Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 23.11.2001; Aktenzeichen 31 A 39.01) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Kläger begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks, das im Jahre 1975 durch Inanspruchnahme nach der Verordnung über den Aufbau Berlins (Aufbauverordnung) in Volkseigentum überführt worden ist und später an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe Bäuerliche Handelsgenossenschaft e.G. Berlin, veräußert worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Inanspruchnahme des Grundstücks keinen Schädigungstatbestand im Sinne des § 1 VermG erfülle. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, ob eine Enteignung nach der Aufbauverordnung zulässig war, wenn durch sie Volkseigentum ausschließlich mit dem Ziel begründet werden sollte, das volkseigene Grundstück anschließend an eine sozialistische Genossenschaft zu veräußern, die das Grundstück rechtsgeschäftlich nicht hätte erwerben können. Diese Frage könnte in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Das Verwaltungsgericht hat unter anderem aus Abschnitt II Abs. 2 der Anweisung des Stadtbauamtes Berlin über die Erweiterung der Anwendung der Aufbauverordnung vom 2. Mai 1959 (Dienstblatt des Magistrats von Groß-Berlin vom 6. Juni 1959, S. 5) sowie aus § 2 Abs. 1 Buchst. c der Anordnung über die Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken vom 7. Juli 1969 (GBl I S. 433) hergeleitet, das Grundstück habe mit dem Ziel in Anspruch genommen werden dürfen, das Eigentum der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu übertragen. Der Kläger hält die Auslegung dieser Vorschriften durch das Verwaltungsgericht für fehlerhaft. Sie gehören indes dem irrevisiblen Recht an. Der Senat wäre deshalb in einem Revisionsverfahren an ihre Auslegung durch das Verwaltungsgericht gebunden (§ 173 VwGO, § 560 ZPO).
Davon abgesehen legt die Beschwerde nicht dar, dass die von ihr als unlautere Machenschaft bewertete Maßnahme zielgerichtet den Verlust des Grundstücks bezweckt hat. Die Beschwerde nimmt eine unlautere Machenschaft an, weil die Überführung des Grundstücks in Volkseigentum dem Zweck gedient habe, Eigentum der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu begründen, was mit der grundsätzlichen Unveräußerlichkeit von Volkseigentum unvereinbar gewesen sei. Dabei vernachlässigt sie, dass das Grundstück nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die nicht mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge angegriffen worden sind, zu dem durch die einschlägigen Vorschriften gedeckten und nicht nur vorgeschobenen Zweck investiver Baumaßnahmen im Zuge der Erweiterung einer Verkaufsstelle der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen in Anspruch genommen wurde. Da der damit verbundene Eigentumsverlust des Rechtsvorgängers des Klägers unabhängig davon eintrat, ob die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Eigentümerin oder Rechtsträgerin des Grundstücks wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der von der Beschwerde behauptete Verstoß gegen Rechtsvorschriften der DDR darauf zielte, den Zugriff auf das Eigentum erst zu ermöglichen. Angesichts dessen würde in einem Revisionsverfahren über die von der Beschwerde aufgeworfene Frage auch nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 VermG, der einen derart manipulativen Zugriff voraussetzt, nicht zu entscheiden sein.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht nicht von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die der Kläger in der Beschwerde angeführt hat.
Wie der Kläger der Sache nach richtig darlegt, liegt der Entscheidung vom 26. Juni 1997 (BVerwG 7 C 25.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113) der abstrakte Rechtssatz zugrunde, einer Enteignung wohne das manipulative Element inne, das für die Annahme einer unlauteren Machenschaft (§ 1 Abs. 3 VermG) erforderlich ist, wenn die Enteignung dem Zweck diente, aus staatlichen Mitteln finanzierte Investitionen in das Grundstück nachträglich zu sichern, es bei der Durchführung der Baumaßnahme bis zu deren Vollendung aber an einer Rechtsgrundlage gefehlt hatte, die eine Enteignung zu diesem Zweck zugelassen hätte. Der weiter benannten Entscheidung vom 3. September 1998 (BVerwG 7 C 26.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 160) liegt derselbe Rechtssatz zugrunde.
