Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Entschädigung nach § 1 Abs. 3 EntschG. Gleichheitssatz. Vorlage an Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG. Zweck des § 1 Abs. 2 VermG. Erbausschlagung. erzwungene Selbstschädigung. systembedingtes Unrecht. teilungsbedingtes Unrecht. sozialverträglicher Ausgleich
Leitsatz (amtlich)
Der Ausschluss der Entschädigung nach § 1 Abs. 3 EntschG für Grundstücke, die unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG durch Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden, ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14, 20 Abs. 1, 3, Art. 100 Abs. 1; EV Art. 41; EntschG § 1 Abs. 3; VermG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Dresden (Entscheidung vom 28.04.1999; Aktenzeichen 12 K 1699/96) |
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu eingeholt, ob § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Entschädigungsgesetz – EntschG) vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Tatbestand
I.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass § 1 Abs. 3 des Entschädigungsgesetzes für Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG) in der Fassung vom 4. August 1997 (BGBl I S. 1974), die durch Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden, eine Entschädigung ausschließt.
Unter Berufung auf diese Regelung des § 1 Abs. 3 EntschG hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers auf Feststellung seiner Entschädigungsberechtigung für den Verlust eines Erbanteils an dem Grundstück M.-Straße 7 in D. abgelehnt. Eigentümer des Grundstücks, das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist, waren zunächst Margarethe H. und drei weitere Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft. Margarethe H. verstarb im Jahr 1959. Die Tochter der Erblasserin und die Enkelkinder, letztere zugleich auch für den damals minderjährigen Kläger, schlugen die Erbschaft aus. Nachdem auch weitere nachrangige Erben die Erbschaft ausgeschlagen hatten, wurde mit Beschluss des Staatlichen Notariats D. (Stadt) vom 10. November 1961 festgestellt, dass für den Nachlass der Frau H. ein anderer Erbe als die Deutsche Demokratische Republik nicht vorhanden sei. Aufgrund dieses Beschlusses wurde der Erbanteil in das Eigentum des Volkes, Rechtsträger VEB Kommunale Wohnungsverwaltung D., überführt. Das mit dem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück wurde im Jahr 1972 von der Erbengemeinschaft, von der zu dieser Zeit zwei der vier Erbanteile im Eigentum des Volkes standen, an private Käufer veräußert, die im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurden. Zuletzt erwarben es die Eheleute W. aufgrund Kaufvertrags vom August 1976.
Der Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der früheren Eigentumsrechte wurde mit Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 1994 abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG nicht erfüllt seien. Zum Zeitpunkt der Erbausschlagung habe keine Überschuldung bestanden. Davon abgesehen sei eine Rückübertragung wegen des redlichen Erwerbs der neuen Eigentümer ausgeschlossen. Nach § 1 Abs. 3 EntschG werde eine Entschädigung bei einer Erbausschlagung nicht gewährt.
Mit der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, einen Miteigentumsanteil von einem Viertel an dem Grundstück zurückzuübertragen; mit seinem Hilfsantrag hat er die Übertragung eines Ersatzgrundstücks, hilfsweise die Gewährung eines Entschädigungsanspruchs geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es sei zweifelhaft, ob ein Rückübertragungsanspruch nach § 1 Abs. 2 VermG dem Grunde nach gegeben sei. Im Ergebnis könne jedoch offen bleiben, ob die Voraussetzungen einer Überschuldung vorgelegen hätten. Denn die Rückübertragung sei gemäß § 4 Abs. 2 VermG wegen des redlichen Erwerbs des Grundstücks durch die jetzige Eigentümerin ausgeschlossen. Auch der Hilfsantrag auf Entschädigung bleibe ohne Erfolg, weil nach § 1 Abs. 3 EntschG für Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG, die durch Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen worden seien, keine Entschädigung gewährt werde.
