Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1, über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in Teil A II 5.1.3 und über die Grenzziehung des Entschädigungsgebietes Außenwohnbereich in Teil A II 5.1.5 Nr. 2 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegensteht, wird er aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 tragen die Kläger als Gesamtschuldner 3/4. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen der Beklagte und die Beigeladene zu 1 jeweils 1/8. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld. Sie sind in ehelicher Vermögensgemeinschaft Eigentümer des zu Wohnzwecken genutzten Grundstückes Gemarkung Köpenick, Straße … Nr. … in Berlin-Müggelheim. Das Grundstück liegt in der Umgebung des planfestgestellten Flughafens, wird aber nicht für das Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen. Die Kläger fühlen sich insbesondere durch den zu erwartenden Fluglärm beschwert.
Mit ihrer am 19. Oktober 2004 erhobenen Klage beantragen die Kläger,
den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 in der Fassung vom 21. Februar 2006 aufzuheben,
hilfsweise: festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und solange nicht vollziehbar ist, bis dessen Mängel durch ein ergänzendes Verfahren behoben worden sind.
Der Beklagte und die beigeladenen Träger des Vorhabens beantragen Abweisung der Klage.
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben nahezu 4000 Personen Klagen erhoben, die in rund 60 Verfahren zusammengefasst waren. Der beschließende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab Musterverfahren durchzuführen und die übrigen Verfahren auszusetzen. Die Beteiligten aller Verfahren sind dazu gemäß § 93a Abs. 1 Satz 2 VwGO angehört worden, die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens mit Schreiben vom 28. April 2005. Die Kläger, deren Klage nicht als Musterverfahren vorgesehen war, haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, sich zu dem beabsichtigten Vorgehen zu äußern, keinen Gebrauch gemacht. Mit Beschluss vom 3. August 2005 – BVerwG 4 A 1041.04 – hat der Senat das vorliegende Verfahren gem. § 93a Abs. 1 VwGO ausgesetzt.
Über die ausgewählten Musterklagen, die in vier Verfahren zusammengefasst waren, ist auf die mündliche Verhandlung vom 7. bis 9., 14. bis 16. und 21. bis 23. Februar 2006 durch Urteile vom 16. März 2006 entschieden worden (vgl. (BVerwG 4 A 1001.04, BVerwG 4 A 1073.04, BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG 4 A 1075.04 – letzteres abgedruckt in BVerwGE 125, 116 ff.). Die Anfechtungsklagen wurden abgewiesen, die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten, soweit es um besseren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg.
Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 hat das Gericht die Kläger darauf hingewiesen, dass ihr Verfahren nach dem rechtskräftigen Abschluss der Musterverfahren fortzuführen sei (Aktenzeichen BVerwG 4 A 1053.06), gegebenenfalls auch nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 VwGO. Ein Abdruck des Urteils vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – und des Protokolls über die mündliche Verhandlung wurden den Prozessbevollmächtigten der Kläger übersandt; eine Übersendung der drei weiteren, nahezu inhaltsgleichen Musterurteile wurde den Klägern bei Bedarf angeboten. Die Kläger haben sich zur Sache nicht geäußert, sondern beantragt, in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO das Verfahren bis zur Entscheidung über die gegen die Musterurteile erhobenen Verfassungsbeschwerden auszusetzen. Der Beklagte wendet sich gegen eine Aussetzung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – (BVerwGE 125, 116 ff.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung in den Musterverfahren verwiesen.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat macht von der ihm durch § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Eine erneute Aussetzung des Verfahrens kommt im Hinblick auf die ungewisse Dauer der Verfahren über die Verfassungsbeschwerden nicht in Betracht. Dies hat der Senat den Klägern bereits mit Schreiben vom 16. Oktober und 6. November 2006 mitgeteilt.