Zu ihm hat das Verwaltungsgericht sich nicht in Widerspruch gesetzt. Es ist aufgrund seiner tatsächlichen Feststellungen davon ausgegangen, dass die Inanspruchnahme zur Durchführung eines konkreten, durch die einschlägigen DDR-Vorschriften gedeckten Investitionsvorhaben erfolgte und damit – abweichend von dem der Divergenzentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt – nicht dem Zweck diente, in der Vergangenheit vorgenommene Investitionen in das Grundstück nachträglich zu sichern. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, das streitige Grundstück sei für die Errichtung einer neuen Lagerhalle, die Rekonstruktion einer Bürobaracke sowie die Verbesserung der Außenanlagen (insbesondere Anlage einer Werkstraße) in Anspruch genommen worden. In Anwendung irrevisiblen Rechts hat es ferner angenommen, eine Enteignung zur Verwirklichung dieses Investitionsvorhabens sei von § 5 der Aufbauverordnung sowie der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz vom 29. September 1972 (GBl II S. 641) gedeckt gewesen. In tatsächlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass das Grundstück bei seiner Inanspruchnahme in das Register der Aufbaugebiete eingetragen war und das Investitionsvorhaben insgesamt erst nach In-Kraft-Treten der Zweiten Durchführungsbestimmung verwirklicht worden ist. Das Verwaltungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass schon allein das unter der Geltung der Zweiten Durchführungsbestimmung realisierte Investitionsvorhaben die Inanspruchnahme des Grundstücks gerechtfertigt habe. Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht es als unerheblich angesehen, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen in ihrem Antrag auf Inanspruchnahme des Grundstücks auch auf (weitere) Investitionen verwiesen hatte, die sie als Pächterin in früheren Jahren auf das Grundstück verwendet hatte. Eine Abweichung von den genannten Entscheidungen liegt darin nicht.
- Soweit der Kläger eine Abweichung von den Entscheidungen vom 28. Juli 1994 (BVerwG 7 C 41.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 28), vom 26. Juni 1997 (BVerwG 7 C 25.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113) sowie vom 5. März 1998 (BVerwG 7 C 8.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 140) rügt, legt er nicht dar, mit welchem abstrakten Rechtssatz das Verwaltungsgericht von einem in jenen Entscheidungen aufgestellten Rechtssatz abweicht. Er legt nur dar, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme nach der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz nicht vorgelegen hätten, ohne aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht dabei von anderen abstrakten Voraussetzungen ausgegangen ist, als das Bundesverwaltungsgericht sie für eine manipulationsfreie Enteignung in den angeführten Entscheidungen vorgegeben hat. Dem Urteil des Verwaltungsgerichts liegt namentlich nicht entgegen der Entscheidung vom 26. Juni 1997 die Auffassung zugrunde, es komme nur darauf an, ob die im Enteignungsantrag genannten Baumaßnahmen abstrakt einem gesetzlichen Enteignungszweck entsprachen. Das Verwaltungsgericht hatte nach dem Streitstand keinen Anlass, noch weiter darauf einzugehen, dass über den Enteignungszweck hinaus auch im Übrigen die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme vorlagen. Was beispielsweise die Aufnahme in den Volkswirtschaftsplan anlangt, so ist im Tatbestand des angefochtenen Urteils festgehalten, dass für das Bauvorhaben (Neubau einer Lagerhalle, Rekonstruktion einer Bürobaracke und Bau einer Werksstraße mit einem Investitionsvolumen von 222 000 M) die insoweit erforderliche Standortgenehmigung erteilt war.
Die gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
Der Kläger wendet sich zum einen gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe die für die Inanspruchnahme zuständige Stelle, den Magistrat von Groß-Berlin, nicht über den Zweck der beantragten Inanspruchnahme getäuscht. Sie habe zwar angegeben, sie beabsichtige eine neue Lagerhalle zu errichten, eine Bürobaracke zu rekonstruieren und die Außenanlagen zu verbessern; sie habe aber mit Schreiben vom 9. Oktober 1974 auch angegeben, ein Teil der Baumaßnahmen, nämlich die Lagerhalle, sei bereits abgeschlossen. Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, der Magistrat habe dem Schreiben nicht entnehmen können, dass die Lagerhalle bereits vor der Inanspruchnahme errichtet gewesen sei. Seine abweichende Auslegung des Schreibens betrifft die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Fehler bei der Beweiswürdigung sind nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können daher grundsätzlich nicht mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden.