Mit seiner nur noch den Antrag auf Feststellung der Entschädigungsberechtigung betreffenden Revision macht der Kläger geltend, dass der Ausschluss einer Entschädigung nach § 1 Abs. 3 EntschG gegen Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip, gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 41 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990 (BGBl II S. 889) verstoße. Art. 14 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip sei dadurch verletzt, dass dem Erben der Rückübertragungsanspruch ersatzlos entzogen und nicht in einen Entschädigungsanspruch übergeleitet worden sei. Der gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergebe sich aus der Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Berechtigten aufgrund anderer Schädigungstatbestände des § 1 VermG, welche im Falle des Restitutionsausschlusses eine Entschädigung erhielten. Hierzu gehörten auch die ehemaligen Eigentümer, deren Grundstücke vom staatlichen Verwalter wegen Überschuldung weiterveräußert worden seien (§ 1 Abs. 1 Buchst. c VermG). Eine Ungleichbehandlung liege auch im Vergleich zu denjenigen Berechtigten vor, deren Grundstücke unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG enteignet worden seien und für die der Entschädigungsausschluss nicht gelte. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung sei willkürlich. Der Ausschluss der Entschädigung nach § 1 Abs. 3 EntschG habe gerade diejenigen getroffen, bei denen der Zwang zur Eigentumsaufgabe besonders groß gewesen und damit in dem Wissen erfolgt sei, dass sie im Gegensatz zu den genannten Fallgruppen keinerlei Gegenleistungen (Entschädigung für die Enteignung; Überweisung des verbleibenden Verkaufserlöses auf ein Treuhandkonto) vom Staat der DDR erhalten würden. Zudem sei es dem Zufall überlassen gewesen, welches Grundstück oder Gebäude von staatlichen Stellen der DDR an einen (redlichen) Dritten weiterveräußert worden sei.
Die Beklagte bemerkt demgegenüber, dass die Einbeziehung der überschuldungsbedingten Eigentumsverluste in die Tatbestände des § 1 VermG aus ordnungspolitischen Gründen erfolgt sei. Zweck des § 1 Abs. 2 VermG sei nicht die Wiedergutmachung von (teilungsspezifischem) Unrecht, sondern die Rückkehr zu normalen, privatnützigen Eigentumsstrukturen. Der Ausschluss der Entschädigung, die allein der Wiedergutmachung diene, sei deshalb nicht nur zulässig, sondern sogar geboten. § 1 Abs. 3 EntschG stehe deshalb im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG werde durch den Ausschluss der Entschädigung nicht berührt.
Der Oberbundesanwalt unterstützt die Rechtsauffassung der Beklagten. Er vertritt ebenfalls die Auffassung, dass § 1 Abs. 2 VermG nicht auf die Wiedergutmachung von staatlichem Unrecht ziele; die Vorschrift bezwecke vielmehr die Korrektur der Ergebnisse einer verfehlten Miet- und Wohnungspolitik. Die Gewährung einer Entschädigung sei für die Entstehung privater Eigentumsstrukturen ohne Belang. Hierin liege ein sachlicher Grund, die Personen, die ein Grundstück infolge Überschuldung aufgegeben hätten, im Fall des Restitutionsausschlusses anders zu behandeln als Antragsteller, die durch eine Maßnahme nach § 1 Abs. 1 VermG geschädigt worden seien.
Entscheidungsgründe
II.
Das Verfahren wird nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob § 1 Abs. 3 EntschG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach § 1 Abs. 3 EntschG wird für Grundstücke im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG, die durch Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden, keine Entschädigung gewährt.
Das Entschädigungsgesetz sieht – von der Ausnahme des § 1 Abs. 3 EntschG abgesehen – einen Anspruch auf Entschädigung vor, wenn der Vermögenswert von einer schädigenden Maßnahme nach § 1 VermG betroffen war, die Rückübertragung des Eigentums oder eines sonstigen Rechts an dem Vermögenswert aber nach § 4 Abs. 1 oder 2 VermG (ebenso § 6 Abs. 1 Satz 1, § 11 Abs. 5 VermG) ausgeschlossen ist oder der Berechtigte Entschädigung gewählt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EntschG). Die Rückübertragung ist ausgeschlossen, wenn diese von der Natur der Sache her nicht möglich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 VermG; vgl. auch § 5 VermG zu weiteren Ausschlussgründen im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG) oder wenn der jetzige Eigentümer in redlicher Weise Eigentum oder ein dingliches Nutzungsrecht erworben hat (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VermG). Der Ausschluss der Entschädigung nach § 1 Abs. 3 EntschG betrifft die rechtsgeschäftliche Aufgabe des Eigentums oder der Erbschaft unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG. Nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG ist das Eigentum an (bebauten) Grundstücken und Gebäuden zurückzuübertragen, die aufgrund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Überschuldung durch Enteignung, Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden. Für Enteignungen im Sinne dieser Vorschrift gilt § 1 Abs. 3 EntschG nicht.
