Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Aktenzeichen 3 K 7806/95) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. November 1998 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf den Revisionszulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe gegen § 116 Abs. 2 VwGO verstoßen, weil weder das Urteil noch der Urteilstenor binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung zur Geschäftsstelle gelangt seien. Diese Rüge rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht den Anforderungen dieser Vorschrift nicht Rechnung getragen. Da das Oberverwaltungsgericht statt der Verkündung die Zustellung des Urteils beschlossen hat, hätte das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung vom 12. November 1998 der Geschäftsstelle übergeben werden müssen; dabei wäre in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO die Übergabe der von den Richtern unterschriebenen Urteilsformel mit alsbaldiger nachträglicher Niederlegung von Tatbestand und Entscheidungsgründen ausreichend gewesen (BVerwGE 38, 220 ≪222≫; 39, 51 ≪52≫; Beschluß vom 8. März 1994 2D BVerwG 7 B 141.93 2D NVwZ 1994, 694). Das vollständig abgefaßte Urteil ist jedoch erst am 30. November 1998 und mithin nach Ablauf der Zweiwochen-Frist bei der Geschäftsstelle eingegangen; zu einer 2D rechtzeitigen 2D Übergabe der Urteilsformel an die Geschäftsstelle ist es nach dem Inhalt der Verfahrensakten nicht gekommen.
Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts jedoch nicht, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Fristversäumnis und der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Entscheidung auszuschließen ist. Aus dem in den Verfahrensakten enthaltenen und den Beteiligten bekannten Vermerk des Vorsitzenden des erkennenden Senats des Oberverwaltungsgerichts vom 4. Februar 1999 geht hervor, daß die Entscheidung im Anschluß an die mündliche Verhandlung am 12. November 1998 abschließend beraten und der Tenor sodann unterschrieben worden ist. Es besteht keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Erklärung zu zweifeln. Auch die Beschwerde erhebt insoweit keine Einwände. War das Urteil aber 2D wie es zur Wahrung des auch von § 101 Abs. 1 VwGO geforderten engen Zusammenhangs zwischen mündlicher Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich unerläßlich ist (Beschluß vom 6. Mai 1998 2D BVerwG 7 B 437.97 2D Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 22) 2D innerhalb der Zweiwochen-Frist bereits beschlossen, so kann sich die verspätete Urteils(formel)übergabe an die Geschäftsstelle auf das Urteil nicht mehr auswirken, auch wenn hierdurch der Anspruch der Beteiligten verletzt wird, alsbald Gewißheit über die getroffene Entscheidung zu erlangen (BVerwGE 38, 220 ≪223 f.≫; Beschluß vom 6. Mai 1998, a.a.O.). Auf die von der Beschwerde behaupteten besonderen Begleitumstände der mündlichen Verhandlung kommt es danach nicht an, weil die Beschwerde ihnen nur auf der Grundlage der 2D wie gezeigt: unzutreffenden 2D Annahme, daß das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erst nach Ablauf der Zweiwochen 2DFrist beschlossen worden ist, Bedeutung beimißt. Selbständige Verfahrensmängel hat die Beschwerde insoweit nicht gerügt.
Als weiteren Verfahrensmangel rügt die Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht habe zu Unrecht den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag abgelehnt und dadurch das rechtliche Gehör des Antragstellers verletzt. Auch diese Rüge geht fehl.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich nur auf entscheidungserhebliches Vorbringen; er verpflichtet deswegen das Gericht nicht, Beweisanträgen nachzugehen, auf die es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt. Maßgeblich für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit ist dabei die sachlich-rechtliche Auffassung des Oberverwaltungsgerichts. Denn der Vorwurf eines fehlerhaften Verfahrens ist nur gerechtfertigt, wenn das Gericht nicht so verfahren ist, wie es bei Zugrundelegung seiner eigenen sachlich-rechtlichen Auffassung geboten war (Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 18. Juni 1996 2D BVerwG 9 B 140.96 2D Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 16; stRspr). Aus der Begründung des angegriffenen Urteils ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerde eindeutig, daß das Oberverwaltungsgericht das Beweisthema als rechtlich unerheblich angesehen hat, weil nach seiner Rechtsauffassung § 75 NWG eine Einschränkung des Gemeingebrauchs am Steinhuder Meer nicht erst bei erheblichen Einwirkungen auf die Vogelwelt zuläßt; vielmehr genügten Störungen der Wasservögel in einem so bedeutsamen Rast- und Überwinterungsgebiet wie dem Steinhuder Meer, sofern sie nicht gänzlich unerheblich sind. Auf den nach dem Hilfsbeweisantrag des Antragstellers durch Sachverständigenvernehmung aufzuklärenden Umstand, daß „durch das Surfen in einem Korridor … keine erheblichen Auswirkungen (im Sinne der FFH-Richtlinie bzw. der Vogelschutzrichtlinie) auf die Vogelwelt am Steinhuder Meer ausgegangen sind oder ausgehen werden”, kam es nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts danach nicht an.
Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht deswegen gegen das Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen, weil es 2D wie die Beschwerde meint 2D dem Beweisantrag einen unzutreffenden Inhalt beigemessen hätte. Der rechtskundige Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers hat durch die Verwendung der Formulierung „keine erheblichen Auswirkungen” in Übereinstimmung mit seiner grundsätzlichen rechtlichen Argumentation im Verfahren und in Anlehnung an einen allgemein üblichen juristischen Sprachgebrauch ausdrücklich eine bestimmte Relevanzschwelle bezeichnet, bei der er davon ausgehen mußte, daß sie auch anders und insbesondere niedriger angesetzt werden kann. Das kommt auch durch die nähere Umschreibung dieser Formulierung („im Sinne der FFH-Richtlinie bzw. der Vogelschutzrichtlinie”) zum Ausdruck. Daß das Oberverwaltungsgericht 2D was im Hinblick auf das Gebot rechtlichen Gehörs allein maßgeblich wäre (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 132 Rn. 21 m.w.N.) 2D den Kern des mit dem Beweisantrag zum Ausdruck gebrachten Anliegens des Antragstellers verkannt hätte, läßt sich danach jedenfalls nicht sagen. Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, rechtfertigte dies nicht die Zulassung der Revision: Der abgelehnte Beweisantrag war auf die Einholung einer 2D neben die vorhandenen Gutachten tretenden 2D zusätzlichen gutachterlichen Stellungnahme gerichtet, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts liegt. Dieses Ermessen wird nur dann nicht verfahrensfehlerfrei ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung der zusätzlichen Stellungnahme absieht, obwohl die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6. Oktober 1987 2D BVerwG 9 C 12.87 2D Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31). Hierzu enthält die Beschwerde entgegen der ihr gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegenden Darlegungspflicht keine Ausführungen.
Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Beschwerde schließlich, in der Ablehnung des Hilfsantrages sei jedenfalls eine verfahrensfehlerhafte Überraschungsentscheidung zu sehen, weil die vom Senat getroffene Unterscheidung zwischen „keine erheblichen Störungen” und „gänzlich unerheblichen Störungen” für den Antragsteller nicht erkennbar gewesen sei. Insoweit verkennt die Beschwerde, daß der Grundsatz rechtlichen Gehörs kein umfassendes Rechtsgespräch fordert. Das aus diesem Grundsatz abzuleitende Verbot von Überraschungsentscheidungen will lediglich verhindern, daß ein bis dahin nicht erörterter rechtlicher oder tatsächlicher Gesichtspunkt zur Grundlage einer Entscheidung gemacht wird und der Rechtsstreit damit eine Wendung erhält, mit der die Beteiligten nicht gerechnet haben und zu rechnen brauchten (BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫ m.w.N.). Nach diesem Maßstab hat das Oberverwaltungsgericht keine Überraschungsentscheidung getroffen. Rechtlich ging es insoweit um die den gesamten Prozeß durchziehende Frage, ob der Verzicht auf eine Korridorlösung als erforderliche Maßnahme zu einem effektiven Schutz der Natur gerechtfertigt werden kann. Die hierzu vom Oberverwaltungsgericht vertretene Auffassung, daß § 75 NWG eine Einschränkung des Gemeingebrauchs nicht erst dann zuläßt, wenn erhebliche Auswirkungen auf die Vogelwelt zu erwarten sind, ist jedenfalls als naheliegend oder zumindest näherliegend als die vom Antragsteller vertretene höhere „Relevanzschwelle” zu bezeichnen und kann daher nach Gang und Inhalt des Verfahrens nicht als „überraschend” angesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen