Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 25.02.2010; Aktenzeichen 7 A 10976/09) |
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. Februar 2010 werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 478 861 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Kläger begehren die Aufhebung eines Bescheides, mit dem der Beklagte die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze 2007 für das Krankenhaus der Beigeladenen genehmigt hat. In den vorangegangenen Pflegesatzverhandlungen war zwischen den Klägern und der Beigeladenen unter anderem umstritten geblieben, ob bei der Überleitung der Vereinbarung 2006 auf den Vereinbarungszeitraum 2007 auch 85 Bewertungsrelationen für die Behandlung von Apoplexien und deren Eingruppierung als “neurologische Komplexbehandlungen des akuten Schlaganfalls” nach OPS 8-981 anzusetzen seien. Die Schiedsstelle hat den Ansatz gebilligt, weil der Versorgungsauftrag des Krankenhauses das Erbringen neurologischer Komplexbehandlungen umfasse; ob die bis zum Beginn der Pflegesatzverhandlungen im Juli 2007 vom Krankenhaus aufgelisteten Behandlungsfälle gegenüber den Klägern auch abgerechnet werden könnten, sei im Einzelfall von den Sozialgerichten zu prüfen. Das Verwaltungsgericht hat den Klagen gegen die Genehmigung des Schiedsspruchs stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie hinsichtlich des nach teilweiser Erledigung durch Prozessvergleich noch streitigen Teils abgewiesen.
Rz. 2
Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision bleiben ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Rz. 3
Die Kläger möchten geklärt wissen,
ob die Schiedsstelle im Rahmen ihres Entscheidungsermessens bei nicht prospektiv geführten Budgetverhandlungen Leistungen in der Entgeltvereinbarung berücksichtigen darf, gegen deren Abrechnungsfähigkeit zum Verhandlungszeitpunkt substantiierte Einwendungen und Anhaltspunkte vorliegen,
ob eine Krankenkasse bei nicht prospektiv geführten Budgetverhandlungen und substantiierten Einwendungen gegen die Abrechnungsfähigkeit bestimmter Entgelte diese wider besseres Wissen vereinbaren und daraus herrührende Erlösausgleichsnachteile im Folgejahr hinnehmen muss,
schließlich, ob Entgelte im Entgeltverfahren berücksichtigungsfähig sind, deren Leistung gegenüber den Patienten nicht vollständig erbracht wird.
Rz. 4
Die Fragen unterstellen, dass die Budgetverhandlungen “nicht prospektiv geführt” werden, also keine Prognosen erfordern. Das geht an den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vorbei. Hiernach haben die Beteiligten bei der Fortschreibung des Erlösbudgets 2006 für den Vereinbarungszeitraum 2007 über “voraussichtliche Leistungsänderungen” verhandelt, die von der Beigeladenen auf der Grundlage der Behandlungsfälle der Monate Januar bis Mai 2007 hochgerechnet, also prognostiziert wurden. Demzufolge hat das Berufungsgericht seine rechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs und seiner Genehmigung ausdrücklich auf eine Prognose über Art und Menge der künftigen Leistungen des Krankenhauses bezogen.
Rz. 5
Den Beschwerden mag immerhin entnommen werden, dass die Kläger geklärt wissen wollen, ob als Prognosebasis tatsächliche Behandlungsfälle herangezogen werden dürfen, wenn die vom Krankenhaus erbrachten Leistungen nicht die Voraussetzungen für eine Abrechnung nach der vom Krankenhausträger geltend gemachten DRG-Pauschale erfüllen. Auch dies wird jedoch der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat nämlich festgestellt, dass die Abrechnungsfähigkeit der in Rede stehenden Behandlungsfälle im Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsstelle zwar von den Klägern – durchaus substantiiert – bestritten, aber noch nicht geklärt war. Es hat angenommen, dass die Schiedsstelle in einer solchen Lage der Ungewissheit derartige Behandlungsfälle – sofern sie denn im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses liegen – gleichwohl als geeignete Prognosebasis heranziehen darf, wenn hierfür Gründe bestehen und auch der Blick auf die – aus einer Berücksichtigung ebenso wie umgekehrt aus einer Nichtberücksichtigung sich ergebenden – Konsequenzen nicht ausschlaggebend dagegen spricht. Hiermit setzen sich die Kläger nicht auseinander.
Rz. 6
Auf der Grundlage des Berufungsurteils wird ein weiterer Klärungsbedarf nicht deutlich. Es versteht sich von selbst, dass bei der Fortschreibung des Erlösbudgets nur Entgelte für Krankenhausleistungen berücksichtigt werden dürfen, die das Krankenhaus im Vereinbarungszeitraum voraussichtlich erbringen wird. Das schließt die Eingruppierung dieser Krankenhausleistungen in das Fallpauschalensystem ein. Ob aber eine bestimmte Krankenhausleistung dann tatsächlich mit einer bestimmten Fallpauschale abgerechnet werden kann oder ob sie nach dem Maßstab der hierfür geltenden Bestimmungen nicht “vollständig” oder fehlerhaft erbracht wurde, ist hierfür gleichgültig; das betrifft allein die Leistungsabrechnung im jeweiligen Einzelfall.
Rz. 7
Das Berufungsgericht hat für möglich gehalten, dass anderes gilt, wenn die Voraussetzungen für die Abrechnungsfähigkeit von Krankenhausleistungen dieser Art in dem betreffenden Krankenhaus generell (“strukturell”) fehlen (und dies obendrein evident sei). Der Beklagte wendet ein, das Vorliegen der generellen (“strukturellen”) Voraussetzungen für die Erbringung (abrechnungsfähiger) Krankenhausleistungen sei bereits Gegenstand der Krankenhausplanung und deshalb mit der Aufnahme der betreffenden Betten in den Krankenhausplan entschieden; hiervon sei bei der Budgetvereinbarung auszugehen. Welchem Standpunkt zu folgen wäre, braucht aber aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht geklärt zu werden. Die Kläger haben die Abrechnungsfähigkeit der in Rede stehenden Krankenhausleistungen bestritten, weil im Krankenhaus der Beigeladenen die ausschließliche Betreuung der Schlaganfallpatienten durch einen Arzt werktags tagsüber nur unter Verletzung arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften zu bewerkstelligen gewesen wäre. Zwischen den Beteiligten war und ist streitig, ob dies zutraf und ob das behauptete Defizit durch nachfolgende Änderungen der Dienstpläne im Krankenhaus behoben wurde; von dieser Ungewissheit ist die Schiedsstelle ausgegangen. Sie ist aber ebenso davon ausgegangen, dass das Defizit mit den Ressourcen des Krankenhauses zu beheben und jedenfalls ab Juli 2007 behoben war. Dann aber haben die Voraussetzungen für die Abrechnungsfähigkeit der fraglichen Krankenhausleistungen nicht generell (“strukturell”) gefehlt, sondern hätten jedenfalls durch interne Organisationsmaßnahmen hergestellt werden können. Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht mit Recht unbeanstandet gelassen, dass die Schiedsstelle und ihr folgend die Genehmigungsbehörde den Streit über die Abrechnungsfähigkeit einzelner Krankenhausleistungen in das Abrechnungsverfahren verwiesen haben.
Rz. 8
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Wysk
Fundstellen
Haufe-Index 2381329 |
MedR 2011, 293 |
NZS 2011, 180 |
GesR 2010, 560 |