Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1, über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in Teil A II 5.1.3 und über die Grenzziehung des Entschädigungsgebietes Außenwohnbereich in Teil A II 5.1.5 Nr. 2 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflichtungen entgegensteht, wird er aufgehoben.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 tragen die Kläger als Gesamtschuldner jeweils 3/4. Der Beklagte und der Beigeladene zu 1 tragen jeweils 1/8 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld. Sie sind Eigentümer eines Wohngrundstücks in Berlin, das vom Fluglärm betroffen sein wird. Es liegt außerhalb des Tag- und Nachtschutzgebietes des planfestgestellten Flughafens, so dass nach dem Planfeststellungsbeschluss kein Anspruch auf Schallschutzeinrichtungen besteht. Die Kläger haben ursprünglich in erster Linie beantragt, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben (Rechtssache BVerwG 4 A 1015.04). Hilfsweise haben sie zunächst zahlreiche Anträge auf Nachbesserung des planfestgestellten Lärmschutzkonzepts gestellt. Sie sehen ferner die Beschränkung der Übernahme der Kosten für Schallschutzeinrichtungen auf 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäude und die damit einhergehende Entschädigungsregelung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses als rechtswidrig an.
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben nahezu 4 000 Personen Klage erhoben, die in rund 60 Verfahren zusammengefasst waren. Der beschließende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab Musterverfahren durchzuführen und die übrigen Verfahren auszusetzen. Die Kläger, deren Klage nicht als Musterverfahren vorgesehen war, haben sich ebenso wie der Beklagte mit diesem prozessualen Vorgehen einverstanden erklärt. Das Verfahren der Kläger wurde gemäß § 93a Abs. 1 VwGO ausgesetzt.
Über die ausgewählten Musterklagen ist durch Urteile vom 16. März 2006 entschieden worden (vgl. BVerwG 4 A 1001.04, BVerwG 4 A 1073.04, BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG 4 A 1075.04 – letzteres abgedruckt in BVerwGE 125, 116). Die Anfechtungsklagen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 wurden abgewiesen, die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergänzung hatten, soweit es um besseren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg. Nach Zustellung der Musterurteile hat das Gericht die Kläger darauf hingewiesen, dass ihr Verfahren fortzuführen sei, ggf. auch nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 VwGO. Die Kläger beantragen – unter Rücknahme der Klage im Übrigen – nunmehr, die Regelung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 i.d.F. vom 21. Februar 2006 aufzuheben, ferner den Beklagten nach Maßgabe des Ausspruchs in den Musterurteilen zu einer erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie auf das Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – (BVerwGE 125, 116 ff.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung in den Musterverfahren verwiesen.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat macht von der ihm durch § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.
1. Die noch aufrechterhaltenen ursprünglichen Hilfsanträge auf verbesserten aktiven und passiven Lärmschutz haben in dem aus der Beschlussformel zu ersehenden Umfang aus den in den Musterurteilen angeführten Gründen Erfolg.
Über diese Anträge kann der Senat nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben:
Über gleichlautende Anträge ist im Rahmen der Musterklagen durch die Urteile vom 16. März 2006 rechtskräftig entschieden worden. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entscheidungsform des § 93a VwGO angehört worden. Auch ist nach einstimmiger Auffassung des Senats der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren geklärt. Das Grundstück der Kläger liegt in der von Fluglärm betroffenen Umgebung des geplanten Flughafens. Ferner ist der Senat einstimmig der Auffassung, dass die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist.
Von solchen Besonderheiten ist regelmäßig auszugehen, wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Beantwortung das in dem entschiedenen Verfahren gefundene Ergebnis in Zweifel ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen lassen können (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: April 2006, § 93a VwGO Rn. 20). Die Lärmwirkungen unter Berücksichtigung der festgesetzten Schutzgebiete sind für die Kläger nicht anders zu beurteilen als für die Kläger der Musterverfahren. Die Grundstücke der dortigen Kläger repräsentierten die gesamte Bandbreite der möglichen Lärmbelastungen, nämlich von Grundstücken, die – wie hier – in keinem der vier Schutzgebiete (Tagschutzgebiet, Nachtschutzgebiet, Entschädigungsgebiete Außenwohnbereich und Übernahmeanspruch) liegen, über Grundstücke, die nur von einigen dieser Schutzgebiete erfasst sind, bis hin zu Grundstücken, die in allen Schutzgebieten liegen. Damit ist in den Musterurteilen der Sache nach auch über die Lärmbetroffenheit des Grundstücks der Kläger entschieden worden. Besonderheiten sind weder geltend gemacht noch sonst erkennbar.
