Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel. Überzeugungsgrundsatz. aktenwidrige Entscheidung. Pflegeheim. Altenpflegeheim. Investition. Investitionsförderung. Schuldendienstförderung. Subvention. “alte Last”. Pflege-Investitionshilfeprogramm Ost. maßgebliche Sach- und Rechtslage. Haushaltsplan. Haushaltsmittel. Richtlinien. Verwaltungsvorschriften. Härtefall
Leitsatz (amtlich)
Das Gericht ist verpflichtet, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das gilt auch für Erkenntnisquellen zur Gesetzgebungsgeschichte wie Parlamentsdrucksachen.
Wird eine Subvention durch Gesetz geregelt, so bestimmt sich die in einem Streitfall maßgebliche Sach- und Rechtslage nach diesem Gesetz.
Dem Begehren, eine Subvention zu gewähren, die gesetzlich geregelt ist, kann das Fehlen oder der Wegfall einer verwaltungsinternen Durchführungsvorschrift nicht entgegengehalten werden.
Stellt das Gesetz die Subventionsgewährung in das Ermessen der Verwaltung, so ist der bloße Verweis auf fehlende Haushaltsmittel nur dann eine zulässige Ermessensausübung, wenn dies dem Zweck der im Subventionsgesetz enthaltenen Ermächtigung entspricht. Stellt das Gesetz den Subventionsanspruch unter einen Haushaltsvorbehalt, so wird damit dem Haushaltsgesetzgeber regelmäßig nur die Befugnis eingeräumt, den finanziellen Rahmen der Förderung zu konkretisieren, ihre näheren Modalitäten insbesondere in zeitlicher Hinsicht festzulegen und die Förderung so mit den anderen öffentlichen Ausgaben zu koordinieren.
Normenkette
VwGO § 108; HGrG § 3; BHO/LHO §§ 3, 23; PflegeVG Art. 52; SGB XI §§ 9, 82; PflegeV-AG Sachsen-Anhalt §§ 7, 8 Abs. 3
Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 05.09.2007; Aktenzeichen 3 L 193/04) |
VG Halle (Saale) (Entscheidung vom 25.02.2004; Aktenzeichen 1 A 83/01 HAL) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. September 2007 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 906 138,24 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin betreibt in Halle/Saale eine Altenpflegeeinrichtung. Das Heim wurde in den Jahren 1993 bis 1996 vollständig renoviert. Zu den Gesamtbaukosten von 21,2 Mio. DM erhielt die Klägerin Zuschüsse des beklagten Landes und der Stadt in Gesamthöhe von 11,7 Mio. DM; im Übrigen nahm sie Kredite in Gesamthöhe von 8,4 Mio. DM auf, für die sie ab 1996 jährlich 637 900 DM an Zins und Tilgung aufwenden musste.
Art. 52 des Pflegeversicherungsgesetzes – PflegeVG – vom 26. Mai 1994 (BGBl I S. 1014) sah vor, dass Investitionen von Pflegeeinrichtungen im Beitrittsgebiet in den Jahren 1995 bis 2002 vollständig aus öffentlichen Mitteln gefördert werden; die betroffenen Länder konnten in die Förderung Maßnahmen einbeziehen, die nach dem 1. Juni 1994 begonnen wurden. Zur Umsetzung erließ das Land Sachsen-Anhalt das Ausführungsgesetz zum Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeV-AG – vom 7. August 1996 (GVBl LSA S. 254), geändert durch Art. 3 des Haushaltsbegleitgesetzes 1997 vom 17. Dezember 1996 (GVBl LSA S. 416). Mit Blick auf bereits vor dem 1. Juni 1994 begonnene Investitionsmaßnahmen (sog. “alte Last”) bestimmte § 8 Abs. 3 PflegeV-AG, dass das Land die Erfüllung von Verbindlichkeiten fördern kann, die zu Herstellungszwecken eingegangen wurden. Hierzu ergingen Ausführungsrichtlinien vom 20. April 1999 (MinBl LSA S. 608); in den Haushaltsplan 1999 wurden 11,5 Mio. DM an Barmitteln und 25 Mio. DM als Verpflichtungsermächtigungen eingestellt.
Mit Schreiben vom 25. Juni 1999 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Zins- und Tilgungshilfe. Das lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Januar 2001 ab, nachdem die Ausführungsrichtlinien mit Wirkung vom 19. Dezember 2000 aufgehoben (MinBl LSA S. 1377) und in die Haushaltspläne ab 2000 keine Mittel für die Förderung der “alten Last” mehr eingestellt worden waren. Das Verwaltungsgericht hat den Versagungsbescheid aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht.
1. Das Berufungsurteil beruht auf einem Verfahrensfehler, was die Klägerin mit Recht rügt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil tragende tatsächliche Feststellungen unter Verletzung von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO getroffen.
Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gericht ist hiernach verpflichtet, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen (vgl. Urteil vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338 ≪339 f.≫ = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145). Die Vorschrift ist verletzt, wenn das Gericht seiner Überzeugung einen “aktenwidrigen” Sachverhalt zugrunde legt. Das ist der Fall, wenn zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt zweifelsfrei ein Widerspruch besteht (Beschluss vom 19. November 1997 – BVerwG 4 B 182.97 – Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1).
So liegt es hier. Das Verwaltungsgericht hatte den Versagungsbescheid des Beklagten aufgehoben, weil dieser sein Ermessen nicht betätigt hatte. Mit seiner Berufung hatte der Beklagte vor allem geltend gemacht, sein Ermessen sei ohnehin nur für den Fall eröffnet gewesen, dass die Pflegeeinrichtung ohne die begehrte Förderung der “alten Last” in wirtschaftliche Bedrängnis geriete; das sei aber weder beim Pflegeheim der Klägerin noch bei anderen vergleichbaren Pflegeeinrichtungen der Fall gewesen, da sie durchgängig vollständig ausgelastet gewesen seien und ihre durch Subventionen nicht gedeckten Investitionskosten daher auf die Heimbewohner hätten abwälzen können (vgl. § 82 Abs. 4 SGB XI). Das Berufungsgericht hat dies zurückgewiesen, weil für eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Förderermächtigung auf bloße Härtefälle keinerlei Anhaltspunkt ersichtlich sei. Diese Sachwürdigung hat es – methodisch einwandfrei – vor allem auf den Wortlaut und den aus den Materialien erkennbaren Zweck des § 8 Abs. 3 PflegeV-AG gestützt. Dabei hat es die Begründung des Gesetzesentwurfs (LTDrucks 2/1881 S. 13, 14, 21 f.) teilweise wörtlich wiedergegeben. Das wörtliche Zitat der für den Gesetzeszweck maßgeblichen Passage aus dem Allgemeinen Teil der Entwurfsbegründung (OVG-Urteil S. 11) ist jedoch unvollständig. Es bricht genau vor denjenigen Sätzen ab, auf welche sich der Beklagte für seine Auslegung gerade berufen hatte und welche lauten:
“Das PflegeV-AG enthält zu diesem Themenkreis eine Bestimmung, wonach die ‘alte Last’ im Einzelfall gefördert werden kann. Im Landeshaushalt 1996 ist hierzu eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 50 Mio. DM ausgebracht (…). Mit den entsprechenden Mitteln soll in besonderen Härtefällen der Kapitaldienst durch das Land bedient oder abgelöst werden.” (LTDrucks 2/1881 S. 13, Hervorhebungen nicht im Original)
Ebenso liegt es hinsichtlich der Einzelbegründung zur Titelgruppe 76 des Kapitels 0509 des Haushaltsplans 1996, auf den die Gesetzesbegründung Bezug nimmt und aus der das Berufungsgericht wiederum nur unvollständig wörtlich zitiert (OVG-Urteil S. 11 f.). Erneut fehlt genau derjenige Satz, auf den der Beklagte sein Berufungsvorbringen gerade gestützt hatte und welcher lautet:
“Daher soll in besonderen Härtefällen der Kapitaldienst durch das Land bedient oder abgelöst werden.” (Hervorhebung nicht im Original)
Mit diesem Akteninhalt steht die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts, für die einschränkende Auslegung des Gesetzes im Sinne einer Ermächtigung zur Förderung nur in Härtefällen gebe es “nirgendwo Anhaltspunkte” (OVG-Urteil S. 10), in offensichtlichem Widerspruch.