1. Die Voraussetzungen für ein Entscheidung nach § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO sind gegeben.
Über die Musterklagen ist durch die Urteile vom 16. März 2006 (BVerwG 4 A 1001.04, BVerwG 4 A 1073.04, BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG 4 A 1075.04 – letzteres abgedruckt in BVerwGE 125, 116 ff.) rechtskräftig entschieden worden. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entscheidungsform gehört worden (§ 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das Gericht hat die Kläger mit Schreiben vom 29. Juni, 16. Oktober sowie 6. November 2006 aufgefordert, sich zu der Frage zu äußern, ob der hier zu entscheidende Streitfall gegenüber den Musterurteilen wesentliche Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder ob der Sachverhalt noch nicht geklärt ist. Hierzu haben die Kläger nichts vorgetragen.
Nach einstimmiger Auffassung des Senats ist der Sachverhalt des hier zu entscheidenden Streitfalles geklärt. Die Lage des Wohngrundstücks der Kläger ist bekannt. Es befindet sich innerhalb des in Anlage 2 zum Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 festgelegten Nachtschutzgebietes, aber außerhalb des Tagschutzgebietes. Daraus folgt, dass das Grundstück in erheblichem Maße von nächtlichem Fluglärm betroffen wäre und dass den Klägern deshalb ein Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen nach Maßgabe der Regelungen im Planfeststellungsbeschluss zusteht. Weder dem Klagevorbringen noch dem sonstigen Akteninhalt lässt sich entnehmen, dass entscheidungserhebliche Tatsachen noch aufgeklärt werden müssten.
Der Senat ist weiterhin einstimmig der Auffassung, dass die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Von solchen Besonderheiten ist regelmäßig dann auszugehen, wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in den entschiedenen Verfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen könnte (vgl. Rudisile in: Schoch u.a., VwGO Kommentar, Stand: April 2006, § 93a VwGO Rn. 20). Solche Rechts- oder Tatsachenfragen sind seitens der Kläger nicht vorgetragen worden. Sie sind auch nicht aus der Klageschrift oder den sonstigen Verfahrensakten ersichtlich. Die Lärmeinwirkungen unter Berücksichtigung der festgesetzten Schutzgebiete sind für die Kläger nicht anders zu beurteilen als für die Kläger der Musterverfahren. Die Grundstücke der dortigen Kläger repräsentieren die gesamte Bandbreite der möglichen Lärmbelastungen, nämlich von Grundstücken, die in keinem der vier Schutzgebiete (Tagschutzgebiet, Nachtschutzgebiet, Entschädigungsgebiet Außenwohnbereich, Übernahmeanspruch) liegen, über Grundstücke, die nur von einigen dieser Schutzgebiete erfasst sind, bis hin zu Grundstücken, die in allen Schutzgebieten liegen. Damit ist in den Musterurteilen auch über die Lärmbetroffenheiten solcher (Wohn)Grundstücke entschieden worden, die wie das Grundstück der Kläger (nur) vom Nachtschutzgebiet umfasst sind.
2. Der Antrag der Kläger, den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 aufzuheben, ist nicht begründet. Der Senat nimmt Bezug auf die Gründe in den genannten Musterurteilen. Diese Gründe, denen nichts hinzuzufügen ist, gelten uneingeschränkt auch für die Kläger, die als nur mittelbar Betroffene ohnehin nur eingeschränkt klagebefugt sind.
3. Auf den Hilfsantrag der Kläger ist der Beklagte in dem sich aus der Entscheidungsformel ergebenden Umfang zur Planergänzung zu verpflichten. Diese Verpflichtung ist inhaltsgleich mit dem entsprechenden Ausspruch in den Musterurteilen.
Der in der Klageschrift formulierte Hilfsantrag ist zwar nur allgemein formuliert, ohne die begehrte Planergänzung im Einzelnen zu präzisieren. Aus der Klagebegründung ergibt sich indes, dass die Kläger sich u.a. gegen den nächtlichen Flugbetrieb wenden und die Rechtmäßigkeit des im Planfeststellungsbeschluss angeordneten passiven Schallschutzes in Zweifel ziehen. Bei sachdienlicher Auslegung des Hilfsantrags ist somit der Antrag auf Planergänzung auch auf die Gesichtspunkte gerichtet, die Gegenstand des Verpflichtungsausspruchs in den Musterurteilen sind. Weitergehende Planergänzungsansprüche haben die Kläger aus den in den Musterurteilen dargelegten Gründen nicht.
III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen