angelegt. Insoweit können die Beschwerdeführer eine Änderung des angefochtenen Beschlusses verlangen (1.). Ohne Erfolg begehren sie jedoch, die Teilablehnung des Antrags in Ziffer 2 des Entscheidungsausspruchs auch auf weitere Unterlagen zu erstrecken. In dieser Hinsicht war der Entscheidungsausspruch zu korrigieren (2.).
Rz. 8
1. Der Verwaltungsgerichtshof ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass die Weigerung, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, nicht auf § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO in Verbindung mit § 9 Abs. 1 KWG und § 8 Abs. 1 WpHG gestützt werden kann (stRspr, Beschlüsse vom 23. Juni 2011 – BVerwG 20 F 21.10 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 64 Rn. 10 ff. und zuletzt vom 5. April 2013 – BVerwG 20 F 4.12 – juris Rn. 9 m.w.N.). Nichts anderes gilt für die Verschwiegenheitspflicht nach § 5b des Investmentgesetzes – InvG –, der auf § 9 KWG verweist. Schutzwürdigen Belangen Betroffener ist vielmehr im Rahmen des Weigerungsgrundes der wesensmäßigen Geheimhaltungsbedürftigkeit (§ 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO) Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03 u.a. – BVerfGE 115, 205 ≪241≫), den die Sperrerklärung ebenfalls in Anspruch nimmt. Hierzu zählen neben Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auch die durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten personenbezogenen Daten Dritter (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 10. Januar 2012 – BVerwG 20 F 1.11 – AfP 2012, 298 Rn. 25 und vom 6. April 2011 – BVerwG 20 F 20.10 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 63 Rn. 12). Hierunter sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zu verstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u.a. – BVerfGE 65, 1 ≪42≫; siehe auch § 3 Abs. 1 BDSG). Soweit der Verwaltungsgerichtshof bei der Erläuterung des Begriffs der “schutzwürdigen Daten Dritter” auch auf juristische Personen Bezug nimmt, ist der Schutz personenbezogener Daten demnach nur dann einschlägig, wenn diese Ausführungen so zu verstehen sind, dass die Daten in erster Linie natürliche Personen betreffen und nur in dieser Weise vermittelt auch einer juristischen Person zuzuordnen sind. Ansonsten kann sich eine juristische Person allein auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen.
Rz. 9
Zu beanstanden ist hingegen, dass der Verwaltungsgerichtshof, der insoweit der Sache nach einen Bescheidungstenor formuliert hat, den personenbezogenen Daten von Mitarbeitern bei Behörden und bei der Aufsicht der Beklagten unterliegenden Unternehmen den Schutz versagt.
Rz. 10
Personenbezogene Angaben wie Namen, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummern und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten.
Rz. 11
Allerdings kann es an der Schutzwürdigkeit solcher Angaben fehlen, etwa wenn die Daten schon anderweitig öffentlich bekannt sind, was insbesondere bei den Namen von in herausgehobener Stellung Beschäftigten in Betracht kommt, oder wenn die Daten in allgemein zugänglichen Quellen – wie etwa in öffentlichen Registern oder in der Presse – erwähnt wurden oder – wie Informationsmaterial und werbende Prospekte von Unternehmen – anderweitig an eine breite Öffentlichkeit gerichtet waren. Indessen bleibt gegebenenfalls zu prüfen, ob sich gerade aus dem Zusammenhang, in den die betreffenden Daten in den vorzulegenden Akten gestellt sind, Hinweise auf eine gleichwohl gegebene Schutzwürdigkeit ergeben (vgl. Beschlüsse vom 19. April 2010 – BVerwG 20 F 13.09 – BVerwGE 136, 345 Rn. 22 und vom 10. Januar 2012 a.a.O. Rn. 34).
Rz. 12
Die Schutz- und Geheimhaltungsbedürftigkeit schutzwürdiger Angaben bestimmt sich nach einer Abwägung mit den entgegenstehenden Informationsinteressen. Dabei ist insbesondere der Bezug der am Gerichtsverfahren Beteiligten zu dem betreffenden Aktenbestand von Bedeutung. Beziehen sich die Akten auf ein die Rechte und Interessen des Beteiligten betreffendes Verwaltungsverfahren und wird hierüber im gerichtlichen Verfahren gestritten, so besteht ein besonders gewichtiges Interesse, dass die Akten im Verwaltungsprozess im Original und ohne Schwärzung von Namen vorgelegt werden. Ausnahmen bedürfen dann einer besonderen Rechtfertigung.
