Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 18.07.2006; Aktenzeichen 12 LB 116/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Die zu ihrer Begründung angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
1. Den von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Frage des revisiblen Rechts zu erwarten ist, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts von Bedeutung war. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
“– ob für das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls die Gewichtung privater Interessen außen vor bleibt” und
“– ob bei der Einziehung von Straßen ein Planungsspielraum bei den Gründen des öffentlichen Wohls besteht, wenn diese mit städtebaulichen Gesichtspunkten begründet werden.”
Mit dieser Fragestellung wendet sich die Beschwerde zum einen dagegen, dass das Berufungsgericht bei Anwendung von § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Straßengesetzes (NStrG) das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls so ausgelegt hat, dass private Interessen erst auf der Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen sind. Zum anderen verneint sie einen planerischen Spielraum, den das Berufungsgericht der Beklagten im Rahmen der als Gründe des öffentlichen Wohls zu verfolgenden städtebaulichen Gründe eingeräumt hat.
Damit werden jedoch klärungsbedürftige Rechtsfragen des Bundesrechts nicht aufgeworfen. Die Beschwerde formuliert ausschließlich Rechtsfragen zur Auslegung einer Norm des niedersächsischen Straßenrechts, deren Überprüfung in einem Revisionsverfahren nicht erfolgen könnte (§ 137 Abs. 1 VwGO).
Die Klägerin macht allerdings geltend, die Auslegung des § 8 NStrG durch das Berufungsgericht sei revisionsrechtlich überprüfbar, weil sie mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei. Die Rüge, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Verfassungsrecht des Bundes angewandt worden, vermag jedoch für sich genommen noch keine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzuzeigen. In einem derartigen Fall muss vielmehr zusätzlich dargelegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Normen des Bundes(verfassungs)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (vgl. Beschluss vom 21. September 2001 – BVerwG 9 B 51.01 – Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44 S. 28). Entsprechende Darlegungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Die Beschwerde greift die Entscheidung im Wesentlichen deshalb an, weil sie meint, aus dem nach ihrer Auffassung durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Anliegergebrauch folge, dass ihre Rechtsstellung schon bei der Auslegung der “überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls” zu berücksichtigen sei. Dabei verkennt die Beschwerde aber bereits, dass der Anliegergebrauch keine aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ableitbare Rechtsposition vermittelt. Wie weit er gewährleistet ist, richtet sich nach dem hier einschlägigen Landesstraßenrecht, bei dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen hat (Beschluss vom 11. Mai 1999 – BVerwG 4 VR 7.99 – Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 11 S. 1). Einen – zumal entscheidungserheblichen – Klärungsbedarf hinsichtlich dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die aufgeworfenen Auslegungsfragen zeigt die Beschwerde jedenfalls nicht auf (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
2. Die Verfahrensrüge der Klägerin bleibt ebenfalls erfolglos. Die Klägerin macht einen Aufklärungsmangel geltend, weil das Berufungsgericht die angebotenen Zeugen zur Frage, ob eine unterirdische Querungsmöglichkeit zwischen den Geschäftshäusern Neumarkt 3 und Neumarkt 7 Geschäftsgrundlage der Verträge zwischen den Parteien war, nicht vernommen und dadurch seine Aufklärungspflicht verletzt habe (§ 86 Abs. 1 VwGO). Dieser Einwand kann nicht zur Revisionszulassung führen, weil das angefochtene Urteil nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Es mag dahin stehen, ob das Berufungsgericht den Beweisantrag mit der Begründung zurückweisen durfte, die Frage nach der Geschäftsgrundlage sei als Rechtsfrage dem Zeugenbeweis nicht zugänglich. Denn das Berufungsgericht hat sein Urteil nicht nur darauf gestützt, dass die Querungsmöglichkeit nicht Geschäftsgrundlage geworden sei. Es hat vielmehr in einer selbständig tragenden Hilfsbegründung darauf abgestellt, dass bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Klägerin grundsätzlich die Möglichkeit bestünde, eine Vertragsanpassung bzw. eine Lösung vom Vertrag zu erreichen. Habe aber die Klägerin die Möglichkeit, auf diese Weise auf eine nachträgliche Entwertung des geschlossenen Vertrages, die aus ihrer Sicht mit der von der Beklagten verfügten Einziehung verbunden sei, zu reagieren, liege ein atypischer, von der ratio legis der Einziehungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG nicht erfasster Fall nicht vor. Insoweit hat das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die aus ihrer Sicht beweisbedürftigen Tatsachen vorlagen, so dass es einer Beweiserhebung nicht bedurfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel, Buchberger
Fundstellen