2. Der die sog. Kappungsgrenze von 30 % betreffende Aufhebungsantrag ist hingegen unbegründet.
2.1 Auch über diesen Antrag kann der Senat nach Maßgabe des § 93a Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben:
Inhaltsgleiche Hilfsanträge sind im Rahmen der Musterklagen durch die Urteile vom 16. März 2006 rechtskräftig abgewiesen worden. In den Verfahren BVerwG 4 A 1075.04 (Klagantrag Nr. 2.12), BVerwG 4 A 1073.04 (Klagantrag Nr. 2.10) und BVerwG 4 A 1078.04 (Klagantrag Nr. 3.15) war übereinstimmend beantragt worden, die Regelung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses “Anspruchsvoraussetzungen für Schallschutzeinrichtungen/Entschädigungsleistungen” aufzuheben. Nach dieser Bestimmung kann ein Betroffener, der Anspruch auf Schallschutzeinrichtungen hat, für den Fall, dass die Kosten der Schallschutzeinrichtungen 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäuden mit zu schützenden Räumen überschreiten, und damit außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen, von den Trägern des Vorhabens eine Entschädigung i.H.v. 30 % des betreffenden Verkehrswertes beanspruchen.
Nach einstimmiger Auffassung des Senats ist der Sachverhalt im vorliegenden Verfahren auch insoweit geklärt und weist die Sache gegenüber den Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf.
2.2 Es kann offenbleiben, ob der Klagantrag – wofür vieles spricht – bereits an der fehlenden Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) scheitert.
Die Kläger erfüllen schon nicht die grundlegende tatbestandliche Voraussetzung der von ihnen angegriffenen Entschädigungsregelung, weil sie infolge der Lage ihres Wohngrundstücks außerhalb des im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Tag- und Nachtschutzgebietes keinen Anspruch auf Schallschutzeinrichtungen haben. Ob die von den Klägern geltend gemachte bloße Möglichkeit, entweder durch eine Neufestsetzung des Nachtschutzgebietes im Rahmen des laufenden Planergänzungsverfahrens oder im Falle einer nicht prognostizierten Zunahme des Flugverkehrs in einen derartigen Anspruch hineinzuwachsen, eine Klagebefugnis schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt begründen kann, ist zweifelhaft.
Ferner ist fraglich, ob das Grundstück der Kläger in tatsächlicher Hinsicht überhaupt von der angefochtenen Entschädigungsregelung betroffen sein könnte. Die Kläger haben weder Angaben zur Höhe des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäude noch dazu gemacht, wie hoch nach ihrer Einschätzung die Kosten für wirksame Schallschutzeinrichtungen voraussichtlich sein könnten. Der Hinweis darauf, dass ihr Wohnhaus als hochwertige, in gutem Zustand befindliche Villa wegen vieler mannshoher Panoramafenster nur unter erheblichen Aufwendungen gegen den Fluglärm geschützt werden könne, ist viel zu unsubstantiiert, um auch nur annähernd beurteilen zu können, ob eine Verletzung von Rechten der Kläger möglich ist.
Das bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls ist die auf die Aufhebung der Regelung des Planfeststellungsbeschlusses in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 gerichtete Anfechtungsklage unbegründet.
2.3.1 In den Musterurteilen hat der Senat die fragliche Regelung mit folgender Begründung als rechtmäßig angesehen (vgl. beispielhaft Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 422, BVerwGE 125, 116 ≪268 f.≫):
“Die Planfeststellungsbehörde geht davon aus, dass Kosten i.H.v. mehr als 30 % des Verkehrswertes ‘außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen’ (PFB S. 666). In Erläuterung und Ergänzung dieser Aussage stellt sie fest, dass ‘in den Fällen, in denen aufgrund der schlechten Bausubstanz der Einbau von Schallschutzfenstern nicht zu einer wesentlichen Verbesserung der Lärmsituation in Innenräumen führt, die Durchführung von Schallschutzmaßnahmen unter Kostengesichtspunkten unverhältnismäßig sein’ kann (PFB S. 666 f.). Dass die Planfeststellungsbehörde es mit einer Entschädigung in Höhe von 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäude bewenden lässt, hält sich in dem durch § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg abgesteckten rechtlichen Rahmen. Obwohl dies im Wortlaut, anders als in § 41 Abs. 2 BImSchG, nicht zum Ausdruck kommt, können Kostengesichtspunkte auch im Anwendungsbereich dieser Bestimmung eine Rolle spielen. Das in der Vorschrift genannte Merkmal der ‘Untunlichkeit’ ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes des Inhalts, dass Schutzmaßnahmen nicht in Betracht kommen, wenn sie ‘wirtschaftlich nicht vertretbar’ sind (vgl. die Begründung zu § 70 Abs. 