Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplan, Mitbestimmung bei Aufstellung eines –. Einigungsvertrag. Akademie der Wissenschaften der DDR, Forschungsinstitute und sonstige Einrichtungen. Absicherung, soziale – der Beschäftigten dieser Einrichtungen
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 EV stellt hinsichtlich der sozialen Absicherung der Beschäftigten der Forschungsinstitute und sonstigen Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR eine umfassende und abschließende Regelung unmittelbar durch den Gesetzgeber dar. Der Personalvertretung steht daher bei der Auflösung solcher Einrichtungen kein Initiativrecht auf Aufstellung eines Sozialplanes zu.
2. Die Regelung des Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 EV ist nicht mangels hinreichender sozialer Absicherung der Beschäftigten verfassungswidrig.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 1; PersVG Berlin § 85 Abs. 1 Nr. 9; Einigungsvertrag Art. 13 Abs. 1-2, Art. 38 Abs. 2 S. 3, Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 30. Oktober 1991 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller – der Personalrat des Instituts für Informatik und Rechentechnik – begehrt den Abschluß einer Dienstvereinbarung über einen Sozialplan.
Das Institut für Informatik und Rechentechnik, der Beteiligte zu 1, gehörte bis zum Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 zur Akademie der Wissenschaften der DDR, einem nach dem Recht der DDR selbständigen Träger mit eigener Rechtsfähigkeit. Gemäß Art. 38 Abs. 2 des Einigungsvertrages besteht das Institut als Einrichtung der Länder in dem in Art. 3 genannten Gebiet zunächst bis zum 31. Dezember 1991 fort. Nach einer Empfehlung des Wissenschaftsrates soll es in der bisherigen Form nicht fortgeführt werden.
Auf seiner Sitzung vom 4. März 1991 beschloß der Antragsteller den Entwurf eines Sozialplanes, den er dem Beteiligten zu 1 zur Stellungnahme vorlegte mit dem Ziel, eine entsprechende Dienstvereinbarung abzuschließen. Mit Schreiben vom 15. März 1991 erklärte der Beteiligte zu 1, daß er nicht Partner für den Abschluß eines Sozialplanes sei. Ein personalvertretungsrechtliches Einigungsverfahren wurde daher nicht eingeleitet. Daraufhin leitete der Antragsteller den Entwurf des Sozialplanes der von den neuen Bundesländern und Berlin gebildeten Koordinierungs- und Abwicklungsstelle für die Institute und Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR – KAI AdW –, der Beteiligten zu 2, zu, die am 22. März 1991 dem Antragsteller mitteilte, sie sei für den Abschluß von Sozialplänen nicht zuständig und das Personalvertretungsrecht sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Im übrigen sei der Entwurf nicht umsetzungsfähig, weil es für finanzielle Verpflichtungen aus einem Sozialplan weder im Rahmen der Bund-Länder-Übergangsfinanzierung noch in den einzelnen Länderhaushalten eine Deckung gebe.
Am 6. März 1991 beschloß die Beteiligte zu 2 befristete finanzielle Übergangshilfen bei Beendigung von Arbeitsverhältnissen der Beschäftigten ehemaliger Einrichtungen und Institute der früheren Akademie der Wissenschaften (sogenanntes Elemente-Papier). Danach erhalten bestimmte Beschäftigte bei einem einvernehmlichen Ausscheiden vor dem 31. Dezember 1991 eine je nach dem Zeitpunkt ihres Ausscheidens gestaffelte übergangshilfe. Dies hat dazu geführt, daß eine Reihe von Beschäftigten des Beteiligten zu 1 inzwischen ausgeschieden ist.
Am 3. Mai 1991 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, daß der Beteiligte zu 1 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Aufstellung des Sozialplanes für die Dienststelle gemäß § 85 Abs. 1 Ziff. 9 PersVG Berlin verletzt habe, und den Beteiligten zu 1 zu verpflichten, das Mitbestimmungsverfahren bei der Aufstellung des Sozialplanes einzuleiten und diesem Fortgang zu geben,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beteiligte zu 2 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Aufstellung des Sozialplanes gemäß § 85 Abs. 1 Ziff. 9 PersVG Berlin verletzt habe, und die Beteiligte zu 2 zu verpflichten, das Mitbestimmungsverfahren bei der Aufstellung des Sozialplanes einzuleiten und diesem Fortgang zu geben.