A) Die Gültigkeit des § 1 Abs. 3 EntschG ist für die Entscheidung in dem Revisionsverfahren erheblich (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Wenn das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Grundgesetz bejaht, wäre die Revision zurückzuweisen, da aufgrund der – gültigen – Vorschrift feststehen würde, dass der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung hat. Wenn § 1 Abs. 3 EntschG für nichtig erklärt wird, wäre das Urteil des Verwaltungsgerichts dagegen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zurückzuverweisen. Das Verwaltungsgericht hätte dann aufzuklären, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG erfüllt sind.
Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage entfällt auch nicht deswegen, weil das angegriffene Urteil aus anderen Gründen entweder bestätigt oder aufgehoben werden müsste, so dass es auf die Gültigkeit des § 1 Abs. 3 EntschG nicht ankäme. Beide Alternativen sind nicht gegeben. Das angefochtene Urteil wäre im Sinne des § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen richtig, wenn § 1 Abs. 2 VermG zur Voraussetzung hätte, dass das überschuldete Grundstück, auf das sich der Schädigungstatbestand bezieht, insgesamt in Volkseigentum übernommen wurde; denn die Schädigung betraf hier nur einen Erbanteil am Grundstück. Der Senat hat jedoch mit Urteil vom 24. August 2000 – BVerwG 7 C 90.99 – entschieden, dass Gegenstand der Schädigung und der Restitution im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG auch ein solcher Erbanteil sein kann. Ebenso wenig kommt eine Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils wegen einer Verletzung der Gemeinsamen Erklärung der beiden Regierungen vom 15. Juni 1990 in Betracht, die durch Art. 41 Abs. 1 des Einigungsvertrages zu dessen Bestandteil geworden ist. Da der Einigungsvertrag gegenüber dem Entschädigungsgesetz kein höherrangiges Recht darstellt, würde ein Verstoß gegen diesen Vertrag die Wirksamkeit des Entschädigungsausschlusses nach § 1 Abs. 3 EntschG, auf die sich das Urteil des Verwaltungsgerichts gestützt hat, unberührt lassen. Davon abgesehen findet Art. 41 Abs. 3 des Einigungsvertrages, in dem die Bundesrepublik Deutschland sich verpflichtet hat, keine der Gemeinsamen Erklärung widersprechenden Rechtsvorschriften zu erlassen, für das gleichzeitig übergeleitete Vermögensgesetz, das in § 9 Abs. 1 Satz 2 eine wörtlich mit § 1 Abs. 3 EntschG übereinstimmende Regelung enthielt, keine Anwendung (Beschluss vom 25. November 1997 – BVerwG 7 B 394.97 – Buchholz 111 Art. 41 EV Nr. 5).
Die Vorlage beschränkt sich nicht nur auf den entscheidungserheblichen Teil des § 1 Abs. 3 EntschG, der die Erbausschlagung betrifft, sondern bezieht auch die Tatbestände des Eigentumsverzichts und der Schenkung ein. Es handelt sich lediglich um verschiedene Alternativen der rechtsgeschäftlichen Aufgabe des Eigentums oder der Erbschaft, die in der verfassungsrechtlichen Beurteilung keine Unterschiede aufweisen. Ihre Einbeziehung entspricht der „Befriedungsfunktion” der Normenkontrollentscheidung (vgl. BVerfGE 62, 354 ≪364≫).
B) § 1 Abs. 3 EntschG ist nach der Auffassung des Senats mit dem Grundgesetz unvereinbar. Zwar verstößt die Vorschrift nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG oder gegen das Rechts- und Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 3 GG (1). Der Senat hält aber § 1 Abs. 3 EntschG für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (2). Der Gleichheitssatz ist durch die Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den Berechtigten verletzt, die die Schädigungstatbestände des § 1 Abs. 1 und 3 VermG erfüllen und für die eine Entschädigung nicht ausgeschlossen ist (2a). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich auch daraus, dass der Gesetzgeber ohne hinreichenden sachlichen Grund die Entschädigung in den Fällen des Eigentumsverlusts infolge Überschuldung nach § 1 Abs. 2 VermG unterschiedlich geregelt hat (2b).
1. a) Art. 14 Abs. 1 GG ist durch den Ausschluss der Entschädigung nicht verletzt. Dem in der DDR von einer Enteignung oder erzwungenen Erbausschlagung Betroffenen stand bis zur Wiedervereinigung und dem Erlass des Vermögensgesetzes keine vermögenswerte Rechtsposition zu, die dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG hätte unterfallen können (BVerfGE 101, 239 ≪258≫). Eine solche ist für die Fälle des Eigentumsverzichts, der Schenkung und der Erbausschlagung im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG auch nicht durch das Vermögensgesetz begründet worden. Denn das Vermögensgesetz enthielt bereits in der Fassung, die als Anlage II Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt I Nr. 5 Bestandteil des Einigungsvertrages geworden ist, die Regelung über den Ausschluss der Entschädigung (§ 9 Abs. 1 Satz 2), die wörtlich in § 1 Abs. 3 des Entschädigungsgesetzes vom 27. September 1994 übernommen worden ist.
Eine vermögenswerte Rechtsposition ergab sich auch nicht aus den in der Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 (Anlage III zum Einigungsvertrag) vereinbarten Eckwerten. Zwar haben sich die beiden Regierungen in dem Eckwert Nr. 3 Buchst. b, der nach der Nr. 4 für die hier betroffenen Tatbestände entsprechend gilt, darauf geeinigt, dass ein sozialverträglicher Ausgleich an die ehemaligen Eigentümer „durch Entschädigung” herzustellen ist, sofern Bürger der DDR an zurückzuübereignenden Immobilien Eigentum in redlicher Weise erworben haben (ebenso Nr. 3 Buchst. a für die Ausschlussgründe nach § 5 VermG). Durch die Gemeinsame Erklärung sind aber noch keine individuellen vermögensrechtlichen Ansprüche begründet worden. Dies ist erst durch das Vermögensgesetz erfolgt, das die in allgemeiner Form aufgestellten Eckwerte in konkrete Regelungen umgesetzt hat (Beschluss vom 25. November 1997 – BVerwG 7 B 394.97 – a.a.O.).
b) Ein Verstoß gegen das Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) scheidet ebenfalls aus. Bei der Regelung der Wiedergutmachung früheren, von einer anderen Staatsgewalt zu verantwortenden Unrechts hat der Gesetzgeber einen besonders weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 84, 90 ≪126≫). Dem Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip lässt sich deshalb keine Verpflichtung zu bestimmten Wiedergutmachungsleistungen entnehmen (BVerfGE 27, 253 ≪283≫; 82, 60 ≪80≫). Mit der Regelung des § 1 Abs. 3 EntschG hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum ersichtlich nicht überschritten.
2. Dagegen widerspricht die in § 1 Abs. 3 EntschG getroffene Regelung dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dies ist auch die weitgehend übereinstimmende Auffassung in der Literatur; entweder halten die Autoren § 1 Abs. 3 EntschG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG oder äußern zumindest Bedenken (Weskamm, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 1 EntschG Rn. 81 ff., 83 a; Rodenbach, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 1 EntschG Rn. 27; Barkam, a.a.O., § 9 VermG Rn. 6 – 9 in der früheren Kommentierung zu § 9 Abs. 1 Satz 2 VermG a.F.; Zimmermann, in: RVI, Band II, § 1 EntschG Rn. 37 f.; Zimmermann/Heller, Das neue Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz, 1995, Kapitel 3 Rn. 22; Bedenken ebenfalls bei Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, § 1 EntschG Rn. 61; vgl. auch Motsch, in: Motsch/Rodenbach/Löffler/Schäfer/Zilch, Kommentar zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG), § 1 EntschG Rn. 64, der zwar einen Entschädigungsausschluss wegen der nach seiner Auffassung nur ordnungspolitischen Zielsetzung des § 1 Abs. 2 VermG als unbedenklich, die Beschränkung auf die rechtsgeschäftlichen Tatbestandsalternativen aber als fragwürdig ansieht).
Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 99, 129 ≪139≫; 101, 239 ≪269≫).
a) Eine in diesem Sinne mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung ergibt sich für den durch § 1 Abs. 3 EntschG erfassten Personenkreis im Verhältnis zu den übrigen Berechtigten, deren Vermögenswert einer Schädigungsmaßnahme nach § 1 Abs. 1 oder 3 VermG unterlag und die im Fall des Ausschlusses der Rückübertragung einen Anspruch auf Entschädigung haben.
aa) Die Vergleichbarkeit mit dieser Personengruppe leitet sich daraus her, dass das Vermögensgesetz den Tatbestand des § 1 Abs. 2 VermG ebenso wie die Schädigungstatbestände des § 1 Abs. 1 und 3 VermG als wiedergutzumachendes Unrecht bewertet. § 1 Abs. 2 VermG nimmt insoweit unter den Tatbeständen des § 1 VermG keine Sonderstellung ein. Die Vorschrift dient nicht, wie die Beklagte und der Oberbundesanwalt meinen, allein einem ordnungspolitischen Zweck, nämlich der Rückkehr zu normalen, privatnützigen Eigentumsstrukturen als Reaktion auf die wirtschaftliche Aushöhlung des Privateigentums in der DDR. Aus einem solchen Verständnis der Vorschrift wird hergeleitet, dass nur die Rückübertragung des Grundstücks, nicht aber eine Entschädigung gerechtfertigt sei (Motsch, a.a.O., § 1 EntschG Rn. 58 f.). Gegen einen allein ordnungspolitischen Zweck der Vorschrift spricht bereits, dass der Gesetzgeber es für Enteignungen im Sinne des § 1 Abs. 2 VermG bei der Entschädigung belassen und damit der Vorschrift einen über die Rückübertragung hinausgehenden Wiedergutmachungszweck zugewiesen hat. Vom Zweck der Wiedergutmachung von DDR-Unrecht werden aber auch die Tatbestandsalternativen Eigentumsverzicht, Schenkung und Erbausschlagung erfasst. Denn insoweit beruht der Verlust des Vermögenswertes darauf, dass die Betroffenen angesichts einer bereits eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Überschuldung des Grundstücks, die Folge der Eigentums- und Mietenpolitik der DDR war, keinen anderen Ausweg als den Verzicht auf diesen Vermögenswert gesehen und dabei dessen Übernahme in Volkseigentum in Kauf genommen haben. Es handelt sich um Akte der Selbstschädigung zugunsten des Volkseigentums, die durch die damaligen Verhältnisse erzwungen worden waren. Eigentumsverzicht, Schenkung und Erbausschlagung stellten sich deshalb als eine der förmlichen Enteignung vergleichbare „kalte Enteignung” von Grundstücken, Gebäuden und im vorliegenden Fall des Erbanteils an einem Grundstück zugunsten der ideologisch erwünschten Mehrung des Volkseigentums dar (Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 70.96 – BVerwGE 105, 172 ≪174≫ unter Hinweis auf die Erläuterung der Bundesregierung zum Vermögensgesetz, BTDrucks 11/7831, S. 3 und auch auf den Eckwert Nr. 4 der Gemeinsamen Erklärung).
Eine Sonderstellung des § 1 Abs. 2 VermG wird auch nicht dadurch begründet, dass diese Vorschrift über die Wiedergutmachung von „teilungsbedingtem Unrecht” insoweit hinausging, als sie „die Eigentümer von Mietgrundstücken im Osten wie im Westen gleichermaßen traf” (Erläuterung der Bundesregierung zum Vermögensgesetz, BTDrucks 11/7831, S. 1). Auch andere Schädigungstatbestände des § 1 VermG haben Vermögensentziehungen zum Gegenstand, die sich nicht gezielt gegen Eigentümer richteten, die ihren Wohnsitz außerhalb der DDR hatten oder nach Verlassen der DDR genommen haben. Dies gilt für § 1 Abs. 1 Buchst. a ebenso wie für Buchst. d VermG; die Entziehung der Unternehmen ging nicht mit einer gezielten Diskriminierung Gebietsfremder einher und betraf meist DDR-Bürger. Der Tatbestand der unlauteren Machenschaften (§ 1 Abs. 3 VermG) konnte ebenfalls beide Gruppen umfassen (vgl. Urteil vom 2. Mai 1996 – BVerwG 7 C 10.95 – BVerwGE 101, 143 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 72).
bb) Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass diejenigen, die unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG ihr Eigentum aufgegeben oder die Erbschaft ausgeschlagen haben, von einer Entschädigung und damit von jeglicher Wiedergutmachungsleistung ausgeschlossen sind, wenn die Restitution nach § 4 Abs. 1 oder 2 VermG ausgeschlossen ist. Für sie findet im Fall des redlichen Erwerbs des jetzigen Eigentümers kein sozialverträglicher Ausgleich statt. Dieser besteht nicht nur darin, dass sich die Rückgabe von Vermögenswerten nach (Ausschluss-)Gründen bestimmt, die das Ergebnis einer Abwägung zwischen dem Wiedergutmachungsinteresse des Alteigentümers und dem Vertrauensschutzinteresse des Erwerbers darstellen. Wesentlicher Bestandteil des sozialverträglichen Ausgleichs ist auch die Gewährung einer Entschädigung an den früheren Eigentümer oder Erben, der den Vermögenswert nicht zurückerhält. Bereits in der Gemeinsamen Erklärung vom 15. Juni 1990 haben sich beide Regierungen darauf verständigt, dass „ein sozialverträglicher Ausgleich an die ehemaligen Eigentümer durch Austausch von Grundstücken mit vergleichbarem Wert oder durch Entschädigung herzustellen” ist, sofern Eigentümer der DDR an zurückzuübereignenden Immobilien Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte in redlicher Weise erworben haben (Eckwert Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Nr. 4; ebenso Nr. 3 Buchst. a für die Fälle des § 5 VermG). Anderenfalls wäre der Berechtigte von einer Wiedergutmachung aus Gründen ausgeschlossen, die dieser nicht beeinflussen konnte und die sich für ihn als zufällig darstellen. Dies gilt nicht nur für die Weiterveräußerung eines in Volkseigentum überführten Grundstücks an einen redlichen Erwerber, sondern auch für den Ausschluss der Restitution nach § 5 VermG aus Gründen des öffentlichen Interesses. Wegen dieser Zufälligkeit ist in der Anhörung des Finanz- und des Rechtsausschusses des Bundestages zum Entwurf eines Entschädigungs- und Ausgleichsgesetzes die Auffassung vertreten worden, dass bei einem Restitutionsausschluss eine Entschädigung durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten ist (vgl. die schriftlichen Stellungnahmen von Stern und Maurer, Protokoll Nr. 57 des Finanzausschusses über die öffentliche Anhörung am 15. und 16. September 1993, 57/649 ≪661≫ und 57/701 ≪703≫).
cc) Der Ausschluss der Entschädigung für diejenigen, die ihr Eigentum oder ihr Erbe unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG aufgegeben haben, und damit die Abweichung von dem im Vermögensgesetz zugrunde gelegten Prinzip des sozialverträglichen Ausgleichs sind im Verhältnis zu den Berechtigten nach § 1 Abs. 1 und 3 VermG nicht durch einen sachlich hinreichenden Grund gerechtfertigt.
Die Bundesregierung hat in ihrer Erläuterung vom 12. September 1990 zu § 8 Abs. 1 Satz 2 VermG, auf die in der Begründung zu § 9 Abs. 1 Satz 2 VermG verwiesen worden ist, als einen solchen Grund den Umstand angesehen, dass „der Berechtigte sein Eigentum hier – wenn auch unter ökonomischem Zwang, dem aber auch Bürger der Deutschen Demokratischen Republik in gleicher Weise ausgesetzt waren – letztlich aufgrund eigener Entscheidung aufgegeben hat” (BTDrucks 11/7831, S. 8 f.). Diese Begründung, die zur Voraussetzung hat, dass dem Betroffenen ein Entscheidungsspielraum zur Verfügung stand, lässt unberücksichtigt, dass § 1 Abs. 2 VermG nur einen Ausschnitt der Fälle des Eigentumsverzichts, der Schenkung und der Erbausschlagung erfasst, nämlich