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 7/910 S. 89). Anstatt Kosten aufbringen zu müssen, die außer Verhältnis zu dem mit § 9 Abs. 2 LuftVG verfolgten Schutzziel stehen würden, hat der Vorhabenträger eine ‘angemessene’ Entschädigung in Geld zu zahlen. Soweit sich aus § 74 Abs. 2 VwVfGBbg ein Anspruch auf Vorkehrungen des passiven Schallschutzes ableiten lässt, hat die Vorschrift von ihrer Zweckbestimmung her von vornherein ein begrenztes Anwendungsfeld. Ein Gebäude soll durch technisch-reale Maßnahmen soweit ertüchtigt werden, dass das Gebäudeinnere gegen unzumutbare Lärmeinwirkungen abgeschirmt wird. Der Ausgleich nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg ist ein Surrogat für Lärmschutzeinrichtungen und nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert, die einer Gebäudesanierung gleich oder nahe kommen. Dem Planungsträger ist es nicht verwehrt, mit Hilfe einer Kappungsgrenze zu verhindern, dass die Entschädigung dafür genutzt wird, die Bausubstanz eines Bauwerks, das sich in einem schlechten Zustand befindet, durch Verbesserungen an den verschiedensten Umfassungsbauteilen so nachhaltig zu verändern, dass das Gebäude seine ursprüngliche Identität verliert. Die in Teil A II 5.1.7 (PFB S. 108) getroffene Regelung schießt über dieses Ziel nicht hinaus. Sie trägt den Interessen der Betroffenen dadurch hinreichend Rechnung, dass sie nicht bloß auf den Gebäudewert abstellt, sondern als Wertfaktor auch das Grundstück berücksichtigt.”
An diesen Ausführungen hält der Senat fest (vgl. auch den auf die Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – ergangenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 2008 – 1 BvR 2722/06 – Rn. 72 ff.). Sie gelten uneingeschränkt auch für das Grundstück der Kläger. Deren Vorbringen lässt keine Besonderheiten erkennen, die zu einer abweichenden Beurteilung führen müssten oder jedenfalls Anlass geben würden, über den Antrag auf Aufhebung der fraglichen Regelung nicht im Beschlusswege zu entscheiden.
2.3.2 Soweit sich die Kläger unter Berufung auf grundrechtliche Gewährleistungen in grundsätzlicher Weise gegen die Festsetzung der Kappungsgrenze wenden, sind die Einwände nicht berechtigt. Sie sind der Ansicht (vgl. Schriftsatz vom 23. April 2007), durch die Planungen des Beklagten und den Verweis auf eine unzureichende Entschädigung werde in unzulässiger Weise in den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Bestand der lärmbetroffenen Wohnbebauung eingegriffen, zumindest soweit es sich um Gebäude in gutem Bauzustand handle.
Mit diesem Vorbringen machen die Kläger der Sache nach die Verfassungswidrigkeit solcher Vorschriften des vorhabenbezogenen Planungs- und Zulassungsrechts geltend, die wie § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG (= § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg) den von den nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens Betroffenen auf eine angemessene Entschädigung in Geld verweisen, wenn physisch-reale Schutzvorkehrungen, z. B. Schallschutzeinrichtungen, untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind (vgl. auch § 14 Satz 2 BImSchG, § 11 LuftVG; aus dem privaten Immissionsschutzrecht § 906 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Satz 1 BGB). Denn Inhalt dieser Regelungen ist es gerade, im Falle der Untunlichkeit (Unverhältnismäßigkeit) oder Unvereinbarkeit (Unmöglichkeit) dem Betroffenen die Duldung der nachteiligen Wirkungen aufzuerlegen und als Ausgleich hierfür (nur) eine Entschädigung zuzubilligen.
Vorschriften dieser Art sind als ausgewogene, die Belange des Vorhabenträgers wie des Betroffenen gleichermaßen wahrende Regelungen verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn die Pflicht zur Duldung der nachteiligen Wirkungen gegen Entschädigung entfällt, wenn diese Wirkungen die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten, die den Übergang zu einer Gefährdung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter markiert und deshalb einen Anspruch auf Übernahme des Grundstücks begründet (vgl. hierzu und zum folgenden Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – Rn. 375 ff., BVerwGE 125, 116 ≪249 f.≫ m. w. N.). Diese Grenze ist bei Geräuschimmissionen dann überschritten, wenn die Lärmbelastungen so schwerwiegend sind, dass ein Wohngrundstück seine Wohnqualität einbüßt und unbewohnbar wird oder wenn die Einwirkungen den Grad der Gesundheitsgefährdung erreichen. Sind die Beeinträchtigungen geringer, bewegen sie sich also innerhalb des Rahmens der sog. einfachrechtlichen Unzumutbarkeit, muss der Betroffene nach der gesetzgeberischen Entscheidung in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG unter den dort genannten Voraussetzungen mit einer Kompensation durch Geld vorlieb nehmen. Im Fall des Planfeststellungsbeschlusses über den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld hat der Senat im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Annahme der Planfeststellungsbehörde gebilligt, dass die verfassungsrechtlichen Schutzanforderungen bei einer Lärmbelastung durch Mittelungspegel (außen) von 70 dB(A) einsetzen. Diese Grenzmarke wird beim Grundstück der Kläger deutlich unterschritten, wie schon daraus hervorgeht, dass es nicht einmal von Fluglärm betroffen sein wird, der die einfachrechtliche Grenze der Unzumutbarkeit erreicht.
