Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 16.08.2012; Aktenzeichen 1 K 202/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2012 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2012 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam. Mit diesem Urteil war ihre Klage mit dem Antrag abgewiesen worden, die Beklagte unter Aufhebung des 2. Teilbescheides des Bundesamtes vom 20. Januar 2010 zu verpflichten, das Grundstück in … G.-G., Grundstück A…, Gemarkung G.-G., Flur …, Flurstück …, an die Klägerin zurückzuübertragen.
Rz. 2
Die Beschwerde, mit der sowohl Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) als auch Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und eine Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) erhoben werden, hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Der Beschwerdebegründung ist keine hinreichende Darlegung von Verfahrensmängeln im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu entnehmen, auf denen das angegriffene Urteil beruhen kann.
Rz. 4
Die Klägerin macht zwar geltend, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt. Ihr Vorbringen genügt jedoch nicht den prozessrechtlichen Anforderungen. Eine Aufklärungsrüge im Hinblick auf § 86 Abs. 1 VwGO setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nicht nur die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz ermittlungsbedürftig gewesen wären, sondern darüber hinaus auch, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 13. Januar 2009 – BVerwG 9 B 64.08 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 372 S. 20 und vom 5. März 2010 – BVerwG 5 B 7.10 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 94 S. 11 f. m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Rz. 5
Das Verwaltungsgericht ist im angegriffenen Urteil in Würdigung der ihm vorliegenden Akten zu der Schlussfolgerung gelangt, vor Ablauf der Frist des § 30a VermG (31. Dezember 1992) sei durch die Klägerin keine auf das streitgegenständliche Grundstück Grundstück A…, Flurstück …, bezogene Anmeldung erfolgt. Alle Einzelanmeldungen der Klägerin vom 1. August 1991, 24. September 1991, 6. November 1991 sowie 18. Dezember 1992 hätten nach ihrem Wortlaut und dem Zusammenhang lediglich das Grundstück “Grundstück B…” bzw. die von ihr als damit identisch angesehene Liegenschaft “Grundstück C…” erfasst. Einer anderen Auslegung seien diese Einzelanmeldungen aus den im Urteil näher dargelegten Gründen nicht zugänglich. Auch die Globalanmeldungen der Klägerin führten unter Einbeziehung der erfolgten Verweisung auf das jüdische Adressbuch von Groß-Berlin, Ausgabe 1931, und der Eintragungen im Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus nicht zu dem streitigen Grundstück “Grundstück A…” hin. Das Vorbringen der anwaltlich vertretenen Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, beinhaltet letztlich den Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die Anmeldungsschreiben und die Akten anders würdigen müssen. Das reicht für die Darlegung eines Aufklärungsmangels nicht aus. Die Klägerin beanstandet mit ihrer Beschwerde lediglich, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, konkret zu eruieren, welche Grundstücksfläche zu welcher Zeit als “Grundstück B…” galt, insbesondere wo die frühere “Grundstück B…” genau belegen war und welche Größe die “Grundstück B…” genau hatte. Sie schildert dabei zwar aus ihrer Sicht die Veränderungen der Grundstücksflächen, der Grundstücksbezeichnungen und der Hausnummern im Gefolge der nach 1933 erfolgten Verkaufsvorgänge und kritisiert die Sachverhaltsaufklärung und – würdigung des Verwaltungsgerichts. Die Beschwerdebegründung lässt aber insbesondere nicht erkennen, welche konkreten Beweismittel für die von ihr vermisste weitere gerichtliche Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung gestanden hätten und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte. Außerdem wird mit der Beschwerde nicht nachvollziehbar dargetan, aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die von der Klägerin vermisste Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Letzteres hat die Klägerin lediglich behauptet. Schließlich wird mit der Beschwerde nicht dargelegt, inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Denn das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin sinngemäß als aufklärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob das streitgegenständliche Grundstück “Grundstück A…” aus dem früheren Grundstück “Grundstück B…” hervorgegangen ist und ob dieses frühere Grundstück zuvor “D.straße” genannt worden ist, für unerheblich gehalten, weil die Klägerin mit ihren diversen Anmeldungen unter der Bezeichnung “Grundstück B…” selbst nur das Grundstück “Grundstück C…” verstanden habe, nicht aber das Grundstück “Grundstück A…”. Dabei hat es sich auf verschiedene Erklärungen der Klägerin, namentlich ihr Schreiben vom 4. Februar 1994 bezogen, das es zur Ermittlung des von der Klägerin mit der Anmeldung objektiv Gewollten herangezogen hat. Vor diesem Hintergrund sei kein Raum für die Annahme, irgendeine der genannten Einzelanmeldungen könne neben der “Grundstück C…” auch noch die “Grundstück A…” gemeint haben. Mit dieser Würdigung ihres Vorbringens im angefochtenen Urteil hat sich die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht auseinandergesetzt und damit insgesamt die Entscheidungserheblichkeit der von ihr vermissten Sachverhaltsaufklärung nicht dargetan.