Das Berufungsurteil beruht auch hierauf. Zwar weist das Berufungsgericht die Auffassung des Beklagten, die begehrte Förderung sei zwingend zu versagen gewesen, vorab deswegen zurück, weil ihm “bereits eine unzulässige retrospektive Betrachtung der Entwicklung der Pflegeeinrichtungen seit dem Jahr 1999 zugrunde(liege)” (OVG-Urteil S. 9). Dieser Gedanke betrifft jedoch noch nicht die Frage einer einschränkenden Auslegung der gesetzlichen Förderermächtigung; damit befassen sich – selbstständig tragend – erst die nachstehenden Ausführungen, welche den erwähnten offensichtlichen Widerspruch zum Akteninhalt aufweisen. Wenn das Berufungsgericht diese Ausführungen mit dem Wort “zudem” anschließt, kennzeichnet das daher nicht lediglich eine Hilfserwägung.
Die Einwände der Klägerin in ihrer Beschwerdeerwiderung führen zu keiner anderen Beurteilung. Die Klägerin meint zum einen, das selektive Zitat aus den Gesetzesmaterialien betreffe keine tatsächlichen Feststellungen, sondern die rechtliche Würdigung. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Landtagsdrucksachen sind Urkunden über historische Tatsachen. Die Ermittlung ihres Inhalts ist eine tatsächliche Feststellung; das kann – besonders bei unklarer oder widersprüchlicher Quellenlage – eine Interpretation der Quellen im Sinne einer Beweiswürdigung einschließen. Hiervon zu unterscheiden ist die weitere Frage, welche Schlüsse aus der Gesetzgebungsgeschichte für die Auslegung des Gesetzes zu ziehen sind; nur dies betrifft die rechtliche Würdigung. Zum anderen verweist die Klägerin auf den Beschluss des Berufungsgerichts vom 14. Dezember 2007, mit dem es einen Antrag des Beklagten auf Tatbestandsberichtigung abgelehnt hatte. Dieser Beschluss vermag indes den Vorwurf einer nur selektiven Auswertung der Gesetzesmaterialien nicht zu entkräften.
2. Der Senat macht von seinem durch § 133 Abs. 6 VwGO eröffneten Ermessen dahin Gebrauch, dass er das angefochtene Urteil durch Beschluss aufhebt und den Rechtsstreit an das Oberverwaltungsgericht zurückverweist. Ein Anlass zur Durchführung eines Revisionsverfahrens besteht nicht. Namentlich liegt keiner der übrigen vom Beklagten geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision vor.
a) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung – hier Juni 1999 – zugrunde gelegt. Hierzu ist es von der ständigen und auch vom Beklagten nicht bezweifelten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgegangen, dass für die Entscheidung des Gerichts diejenigen Rechtsvorschriften maßgeblich sind, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen, dass aber diese Rechtsvorschriften ihrerseits auf früheres – d.h. außer Kraft getretenes – Recht verweisen und dieses für anwendbar erklären können (Urteile vom 3. November 1994 – BVerwG 3 C 17.92 – BVerwGE 97, 79 ≪82≫ = Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 1 S. 3 und vom 18. Juli 2002 – BVerwG 3 C 54.01 – Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 103 S. 2 = NVwZ 2003, 92). Hiernach hat es die Grundlage des Klagebegehrens in § 7 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 3 PflegeV-AG gesehen und angenommen, dass nach diesen Vorschriften die Sach- und Rechtslage des Antragsjahres maßgeblich sei, sofern der Antrag entscheidungsreif gewesen sei, und dass die zwischenzeitliche Aufhebung dieser Vorschriften zuvor begründete Ansprüche nicht beseitigt habe. Dies beruht auf der Auslegung von Landesrecht. Revisible Fragen des Bundesrechts zeigt der Beklagte mit seiner Beschwerde nicht auf.
Der Beklagte sieht in erster Linie eine Abweichung zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die Beurteilung von Ansprüchen auf Gewährung einer auf der Grundlage von Richtlinien gewährten Subvention (Urteile vom 18. Juli 2002 – BVerwG 3 C 54.01 – a.a.O. S. 2 und vom 11. Mai 2006 – BVerwG 5 C 10.05 – BVerwGE 126, 33 ≪Rn. 73≫ = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 108); jedenfalls aber werfe das Berufungsurteil ungeklärte Rechtsfragen auf, die Veranlassung gäben, diese Rechtsprechung fortzuentwickeln. Das geht fehl. Die genannte Rechtsprechung gilt der Besonderheit, dass sich eine Veränderung der Förderabsicht des Subventionsgebers bei einer allein auf der Grundlage von Richtlinien und eines entsprechenden Ansatzes im Haushaltsplan, also allein nach Maßgabe von Innenrecht gewährten Subvention nicht in einem Außenrechtssatz niederschlägt – Art. 3 Abs. 1 GG als der einzig maßgebliche Außenrechtssatz bleibt als solcher unverändert –; deshalb kommt es in diesen Fällen auf Veränderungen im Bezugsrahmen für die gebotene Gleichheitsprüfung an (Urteil vom 18. Juli 2002 a.a.O.). Diese Schwierigkeit stellt sich hier nicht. Die Klägerin leitet ihren Subventionsanspruch nicht allein aus dem Gebot der Gleichbehandlung bei einer durch bloßes Innenrecht gesteuerten Förderpraxis her, sondern aus § 7 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 3 PflegeV-AG und damit aus einem förmlichen Gesetz. Welche Sach- und Rechtslage der Entscheidung über den Klaganspruch zugrunde zu legen ist, ist damit nach diesem Gesetz zu beantworten.
In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich gegen die Auslegung der §§ 7 und 8 PflegeV-AG durch das Berufungsgericht insofern auch jenseits des Beschwerdevorbringens keine bundesrechtlichen Einwände erheben lassen. Das Berufungsgericht fasst die Förderung der “alten Last” nach § 7 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 3 PflegeV-AG der Sache nach als zeitbedingte Förderung auf, für die es auf die Umstände im Jahr der Antragstellung ankomme. Dies mag bei der Förderung bereits begonnener oder gar abgeschlossener Vorhaben im Wege der Bezuschussung jährlich anfallender Zins- und Tilgungslasten ohnehin naheliegen, bewegt sich aber jedenfalls im Bereich des nicht revisiblen Landesrechts. Bundesrechtlichen Bezug erhält es lediglich mittelbar dadurch, dass die Förderung der “alten Last” gesetzestechnisch mit der Förderung neuer Vorhaben verknüpft ist, die ihrerseits in Art. 52 PflegeVG einen bundesrechtlichen Bezugspunkt aufweist. Die dort geregelten Finanzhilfen des Bundes wurden aber ebenfalls zeitbedingt gewährt, nämlich nicht als laufende Förderung, sondern als zeitlich auf die Jahre 1995 bis 2002 beschränkte Anschubfinanzierung für Investitionsvorhaben im Beitrittsgebiet, um die dortigen Pflegeeinrichtungen an das Versorgungsniveau im übrigen Bundesgebiet anzupassen.
b) Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass dem Erfolg des Klagebegehrens – entgegen der Begründung des Versagungsbescheides – nicht entgegensteht, dass die Richtlinien, die das zuständige Ministerium des Beklagten zur Ausführung des § 8 Abs. 3 PflegeV-AG über die Förderung der “alten Last” am 20. April 1999 erlassen hatte, am 19. Dezember 2000 wieder aufgehoben wurden und dass seit dem Haushaltsjahr 2000 hierfür keine Mittel mehr in die Haushaltspläne des Landes eingestellt wurden. Auch insofern bezeichnet der Beklagte keine Rechtsfrage, deren Klärung die Durchführung eines Revisionsverfahrens erfordern würde.
Es versteht sich von selbst, dass einem gesetzlichen Subventionsanspruch nicht das Fehlen oder der Wegfall einer verwaltungsinternen Durchführungsvorschrift entgegengehalten werden kann. Die Verwaltung ist an das Gesetz gebunden und muss es vollziehen. Stellt das Gesetz die Gewährung der Subvention in das Ermessen der Verwaltung, so wird sich der Erlass ermessensbindender und -lenkender Verwaltungsvorschriften empfehlen; aber auch dann kann die Verwaltung dem Begehren des Begünstigten, nach Ermessen zu entscheiden, nicht das Fehlen derartiger Verwaltungsvorschriften entgegenhalten. Der Sonderfall eines unvollkommenen Gesetzes, das erst durch Erlass administrativer Rechtsvorschriften überhaupt vollziehbar wird, liegt hier ersichtlich nicht vor.
Im Grundsatz nichts anderes gilt mit Blick auf den Haushaltsplan. Der Haushaltsplan ist ebenfalls bloßes Innenrecht; er entfaltet keine Rechtswirkungen außerhalb des Organbereichs von Landtag und Landesregierung (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1974 – 1 BvL 3/72 – BVerfGE 38, 121 ≪126≫; BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 – BVerwG 3 C 6.95 – BVerwGE 104, 220 ≪222≫ = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 102 S. 16 f.); durch ihn werden Ansprüche oder Verbindlichkeiten von Bürgern weder begründet noch aufgehoben (§ 3 Abs. 2 HGrG, § 3 Abs. 2 BHO/LHO). Einem gesetzlich begründeten Subventionsanspruch kann daher das Fehlen von Haushaltsmitteln nicht entgegengesetzt werden; vielmehr ist es umgekehrt Aufgabe des Haushaltsgesetzgebers, in den Haushaltsplan die zur Erfüllung gesetzlicher Ansprüche erforderlichen Mittel einzustellen; notfalls muss der Anspruch über- und außerplanmäßig erfüllt werden (vgl. Art. 110 GG, § 37 BHO/LHO). Stellt das Gesetz die Subventionsgewährung in das Ermessen der Verwaltung, so gilt insofern nichts anderes (ungenau BSG, Urteil vom 25. Oktober 1990 – 7 RAr 14/90 – BSGE 67, 279 ≪281≫). Adressat der Ermessensermächtigung ist die Verwaltung, nicht der Haushaltsgesetzgeber. Die Verwaltung darf zwar bei der Ausübung ihres Ermessens Haushaltsbelange berücksichtigen (Urteil vom 14. Oktober 1965 – BVerwG 2 C 3.63 – BVerwGE 22, 215 ≪219≫; stRspr) und dabei auch den Rahmen des einschlägigen Haushaltstitels in Rechnung stellen; sie ist im Außenverhältnis zum Subventionsbewerber an die Vorgaben des Haushaltsplans aber nicht gebunden (vgl. Urteil vom 28. April 1978 – BVerwG 7 C 43.76 – Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 54 S. 80 f.). Der bloße Verweis auf fehlende Haushaltsmittel stellt deshalb nur dann eine hinlänglich begründete Ermessensausübung dar, wenn dies dem Zweck der im materiellen Subventionsgesetz enthaltenen Ermächtigung entspricht (§ 40 VwVfG).
Allerdings ist denkbar, dass das materielle Gesetz den Subventionsanspruch seinerseits unter einen Haushaltsvorbehalt stellt. In solchen Fällen bedarf der sorgfältigen Prüfung, wie weit dieser Haushaltsvorbehalt reicht. Regelmäßig will der Gesetzgeber des materiellen Subventionsgesetzes dem Haushaltsgesetzgeber damit lediglich die Befugnis einräumen, den finanziellen Rahmen der Förderung zu konkretisieren, ihre näheren Modalitäten insbesondere in zeitlicher Hinsicht festzulegen und die Förderung so mit den anderen öffentlichen Ausgaben zu koordinieren. Der Befugnis, über eine Beendigung, also das “Ob” der Förderung überhaupt zu entscheiden, will er sich regelmäßig nicht begeben; eine solche “Blankovollmacht” an den Haushaltsgesetzgeber wäre – bei Bundesgesetzen schon wegen des besonders geregelten Gesetzgebungsverfahrens (Art. 110 Abs. 3 GG) und mit Blick auf die Mitwirkungsrechte des Bundesrates – auch verfassungsrechtlich problematisch.
All dies bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren. Weitergehende Fragen aber wirft die Rechtssache nicht auf. Zwar enthält auch § 7 Abs. 2 PflegeV-AG einen Haushaltsvorbehalt. Das Berufungsgericht hat dieser Vorschrift aber gerade nicht entnommen, damit sei das Bestehen des Förderanspruchs schon dem Grunde nach in das Belieben des Haushaltsgesetzgebers gestellt worden. Damit hält es sich in dem oben skizzierten Rahmen. Der Beklagte will dem Haushaltsgesetzgeber zwar eine weiterreichende – auch anspruchsvernichtende – Rolle zuerkennen. Er bietet hierfür aber keine rechtliche Begründung. Namentlich bezeichnet er keine klärungsfähige Frage des Bundesrechts; auf § 3 Abs. 2 HGrG geht er nicht ein. Bundesrechtlicher Natur ist lediglich sein Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, derzufolge sich ein Anspruch auf Förderung unabhängig vom Haushaltsplan aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, bei der Gewährung von Fördermitteln eine Verzerrung des Wettbewerbs soweit möglich zu vermeiden, ergeben könne und bei Anwendung der §§ 7, 8 Abs. 3 PflegeV-AG auch ergebe (BSG, Urteil vom 26. Januar 2006 – B 3 P 6/04 R – BSGE 96, 28 Rn. 42). Dieser rechtliche Gesichtspunkt stellt aber die Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Frage, sondern bekräftigt sie umgekehrt.
c) Das Berufungsgericht hat schließlich angenommen, die Bezuschussung der “alten Last” diene der Vermeidung einer strukturellen Ungleichbehandlung mit solchen Pflegeeinrichtungen, welche in den Genuss der vollen Anschubfinanzierung nach Art. 52 PflegeV, §§ 7, 8 Abs. 1 PflegeV-AG gelangten, und setze daher nicht voraus, dass die Pflegeeinrichtung die “alte Last” nicht auf anderem Wege, etwa durch Abwälzung auf die Heimbewohner (§ 82 Abs. 4 SGB XI), decken könne. Wie eingangs ausgeführt, beruht seine diesbezügliche Auslegung des § 8 Abs. 3 PflegeV-AG auf einer unzureichenden Würdigung der zum Streitstoff gehörenden Erkenntnisquellen; deshalb wird das Berufungsgericht sich mit dieser Frage erneut zu befassen haben. In diesem Zusammenhang stellen sich jedoch keine zusätzlichen Rechtsfragen, die einer vorherigen Klärung in einem Revisionsverfahren bedürften.
Der Beklagte möchte § 23 BHO/LHO den Rechtssatz entnehmen, dass eine Subvention nur gewährt werden dürfe, wenn der Subventionsempfänger konkret auf sie angewiesen sei. Hierzu beruft er sich vor allem auf das Urteil des Senats vom 8. April 1997 – BVerwG 3 C 6.95 – (BVerwGE 104, 220 ≪225≫ = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 102 S. 19). Dort hatte der Senat aus § 23 BHO/LHO hergeleitet, dass staatliche Zuwendungen grundsätzlich nicht zur Förderung von Vorhaben bestimmt sind, zu deren Ausführung und Finanzierung der Subventionsbewerber auch ohne staatliche Hilfe in der Lage ist; deshalb kommen grundsätzlich keine Zuwendungen an Einrichtungen in Betracht, wenn und soweit sich diese selbst tragen oder gar Überschüsse erwirtschaften (a.a.O. S. 225 bzw. S. 19).
Der Beklagte rügt in erster Linie, das Berufungsgericht sei hiervon abgewichen. Er legt indes nicht dar, welchen abweichenden Auslegungssatz das Berufungsgericht zu § 23 BHO/LHO aufgestellt hätte. Tatsächlich ist das Berufungsgericht auf § 23 BHO/LHO überhaupt nicht eingegangen. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt damit nicht vor.