Mit Beschluß vom 28. Juni 1991 hat das Verwaltungsgericht den Antrag insgesamt abgelehnt. Die Beschwerde des Antragstellers hiergegen blieb ohne Erfolg, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 2 hätten das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers hinsichtlich des von ihm vorgelegten Sozialplanes nicht verletzt; dem Antragsteller stehe kein Anspruch auf Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens zu.
Als Rechtsgrundlage für das von dem Antragsteller beanspruchte Initiativrecht kämen lediglich § 72 Abs. 1 Nr. 1 und § 85 Abs. 1 Nr. 9 PersVG Berlin in Betracht. Auf Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes oder des Gesetzes der DDR zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes könne sich der Antragsteller hingegen nicht berufen. Das PersVG Berlin gelte nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Berliner Landesrechts nunmehr in ganz Berlin. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage werde vom PersVG Berlin geregelt, weil das Institut aufgrund der Regelung in Art. 38 Abs. 2 Satz 3 des Einigungsvertrages eine Einrichtung des Landes Berlin sei. Es sei allein im Lande Berlin belegen und werde als eine Einrichtung des Landes Berlin fortgeführt, bis über sein weiteres Schicksal ebenfalls vom Lande Berlin entschieden werde.
Auf sein allgemeines Initiativrecht nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 PersVG Berlin könne sich der Antragsteller nicht berufen, da es sich durch die Ablehnung seitens des Beteiligten zu 1 erledigt habe. Ein weitergehendes, qualifiziertes Initiativrecht nach § 85 Abs. 1 Nr. 9 PersVG Berlin stehe dem Antragsteller nicht zu, weil es sich bei der Entscheidung, ob, in welchem Umfang, mit welcher Zielrichtung und mit welchen Beschäftigten das Institut für Informatik und Rechentechnik fortgeführt werden solle, nicht um eine Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts handele.
Das PersVG Berlin definiere den Begriff der Rationalisierungsmaßnahme nicht. Der Begriff sei in verschiedenen Rationalisierungsschutzabkommen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften verwendet worden und habe insoweit in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung eine Auslegung gefunden. So verstehe das Bundesarbeitsgericht unter einer Rationalisierung im Sinne des § 3 des Tarifvertrages zur Abwendung sozialer Härten bei Rationalisierungsmaßnahmen im graphischen Gewerbe „alle Maßnahmen zur Steigerung des wirtschaftlichen Erfolges unter Einschluß von Änderungen im Fertigungs- und Verteilungsprozeß, die zur Einsparung menschlicher Arbeitskräfte führen”. Nach dem LAG Rheinland-Pfalz gälten als Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne des § 2 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter alle vom Arbeitgeber veranlaßten erheblichen Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationellen Arbeitsweise, wenn diese Maßnahmen für Arbeiter zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führten; die Maßnahme müsse eine anforderungsgerechte, wirtschaftliche und kostengünstige Aufgabenerfüllung bezwecken. Ähnliche Begriffsbestimmungen würden sich in der Literatur finden, wobei übereinstimmend hervorgehoben werde, daß Rationalisierungsmaßnahmen darauf abzielten, mit gleichem Personalbestand mehr Leistung oder mit weniger Personal die gleiche Leistung zu erreichen.
Ob es einen für alle Bereiche zutreffenden und abschließenden Begriff der Rationalisierungsmaßnahme gebe, könne hier dahinstehen. Jedenfalls stelle die auf der Grundlage des Art. 38 Einigungsvertrag zu treffende Entscheidung über den Fortbestand des Instituts für Informatik und Rechentechnik keine Rationalisierungsmaßnahme dar. Es handele sich vielmehr um die Her stellung der Deutschen Einheit auf dem Gebiet von Wissenschaft und Forschung als Teil des Prozesses der Wiedervereinigung Deutschlands. Hauptziele des Art. 38 seien die Ausrichtung auf die grundgesetzliche Verfassungsordnung und Verfassungswirklichkeit sowie die Anhebung auf das im alten Bundesgebiet erreichte Niveau. Auch wenn nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates eine Einrichtung überhaupt nicht fortgeführt werden solle oder – wie hier – in Teilbereichen und in veränderter Form und Organisation und teilweise mit weniger Beschäftigten fortgeführt werden solle, handele es sich dabei nicht um eine Rationalisierungsmaßnahme. Es gehe dabei nicht darum, bisherige Aufgaben des Instituts mit weniger Personal oder höhere Leistungen mit gleichbleibendem Personalbestand zu erzielen, vielmehr handele es sich in erster Linie und für den Charakter der Entscheidung prägend um die Neustrukturierung eines demokratisch verfaßten Wissenschaftsbetriebes und die Anpassung früherer zentralistischer Wissenschaftsstrukturen an das Gefüge des Grundgesetzes.
Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Er beantragt,
unter Aufhebung der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin – Fachsenat für Personalvertretungssachen Berlin – vom 30. Oktober 1991 und des Verwaltungsgerichts Berlin – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Berlin) – vom 28. Juni 1991 festzustellen, daß der Beteiligte zu 1 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Aufstellung des Sozialplanes für die Dienststelle verletzt hat, und den Beteiligten zu 1 zu verpflichten, das Mitbestimmungsverfahren bei der Aufstellung des Sozialplanes einzuleiten und diesem Fortgang zu geben,
hilfsweise festzustellen, daß die Beteiligte zu 2 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der Aufstellung des Sozialplanes verletzt habe, und die Beteiligte zu 2 zu verpflichten, das Mitbestimmungsrecht bei der Aufstellung des Sozialplanes einzuleiten und diesem Fortgang zu geben.
Der Antragsteller führt aus, das Beschwerdegericht habe den Begriff der Rationalisierungsmaßnahme zu eng ausgelegt. Wie sich aus dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte, Länder/Gemeinde, ergebe, seien als Rationalisierungsmaßnahmen auch die Stillegung oder Auflösung einer Verwaltung oder eines Verwaltungsteils zu verstehen. Diese Voraussetzung sei gegeben, da das Institut für Informatik und Rechentechnik jedenfalls am 31. Dezember 1991 geschlossen werde, auch wenn einzelne Einrichtungen bzw. Teileinrichtungen über diesen Zeitpunkt fortbestünden. Die Protokollnotiz zu Abs. 1 des Rationalisierungsschutzvertrages Ziff. 2 stehe nicht entgegen, denn die Einschränkung der Aufgaben des Instituts werde nicht unmittelbar durch den Gesetzgeber bewirkt. Aber auch bei Anwendung des Begriffes der Rationalisierungsmaßnahme im Sinne der angefochtenen Entscheidung komme man unter Berücksichtigung der Empfehlung des Wissenschaftsrates und der dafür gegebenen Begründung zu dem Ergebnis, daß die Schließung des Instituts eine anforderungsgerechte, wirtschaftliche und kostengünstige Aufgabenerfüllung bezwecke. Mit weniger Personal solle die gleiche Leistung erzielt werden, wobei nicht erheblich sei, wie das Personal künftig organisiert sei. Dementsprechend habe der Direktor des Beteiligten zu 1 in einem Schreiben vom 20. Dezember 1990 an die Koordinierungs- und Abwicklungsstelle dargelegt, welchen Mitarbeitern des Instituts aus Gründen der betrieblichen Rationalisierung gekündigt werden müsse. Daß es zu diesen Kündigungen nicht gekommen sei, sei lediglich darauf zurückzuführen, daß die betroffenen Beschäftigten aufgrund des sogenannten Elemente-Papiers Aufhebungsverträge abgeschlossen hätten, um eine überbrückungsbeihilfe zu erlangen. Auch unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Art. 38 Einigungsvertrag sei die beabsichtigte Maßnahme als Rationalisierungsmaßnahme anzusehen.
Die Beteiligte zu 2 beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Rechtsbeschwerdeverfahren. Er trägt vor, daß sich die Rechtsfolgen aus dem Nichtfortbestehen des Instituts für Informatik und Rechentechnik abschließend aus Art. 38 Abs. 2 und 3 EV ergäben. Im übrigen sei die Entscheidung nach dieser Vorschrift nicht als Rationalisierungsmaßnahme anzusehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die – zulässige – Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Beteiligten kein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt haben und der Antragsteller hinsichtlich des von ihm vorgelegten Sozialplanes keinen Anspruch auf Fortführung des Mitbestimmungs verfahrens hat.