Rz. 13
Diese spezifische Nähe zu den in den Verwaltungsakten dokumentierten Vorgängen fehlt demgegenüber im Allgemeinen bei den voraussetzungslosen Informationszugangsansprüchen, so dass hier die Vermutung für ein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der personenbezogenen Daten der Behördenmitarbeiter und um so mehr hinsichtlich der Mitarbeiter der beaufsichtigten Unternehmen streitet (siehe Beschlüsse vom 23. Juni 2011 – BVerwG 20 F 21.10 – NVwZ 2012, 112 Rn. 22 ≪insoweit in Buchholz nicht veröffentlicht≫, vom 25. April 2012 – BVerwG 20 F 6.11 – juris Rn. 12 und vom 12. April 2013 – BVerwG 20 F 6.12 – juris Rn. 15). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Zugangsanspruch, wie in der Regel anzunehmen, sich auf die in den Akten enthaltenen Sachinformationen konzentriert. Allerdings kann sich ein gesteigertes Interesse gerade auch auf die für die Behörde handelnden Personen richten. Dafür ist hier nichts ersichtlich; vielmehr macht der Kläger sich in der Beschwerdeerwiderung die oben genannte Rechtsprechung zu eigen.
Rz. 14
2. Im Anschluss an den Verwaltungsgerichtshof, der bei schutzwürdigen personenbezogenen Daten insoweit die Rechtmäßigkeit der Vorlageverweigerung festgestellt und den Antrag insoweit abgelehnt hat, begehren die Beschwerdeführer eine solche Entscheidung auch bezüglich solcher Unterlagen, bei denen der Verwaltungsgerichtshof die Schutzwürdigkeit verneint hat.
Rz. 15
Dieser Antrag kann keinen Erfolg haben, denn er überschreitet das Prüfprogramm des Fachsenats. Folglich ist der angefochtene Beschluss in Ziffer 2 des Entscheidungsausspruchs ungeachtet der insoweit fehlenden Beschwer der Beschwerdeführer von Amts wegen abzuändern. Die Sperrerklärung wird im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO in der Gestalt überprüft, die sie von der obersten Aufsichtsbehörde erhalten hat. Es ist nicht Aufgabe des Fachsenats, die Rechtmäßigkeit einer möglichen Ausgestaltung der Sperrerklärung vorab festzustellen. Vielmehr hat die oberste Aufsichtsbehörde auch insoweit der Abgabe einer Sperrerklärung unter Würdigung entgegenstehender Rechtspositionen eine Ermessensentscheidung zu treffen. Fehlt es an dieser, ist auf Antrag die Rechtswidrigkeit der Vorlageverweigerung festzustellen (Beschluss vom 5. April 2013 – BVerwG 20 F 7.12 – juris Rn. 11).
Rz. 16
Der Schutz personenbezogener Daten kann zwar über eine (Teil-)Schwärzung hinaus auch die Verweigerung der Vorlage von Unterlagen rechtfertigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Schutz der geheim zu haltenden Daten nur um den Preis der Offenlegung eines letztlich inhaltsleeren und nichtssagenden Restbestandes geleistet werden könnte. Eine Schwärzung, die aber lediglich Seiten ohne Informationsgehalt und demnach nichts Verwertbares übrig lässt oder zu einer Verfälschung des Aussagegehalts und damit zu Missverständnissen führt, muss nicht in Erwägung gezogen werden (Beschluss vom 5. April 2013 – BVerwG 20 F 7.12 – juris Rn. 10). Dass eine solche Bewertung – über die vom Verwaltungsgerichtshof in Ziffer 1 des Entscheidungsausspruchs aufgeführten Unterlagen hinaus – bei den vom Beschwerdeantrag erfassten Aktenteilen in Betracht kommt, behaupten aber auch die Beschwerdeführer nicht.
Rz. 17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO und § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Neumann, Dr. Bumke, Brandt
Fundstellen
Haufe-Index 4808676 |
ZIP 2014, 442 |
GWR 2013, 443 |
ZBB 2014, 151 |