Auch ein grundsätzlicher Klärungsbedarf wird hierzu nicht aufgezeigt. Der Beklagte sucht einen solchen Klärungsbedarf daraus herzuleiten, dass das erwähnte Senatsurteil vom 8. April 1997 in bislang ungeklärtem Widerspruch zu der weiteren Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 13. Mai 2004 – BVerwG 3 C 45.03 – BVerwGE 121, 23 ≪27 ff.≫ = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 106 S. 20 f.) und des Bundessozialgerichts (Urteile vom 28. Juni 2001 – B 3 P 9/00 R – BSGE 88, 215 ≪222≫ und vom 26. Januar 2006 – B 3 P 6/04 R – BSGE 96, 28 Rn. 42) stehe, die eine nach Ermessen zulässige Förderung für rechtlich geboten erachtet hat, wenn nur so Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden können. Hierbei verkennt er, dass diese späteren Urteile die besondere Lage vor Augen haben, dass der Staat unter mehreren konkurrierenden Anbietern von Pflegeleistungen nur einige uneingeschränkt fördert, die übrigen hingegen nur nach Ermessen oder gar nicht. Soweit darin eine Wettbewerbsverzerrung zu sehen ist, ist dem Staat von Verfassungs wegen (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG) die gleiche Förderung auch der übrigen Anbieter grundsätzlich aufgegeben. Insofern kommt es darauf an, den Anbietern gleiche Marktchancen zu eröffnen; ob sie imstande wären, einen Marktnachteil auf andere Weise auszugleichen, ist hierfür unerheblich.
3. Das Berufungsgericht wird im weiteren Verfahren zu entscheiden haben, ob § 8 Abs. 3 PflegeV-AG in dem vom Beklagten für richtig gehaltenen einschränkenden Sinne auszulegen ist. Dabei muss es zunächst den Willen des Landesgesetzgebers in einem fehlerfreien Verfahren ermitteln. Dabei sind nicht nur die eingangs genannten Materialien der Gesetzgebungsgeschichte heranzuziehen; ob der Gesetzgeber eine vollständige oder nur eine teilweise und also von einschränkenden Voraussetzungen abhängige Übernahme der “alten Last” beabsichtigt hat, kann möglicherweise zusätzlich mittelbar am Umfang der insofern vorgesehenen Haushaltsmittel für 1996 und unter Umständen auch für die Folgejahre abgelesen werden. Zu bedenken ist auch, ob der Gesetzgeber die Einrichtungsträger oder – allein oder daneben – die Heimbewohner und über diese die Sozialhilfeträger entlasten wollte; letzteres könnte gegen die Annahme sprechen, der Landesgesetzgeber habe die Pflegeeinrichtung vorrangig auf eine Abwälzung der ungedeckten Investitionskosten nach § 82 Abs. 4 SGB XI auf die Heimbewohner verweisen wollen.
Sollte sich die vom Beklagten befürwortete Auslegung des § 8 Abs. 3 PflegeV-AG bestätigen, so ist weiter zu prüfen, ob sie mit den Grundrechten der Einrichtungsträger aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Gegebenenfalls muss die Auslegung verfassungskonform korrigiert werden. Dabei ist freilich zu bedenken, dass das Land zur Herstellung vollständiger Wettbewerbsgleichheit nicht unter allen Umständen verpflichtet ist. Eine wettbewerbsrelevante Ungleichbehandlung stellt zwar einen Grundrechtseingriff dar, der jedoch durch hinlängliche Gemeinwohlgründe gerechtfertigt sein kann, wozu auch eine Überforderung des Landeshaushalts gehören kann; hierbei kann ins Gewicht fallen, dass die Förderung von Investitionsvorhaben, die nach dem 1. Juni 1994 begonnen wurden, zu 80 v.H. aus Bundesmitteln finanziert wurde, während die Förderung der “alten Last” allein dem Land oblag.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Dr. Dette, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
Haufe-Index 2039688 |
DÖV 2008, 1001 |
VR 2009, 33 |
RÜ 2008, 807 |