Die angefochtene Entscheidung geht davon aus, daß dem Antragsteller das beanspruchte Initiativrecht dann zusteht, wenn sich die auf der Grundlage des Art. 38 Abs. 2 Satz 3 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990, BGBl. II S. 889 – EV – zu treffende Entscheidung über den Fortbestand des Instituts für Informatik und Rechentechnik über den 31. Dezember 1991 hinaus als eine „Rationalisierungsmaßnahme” im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 9 PersVG Berlin darstellt. Als Rechtsgrundlage für das Initiativrecht komme lediglich diese Vorschrift des Berliner Personalvertretungsgesetzes in Betracht, da das Institut allein im Land Berlin belegen und damit nunmehr eine Einrichtung dieses Landes sei. Der Wortlaut des Art. 38 Abs. 2 Satz 3 EV lasse zwar auch die Auslegung zu, daß die Länder des Beitrittsgebiets nach Art. 3 gemeinsam Träger der Forschungsinstitute und sonstigen Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR geworden seien. Aus dem systematischen Zusammenhang mit anderen Vorschriften des Einigungsvertrages sei jedoch zu folgern, daß Institute, die in nur einem Land angesiedelt seien, als Einrichtungen dieses Landes fortbestünden. Im vorliegenden Fall kann jedoch die Frage, ob für das vom Antragsteller geltend gemachte Initiativrecht die einschlägige Mitbestimmungsvorschrift des Berliner Personalvertretungsgesetzes oder die des Gesetzes der DDR zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) anwendbar ist – unabhängig davon, daß die Vorschriften nahezu wörtlich übereinstimmen –, deshalb offenbleiben, weil Art. 38 Abs. 2 und 3 EV hinsichtlich der Folgen der danach zu treffenden Entscheidung für die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten eine abschließende Regelung trifft, die jedenfalls die Anwendbarkeit von Vorschriften über die Mitbestimmung der Personalvertretung bei der Aufstellung von Sozialplänen allgemein ausschließt. Der Einigungsvertrag trägt insoweit für diesen Teil des Wissenschaftsbereiches der besonderen Lage, die durch die Herstellung der Einheit Deutschlands entstanden ist, umfassend Rechnung, so daß auch nicht darüber zu befinden ist, ob es sich bei der Entscheidung über die Fortführung bzw. Nichtfortführung des Instituts um eine „Rationalisierungsmaßnahme” handelt.
Art. 38 EV dient nach Abs. 1 Satz 2 der notwendigen Erneuerung von Wissenschaft und Forschung im Beitrittsgebiet unter Erhaltung leistungsfähiger Einrichtungen. Nach der Denkschrift der Bundesregierung zu Art. 38 EV (abgedruckt bei: Stern/ Schmidt-Bleibtreu, Verträge und Rechtsakte zur Deutschen Einheit, Bd. 2, S. 174 f.) waren sich die Vertragspartner bei Abschluß des Einigungsvertrages darüber einig, daß die durch zentralistische Lenkung und falsche inhaltliche und strukturelle Entscheidungen fehlgeleitete, in breiten Bereichen zum Mißerfolg geführte Wissenschaft und technologische Entwicklung im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik rasch umstrukturiert und belebt werden müsse. Die von Art. 38 EV verfolgten Hauptziele seien die Ausrichtung von Wissenschaft und Forschung auf die grundgesetzliche Verfassungsordnung und Verfassungswirklichkeit sowie die Anhebung auf das im jetzigen Bundesgebiet erreichte Niveau. Art. 38 EV solle ermöglichen, daß auch für Wissenschaft, Forschung und technologische Entwicklung im Gebiet der DDR die grundgesetzlichen Rahmenbedingungen (Freiheit der Wissenschaft, Autonomie der Wissenschaftler und Wissenschaftseinrichtungen, Vorrang der Initiative von Wissenschaft und Wirtschaft vor staatlichem Handeln, bundesstaatliche Struktur der Förderung von Wissenschaft und Technik) rasch zur Geltung gebracht würden. Um diese Ziele in einem geordneten Verfahren zu erreichen, war die Begutachtung aller Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften durch den Wissenschaftsrat vorgesehen, die bis zum 31. Dezember 1991 abgeschlossen sein sollte, wobei einzelne Ergebnisse schon vorher schrittweise umgesetzt werden sollten. Gemäß Abs. 2 Satz 3 des Art. 38 EV bestehen daher die Forschungsinstitute und sonstigen Einrichtungen zunächst bis zum 31. Dezember 1991 als Einrichtungen der Länder in dem in Art. 3 genannten Gebiet fort, soweit sie nicht vorher aufgelöst oder umgewandelt werden. Für denselben Zeitraum – längstens jedoch bis zur etwaigen Neugestaltung des jeweiligen Teilbereichs – soll grundsätzlich auch der Personalbestand der Einrichtungen erhalten bleiben; die Arbeitsverhältnisse der bei diesen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer bestehen daher bis zum 31. Dezember 1991 als befristete Arbeitsverhältnisse mit den Ländern fort, auf die diese Institute und Einrichtungen übergehen (Art. 38 Abs. 3 Satz 1 EV). Unter anderem im Interesse einer möglichst raschen Umsetzung entscheidungsreifer Ergebnisse in Teilbereichen bleiben jedoch das Recht zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung dieser Arbeitsverhältnisse in den in Anlage I des Einigungsvertrages aufgeführten Tatbeständen nach Abs. 3 Satz 2 dieser Vorschrift unberührt.
Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 regeln, wie der Oberbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, für die Beschäftigten der Forschungsinstitute und sonstigen Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR nicht nur die Beendigung der Arbeitsverhältnisse, sondern auch ihre soziale Absicherung abschließend. Damit sind auf diesen Teil des Wissenschaftsbereiches Art. 13 EV über den „Übergang von Einrichtungen” sowie die gemäß Art. 20 Abs. 1 EV für die „Rechtsverhältnisse der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst” geltende Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV (im folgenden: Anlage I) nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift wurden – soweit nicht die betreffende Einrichtung durch Beschluß der jeweiligen Landesregierung nach Art. 13 Abs. 1 Satz 4 EV oder durch Entscheidung des zuständigen Bundesministers nach Art. 13 Abs. 2 Satz 2 EV überführt wurde – die Arbeitsverhältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten in ein zunächst ruhendes und alsdann nach sechs bzw. neun Monaten durch Fristablauf auslaufendes Beschäftigungsverhältnis umgewandelt, und die Betroffenen erhielten während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses ein monatliches Wartegeld in Höhe von 70 % des durchschnittlichen monatlichen Arbeitsentgelts der letzten sechs Monate (zur sozialen Funktion dieser Ruhensregelung vgl. die Erläuterungen der Bundesregierung zum Anlagenteil des Einigungsvertrages; anders Art. 38 Abs. 3 Satz 2 EV in Fällen der ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung). Daß es sich bei Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 EV um eine nicht der Ergänzung durch die Anlage I fähige Spezialregelung handelt, folgt zunächst aus der Gesetzessystematik, da sich die Art. 13 und 20 EV in dem Kapitel V „Öffentliche Verwaltung und Rechtspflege”, Art. 38 EV aber in dem Kapitel VIII „Kultur, Bildung und Wissenschaft, Sport” befinden. Davon abgesehen spricht die Art der nach der Begutachtung durch den Wissenschaftsrat hinsichtlich des Fortbestandes der Einrichtungen zu treffenden komplexen Entscheidungen gegen die entsprechende Anwendung der Anlage I. Zudem wäre bei Anwendbarkeit der Anlage I im Rahmen des Art. 38 EV die Verweisung in Abs. 3 Satz 2 dieser Vorschrift auf die Kündigungstatbestände in der Anlage I nicht erforderlich gewesen. Nach alledem bestanden die Arbeitsverhältnisse der bei dem Institut für Informatik und Rechentechnik beschäftigten Arbeitnehmer nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 zunächst – unter Zahlung der vollen Bezüge – weiter; sie werden jedoch mit der Auflösung dieser Einrichtung am 31. Dezember 1991 unmittelbar kraft Gesetzes beendet, ohne daß insoweit die Gewährung von Wartegeld nach diesem Zeitpunkt in Betracht käme.