diejenigen, die durch eine (ökonomische) Zwangssituation gekennzeichnet waren, in der die Betroffenen keinen anderen Ausweg mehr gesehen haben. Die Annahme einer „eigenen Entscheidung” steht im Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 VermG diese Tatbestände als der Enteignung vergleichbar angesehen und als wiedergutzumachendes Unrecht bewertet hat. Dementsprechend sind – wie bereits bemerkt – Eigentumsverzicht, Schenkung und Erbausschlagung in der Erläuterung der Bundesregierung zu diesem Schädigungstatbestand als „kalte Enteignung” bezeichnet worden; ein weiteres Festhalten am Eigentum habe in Anbetracht der bestehenden (oder unmittelbar bevorstehenden) Überschuldung als wirtschaftlich sinnlos erscheinen müssen (BTDrucks 11/7831, S. 2 f.). Wenn der Gesetzgeber für den Schädigungstatbestand, der Voraussetzung nicht nur der Rückübertragung des Grundstücks, sondern – regelmäßig – auch der Entschädigung ist, die rechtsgeschäftliche Eigentumsaufgabe und die Erbausschlagung der (förmlichen) Enteignung gleichstellt und sie wegen des „ökonomischen Zwangs” wie eine Enteignung behandelt, ist es ihm durch den Gleichheitssatz verwehrt, bei der Rechtsfolge im Widerspruch dazu eine andere Wertung vorzunehmen. Jedenfalls im Binnenbereich einer Regelung, also innerhalb der tatbestandlichen Voraussetzungen und deren Rechtsfolgen, ist er durch Art. 3 Abs. 1 GG zur Folgerichtigkeit verpflichtet (vgl. BVerfGE 17, 122 ≪123≫ zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes; BVerfGE 13, 31 ≪38≫ zur „Systemwidrigkeit” im Bundesentschädigungsgesetz; zur Folgerichtigkeit als Kriterium des Art. 3 Abs. 1 GG im Steuerrecht vgl. z.B. BVerfGE 84, 239 ≪271≫; Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl., 2000, 837 ≪942, Rn. 232≫; zur „Systemtreue” im Sozialversicherungsrecht vgl. Gitter, Anm. zu BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2000 – 1 BvL 1/98, 4/98, 15/99 – JZ 2000, 998 ≪1000, 1002≫). Gründe dafür, bei der Entschädigung eine andere Wertung vorzunehmen, sind nicht ersichtlich. Die finanzielle Leistungsfähigkeit, die im Unterschied zur Restitution bei der Entschädigung eine Rolle spielen kann, kann nicht Grundlage einer solchen widersprüchlichen Wertung sein.
In der Erläuterung der Bundesregierung zum Vermögensgesetz ist als weitere – in erster Linie auf den Ausschluss des Wahlrechts nach § 8 Abs. 1 Satz 2 VermG bezogene – Begründung genannt, dass es „unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht angemessen (erscheine), denjenigen, der sich seines Grundstücks unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse entledigt hat, anders zu behandeln als denjenigen, der sein Grundstück unter den gleichen Rahmenbedingungen behalten hat” (BTDrucks 11/7831, S. 8 f.). Der Erläuterung der Bundesregierung liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, dass durch eine Entschädigungsleistung an diejenigen, die auf ihre überschuldeten Grundstücke verzichtet haben, die Eigentümer benachteiligt werden könnten, die ihr Eigentum trotz Überschuldung behalten haben und nach der Wiedervereinigung für ihre „heruntergekommenen” Objekte keine Entschädigung erhalten können. Dieser Grund kann die in Rede stehende Ungleichbehandlung schon deshalb nicht rechtfertigen, weil er auf ein anderes Vergleichspaar bezogen ist. Abgesehen davon ist die Erwägung auch in der Sache schwerlich zutreffend, da nach der Wiedervereinigung die Grundstücke regelmäßig eine Wertsteigerung erfahren haben, so dass eine Benachteiligung in der Regel nicht eingetreten ist.
Ebenso wenig kann die Ungleichbehandlung gegenüber Geschädigten nach § 1 Abs. 1 und 3 VermG damit gerechtfertigt werden, dass es sich bei § 1 Abs. 2 VermG nicht um eine individuell diskriminierende Maßnahme gegenüber dem Eigentümer oder Erben, sondern letztlich um systembedingtes Unrecht und einen eher mittelbaren, längerfristigen Druck gehandelt habe (vgl. Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 1 EntschG Rn. 61, die aber selbst bezweifelt, ob dies ein tragfähiger Grund ist). Als systembedingtes Unrecht lässt sich auch der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG ansehen, ohne dass dies dort zum Ausschluss einer Entschädigung geführt hätte. Für die Einfügung der Überschuldungsfälle in die Schädigungstatbestände des § 1 VermG und für die Bewertung als wiedergutzumachendes Unrecht war darüber hinaus ausschlaggebend, dass es sich um die Aufgabe des Eigentums oder der Erbschaft in einer – wenn auch systembedingt herbeigeführten – Zwangssituation handelte. Ob die Einstufung als systembedingtes Unrecht es gerechtfertigt hätte, von einer Wiedergutmachung nach § 1 Abs. 2 VermG überhaupt abzusehen (vgl. Motsch, a.a.O., § 1 EntschG Rn. 59 zur zunächst ablehnenden Haltung der DDR-Regierung), kann dahinstehen. Wenn der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, dass es sich um restitutionswürdiges Unrecht handelt, darf er diejenigen, deren Rückgabeanspruch nach § 4 Abs. 1 oder 2 VermG ausgeschlossen ist, nur dann von einer Entschädigung ausschließen, wenn – wie bereits dargelegt – hierfür unter dem Aspekt der Entschädigung hinreichende Sachgründe bestünden. Ein solcher entschädigungsspezifischer Sachgrund hat ersichtlich für den Ausschluss der Entschädigung nach § 1 Abs. 3 EntschG keine Rolle gespielt.
Ebenso wenig kann ein hinreichender Differenzierungsgrund darin gesehen werden, dass Eigentumsaufgabe oder Erbausschlagung in rechtsgeschäftlicher Form erfolgte. Auch die Schädigungstatbestände des § 1 Abs. 1 Buchst. d und des § 1 Abs. 3 VermG beziehen Eigentumsverluste oder den Verlust eines Unternehmens auf der Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung in den Schädigungstatbestand ein, ohne dass dies zu einem daran anknüpfenden Entschädigungsausschluss geführt hätte. Der Beschluss des Präsidiums des Ministerrats vom 9. Februar 1972, der Grundlage der Entziehung von Unternehmen war (§ 1 Abs. 1 Buchst. d VermG), sah vor, dass die Betriebe mit staatlicher Beteiligung durch Kauf bzw. Auszahlung des privaten Anteils in Volkseigentum zu übernehmen sind (abgedruckt in: Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation 7, Enteignung und Offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Band II, 2. Aufl., Nr. 3.24). Vergleichbares gilt für die in § 1 Abs. 3 VermG getroffene Regelung. Einen wesentlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift bilden die Fälle, dass Berechtigte ihr Grundstück zu veräußern hatten, bevor sie die Genehmigung zur Ausreise aus der DDR erhielten (vgl. z.B. Beschluss vom 3. April 1998 – BVerwG 7 B 449.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 148).
b) Eine Unvereinbarkeit des § 1 Abs. 3 EntschG mit Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich des Weiteren daraus, dass der Gesetzgeber ohne hinreichenden sachlichen Grund die Entschädigung in den Fällen der Überschuldung unterschiedlich geregelt hat. Eine Entschädigung hat er durch § 1 Abs. 3 EntschG nur in den Fällen der „erzwungenen Selbstschädigung” (Eigentumsverzicht, Schenkung, Erbausschlagung) ausgeschlossen. Dagegen haben diejenigen, deren Grundstück unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 VermG enteignet worden ist, bei einem Restitutionsausschluss einen Anspruch auf Entschädigung. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass es sich bei der Enteignung um eine hoheitliche Zwangsmaßnahme handelte, während in den anderen Fällen des § 1 Abs. 2 VermG die Überführung des bebauten Grundstücks oder Gebäudes in Volkseigentum aufgrund einer Entscheidung des Betroffenen erfolgt ist. Denn bei den zuletzt genannten Tatbestandsalternativen handelt es sich, wie dargelegt, um Akte der erzwungenen Selbstschädigung, zu dem es gekommen ist, weil die Betroffenen keinen anderen Ausweg als den Verzicht auf den Vermögenswert gesehen haben (Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 70.96 – BVerwGE 105, 172 ≪174≫). Deshalb hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 VermG die Fälle des Eigentumsverzichts, der Schenkung und der Erbausschlagung der (förmlichen) Enteignung gleichgestellt und sie wegen des „ökonomischen Zwangs” ebenso wie eine Enteignung als wiedergutzumachendes Unrecht bewertet.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Kley, Herbert, Neumann
Fundstellen
NJW 2001, 698 |
BuW 2001, 562 |
DÖV 2001, 434 |
NJ 2000, 640 |
NJ 2001, 325 |
OVS 2000, 309 |