Rz. 6
2. Die von der Klägerin erhobenen Divergenzrügen genügen ebenfalls nicht den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Rz. 7
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des jeweiligen Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 – BVerwG 8 B 38.10 – ZOV 2011, 45 = juris Rn. 15) und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (Beschlüsse vom 17. Januar 1995 – BVerwG 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 und vom 9. September 2011 – BVerwG 8 B 15.11 – ZOV 2011, 226 = juris Rn. 10). Gerade dies ist aber hier der Fall.
Rz. 8
Soweit die Klägerin auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2000 – BVerwG 7 C 8.00 – und auf weitere Entscheidungen (u.a. BVerwG 8 B 81.99, 8 B 77.00, 7 C 62.02) Bezug nimmt, arbeitet sie weder von ihr als divergierend angesehene entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts und in den herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts heraus und stellt diese einander gegenüber noch legt sie nachvollziehbar dar, worin diese konkret voneinander abweichen sollen. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, an Stelle der Beschwerdeführerin die behaupteten Abweichungen zu identifizieren oder gleichsam zu “erraten”. Der Beschwerdebegründung mangelt es zudem an jeder Darlegung dazu, inwieweit das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts auf der vermeintlichen Divergenz beruhen soll. Stattdessen beschränken sich die Ausführungen in der Art einer Berufungsbegründung auf die Darlegung der Auffassung der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die sich aus den in den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ergebenden Anforderungen an eine wirksame Anmeldung verkannt. Damit rügt sie letztlich eine aus ihrer Sicht unzutreffende Rechtsanwendung, legt jedoch keine Divergenz von entscheidungstragenden abstrakten Rechtssätzen dar.
Rz. 9
Soweit die Klägerin pauschal die Abweichung von Bundesrecht, insbesondere von §§ 133, 157 BGB rügt, reicht dies ebenfalls nicht aus, um einen Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO, etwa die Voraussetzungen einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, hinreichend darzulegen.
Rz. 10
3. Auch die Grundsatzrüge rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dabei kommt die Zulassung der Revision nur bezüglich solcher Rechtsfragen in Betracht, auf die gemäß § 137 Abs. 1 VwGO eine Revision gestützt werden kann. Die Beschwerde muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung der aufgeworfenen, bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage(n) des Bundesrechts oder einer der in § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten Vorschriften führen kann (Beschluss vom 8. Oktober 2012 – BVerwG 1 B 18.12 – juris Rn. 2 m.w.N.).
Rz. 11
Dies lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen. Die aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine wirksame Anmeldung nach § 30 VermG in Bezug auf die Gesamtfläche eines Grundstücks des geschädigten Voreigentümers in einer Straße vorliegt, wenn die Anmeldung nach § 30 VermG neben dem Straßennamen auch Hausnummern aufweist, die wegen der seit 1933 erfolgten Grundstücksteilungen und -umbenennungen nominell nur auf einen der zwischenzeitlich entstandenen Teile der ursprünglichen Grundstücksfläche hinweisen, wäre in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwaltungsgericht hat gerade nicht festgestellt, dass im vorliegenden Fall die unterschiedlichen Anmeldungen verschiedene Vermögenswerte mit verschiedenen Hausnummern beinhalteten. Vielmehr ist es aufgrund seiner – nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und damit das Revisionsgericht bindenden – Sachverhaltswürdigung zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Klägerin bei ihrer Anmeldung die Grundstücke “Grundstück C…” und “Grundstück B…” als “synonym” und “flächenidentisch” verstanden hat und dass die Anmeldung gerade nicht das streitgegenständliche Grundstück erfasst hat. Unabhängig davon wird mit der Beschwerde auch die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage angesichts der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung zur Wahrung der Anmeldefrist trotz nachträglich anderer Hausnummerangabe (Urteil vom 5. Oktober 2000 – BVerwG 7 C 8.00 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 21) und zu den Mindestanforderungen an eine fristwahrende Globalanmeldung (Urteile vom 23. Oktober 2003 – BVerwG 7 C 62.02 – BVerwGE 119, 145 = Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 30 und vom 28. November 2007 – BVerwG 8 C 12.06 – Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 41) nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargelegt.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Prozessrisiko ausgesetzt hat, bestand keine Veranlassung, der Klägerin aus Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) seine außergerichtliche Kosten aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Dr. h. c. Rennert, Dr. Deiseroth, Dr. Rudolph
Fundstellen