Diese Regelung orientiert sich an dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) und stellt gleichsam einen – das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung verdrängenden – Sozialplan in Gesetzesform dar. Durch das Weiterbestehen der Arbeitsverhältnisse bis zum 31. Dezember 1991 bei Zahlung der vollen Bezüge will der Gesetzgeber des Einigungsvertrages ersichtlich die sozialen Härten mildern, die den Beschäftigten durch den Verlust der Arbeitsplätze infolge der Auflösung von Einrichtungen entstehen können. Dies setzt allerdings – bei einer Bewerbung für eine Weiterbeschäftigung – eine rechtzeitige Mitteilung über den möglicherweise bevorstehenden ersatzlosen Verlust des Arbeitsplatzes voraus (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1991 – 1 BvR 454/91 – u.a.), um hinreichend Gelegenheit für Bemühungen um eine andere Arbeitsmöglichkeit für die Zeit nach dem 31. Dezember 1991 zu geben; einer weiteren Auslauffrist zu diesem Zweck bedurfte es nicht. Im wesentlichen sind die Beschäftigten so durch diese gesetzliche Regelung gestellt worden, wie wenn zum Ausgleich oder zur Milderung der ihnen durch eine Rationalisierungsmaßnahme entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für jede einzelne aufzulösende Einrichtung ein Sozialplan vereinbart worden wäre. Nach der Zweckbestimmung des Art. 38 EV soll diese soziale Absicherung der Beschäftigten der Forschungsinstitute und sonstigen Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR jedenfalls einheitlich erfolgen. Dem würde es widersprechen, wenn zur Ergänzung der gesetzlichen Regelung jede einzelne Einrichtung aufgrund des Initiativrechts der Personalvertretung zur Aufstellung eines Sozialplanes verpflichtet werden könnte, wodurch dann die sozialen Folgen der Neustrukturierung dieses Wissenschaftsbereiches möglicherweise unterschiedlich gestaltet würden. Darauf, ob die gebotene Verfahrensweise eingehalten worden ist, und darauf, ob bei etwaiger Nichteinhaltung möglicherweise besondere Individualansprüche entstehen könnten, kommt es für die Rechtsauslegung im vorliegenden Fall nicht an. Dies ist eine Frage des konkreten Gesetzesvollzuges und der im Einzelfall daran anknüpfenden Rechtsfolgen. Der im Gesetz abstrakt angelegte Ausschluß von Sozialplänen kann dadurch nicht anders bewertet werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Auslegung des Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 EV bestehen nicht. Die Regelung ist nicht mangels hinreichender sozialer Absicherung der Beschäftigten oder aus anderen Gründen verfassungswidrig. Insbesondere ist der Gesetzgeber des Einigungsvertrages seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, sich bei der Rechtsetzung auch an sozialstaatlichen Anforderungen zu orientieren, hinreichend nachgekommen. Die Beschäftigten der Forschungsinstitute und sonstigen Einrichtungen der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR sind durch Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 EV gegenüber den anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes erheblich bessergestellt, da ohne diese Sonderregelung ihre Arbeitsverhältnisse wesentlich früher beendet worden wären; außerdem hätten sie aufgrund der Ruhensregelung nach der Anlage I statt der vollen Bezüge nur ein Wartegeld in Höhe von 70 % der bisherigen Einkünfte erhalten. Wenn der Gesetzgeber schon – wie das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – (DVBl. 1991, 580) zur Ruhensregelung der Anlage I ausgeführt hat – für die Beschäftigten in den Einrichtungen nach Art. 13 EV, die nicht mehr benötigt werden, grundsätzlich eine generelle Beendigung der Arbeitsverhältnisse nach mehrmonatigem Ruhen vorsehen durfte, wenn soziale Härten abgemildert werden, so gilt dies erst recht für die den Beschäftigten bei angemessener Verfahrensgestaltung wesentlich günstigere Regelung des Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 EV.
Dafür, daß die Sicherung der Funktionsfähigkeit von Wissenschaft und Forschung aus verfassungsrechtlichen Gründen eine weitergehende soziale Abfederung dieser Beschäftigten notwendig machen würde, bestehen keine Anhaltspunkte. Abgesehen davon könnte, selbst wenn Art. 38 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 EV unter Berücksichtigung der von dem Bundesverfassungsgericht in dem o.a. Urteil festgelegten Grundsätze für sozial besonders benachteiligte Personen oder im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG der Ergänzung bedürfte, daraus für die hier zu entscheidende Streitfrage nichts hergeleitet werden. Eine solche Ergänzung stünde nämlich allein dem Gesetzgeber zu und wäre daher nicht Aufgabe des Gerichts.
Die Rechtsbeschwerde ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.
Unterschriften
Niehues, Nettesheim, Ernst, Albers, Vogelgesang
Fundstellen