Dasselbe gilt im Ergebnis für die weitere Rüge, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Rekonstruktion der Bürobaracke bereits abgeschlossen gewesen sei, als die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Inanspruchnahme des Grundstücks unter Hinweis auf diese beabsichtigte Investitionsmaßnahme beantragt habe. Die vom Kläger erwähnte “Anlage 3” zu unbeweglichen Grundmitteln belegt nicht zwingend, dass die Bürobaracke zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits rekonstruiert war. Diese Anlage, von der unklar ist, welchem Vorgang sie ursprünglich beigefügt war, beschreibt nur den Bruttowert der Bürobaracke zum 30. September 1974, sagt aber nichts darüber aus, ob es sich dabei um den Wert der Baracke bei ihrer Erstherstellung oder um den Wert aufgrund einer späteren Wertverbesserung handelt. Der Kläger selbst hält die Anlage für auslegungsbedürftig. Das schließt es aus, dass die Anlage nur die eine von ihm bevorzugte Folgerung zuließ. Dass die Bürobaracke bereits rekonstruiert war, als die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen ihren Antrag auf Inanspruchnahme des Grundstücks stellte, lässt sich ferner nicht aus dem Schriftsatz der Beigeladenen folgern, den der Kläger in diesem Zusammenhang zitiert.
Aus den gleichen Gründen ist die Rüge unbegründet, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, aus den von der Beigeladenen eingereichten Rechnungen ergebe sich, dass die beabsichtigte Verbesserung der Außenanlagen erst nach der Inanspruchnahme durchgeführt worden sei. Geplant war insoweit insbesondere die Anlage einer Werkstraße. Der Kläger muss einräumen, dass einige der eingereichten Rechnungen sich einer solchen Maßnahme zuordnen lassen (Verlegung von Rohren, Durchführung von Erdarbeiten, Kauf von Bauzuschlagsstoffen/Bitumendecke) und diese Rechnungen nach der Inanspruchnahme des Grundstücks ausgestellt sind. Sie weisen zwar nicht das Datum der Lieferung und Leistung aus. Es ist deshalb aber nicht denkgesetzlich ausgeschlossen, aus ihnen zu folgern, dass die Arbeiten erst nach der Inanspruchnahme durchgeführt worden sind. Ein Mangel der Beweiswürdigung, der einen Verfahrensfehler ergibt, ist damit nicht dargelegt.
Unbegründet ist die weitere Rüge, das Verwaltungsgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt.
Der Kläger erhebt diese Rüge zunächst bezogen auf den Umstand, dass in der festgesetzten Entschädigung nicht die Aufwendungen berücksichtigt sind, welche die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen vor der Inanspruchnahme für das Grundstück getätigt hat. Das Verwaltungsgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass in die Berechnung der Entschädigung nicht alle auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude einbezogen wurden. Es hat darin keine diskriminierende Regelung der Entschädigung gesehen. Das Verwaltungsgericht hat mithin den Sachverhalt durchaus zur Kenntnis genommen, ihn nur anders rechtlich bewertet, als der Kläger dies für richtig hält. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts liegt darin nicht.
Der Kläger erhebt den Vorwurf mangelnder Aufklärung des Sachverhalts zum anderen mit Blick auf die Umstände, aus denen im Enteignungsverfahren nicht versucht worden ist, mit dem staatlichen Verwalter über eine rechtsgeschäftliche Veräußerung des Grundstücks zu verhandeln. Das Verwaltungsgericht hat indes den hierauf bezogenen Vortrag des Klägers als richtig unterstellt, die unterbliebene Beteiligung des staatlichen Verwalters am Enteignungsverfahren jedoch aus Rechtsgründen für unerheblich gehalten, weil keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Beteiligung des staatlichen Verwalters gerade deswegen unterlassen wurde, um den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum zu ermöglichen. Der Kläger zeigt insoweit zudem nicht auf, welche Möglichkeiten einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bestanden hätten, die sich dem Verwaltungsgericht hätten aufdrängen müssen.
Soweit der Kläger ferner geltend macht, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der staatliche Verwalter weder vor noch während des Enteignungsverfahrens aufgefordert worden sei, die notwendigen Baumaßnahmen selbst durchzuführen, um die Enteignung abzuwenden, ist ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat auch mit Blick hierauf auf den aktenkundigen Umstand verwiesen, dass der staatliche Verwalter im Vorfeld der Inanspruchnahme mehrmals sein Einverständnis mit einer dauerhaften Überlassung des Grundstücks an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen geäußert habe.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Gödel, Herbert, Neumann
Fundstellen