2.3.3 Auch soweit sich die Kläger gegen die konkrete im Planfeststellungsbeschluss festgelegte Höhe der Kappungsgrenze von 30 % des Verkehrswertes von Grundstück und Gebäude und die damit einhergehende entsprechende Begrenzung der Entschädigungshöhe wenden, sind keine wesentlichen, zu einer Abweichung von den Ausführungen in den Musterurteilen nötigenden Besonderheiten erkennbar.
2.3.3.1 Insbesondere vermag der Senat dem Argument der Kläger nicht zu folgen, das von ihnen bewohnte Haus lasse sich in rechtserheblicher Weise nicht vergleichen mit den Gebäuden, die der Planfeststellungsbeschluss und die Ausführungen in den Musterurteilen zur Rechtfertigung der Kappungsgrenze von 30 % im Auge gehabt hätten. Die betreffende Regelung erfasst auch solche Gebäude, die – wie die Kläger für ihr Haus, wenn auch unsubstantiiert, behaupten – trotz ihres guten baulichen Zustands infolge ihrer besonderen Bauweise nur unter besonders hohen Kosten mit wirksamen Schallschutzeinrichtungen versehen werden könnten.
Wie der Senat in den Musterurteilen ausgeführt hat, rechtfertigt sich die Regelung in Teil A II 5.1.7 Abs. 2 des Planfeststellungsbeschlusses aus dem in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG angelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Aufwendungen, die dem Träger eines Vorhabens auferlegt werden dürfen (vgl. Urteil vom 16. März 2006 – BVerwG 4 A 1075.04 – a.a.O. Rn. 422). Diese Aufwendungen dürfen nicht außer Verhältnis zum angestrebten Schutzzweck stehen. Der Geldausgleich ist ein Surrogat für Lärmschutzeinrichtungen und nicht als Äquivalent für Maßnahmen konzipiert, die einer grundlegenden Gebäudesanierung gleich oder nahe kommen mit der Folge, dass das Gebäude praktisch seine ursprüngliche Identität verlöre. Dabei handelt es sich um einen objektiven Maßstab, der an die Beschaffenheit des Gebäudes unabhängig davon anknüpft, auf welche Ursache diese besonders hohe Kosten erfordernde Gebäudeeigenschaften zurückzuführen sind. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Eigentümer (oder ein Rechtsvorgänger) den Zustand des Gebäudes in dem Sinne verantworten muss, dass er die gebotene Instandhaltung vernachlässigt hat und er nunmehr versucht, diese Versäumnisse durch eine entsprechende Entschädigung wettzumachen. Der in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (Seite 666) verwendete Begriff der “schlechten Bausubstanz” kennzeichnet nur einen typischen Anwendungsfall für die Unverhältnismäßigkeit zwischen zu erreichendem Schutzzweck und Höhe der Aufwendungen.
Gemessen an diesem Regelungszweck unterfällt auch das Wohngebäude der Kläger der Begrenzung der fraglichen Bestimmung des Planfeststellungsbeschlusses. Nach deren Angaben sind die behaupteten hohen Aufwendungen für wirksame Schallschutzeinrichtungen auf die besondere Bauweise und die Anzahl der Fenster und damit auf Umstände zurückzuführen, die von der Bestimmung über die 30 % – Kappungsgrenze erfasst werden. Dem Antrag der Kläger, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis über den guten Zustand des Wohngebäudes zu erheben, ist somit wegen rechtlicher Unerheblichkeit des Beweisthemas nicht nachzugehen.
2.3.3.2 Dass die im Planfeststellungsbeschluss festgelegte Schwelle zur Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfGBbg mit 30 % des Verkehrswertes nicht zu beanstanden ist, hat der Senat in seinen Musterurteilen vom 16. März 2006 gleichfalls ausgeführt. Im Hinblick darauf, dass Bemessungsgrundlage nicht nur der Verkehrswert des Gebäudes, sondern der des gesamten Grundstücks ist, wird auch den Interessen der Betroffenen hinreichend Rechnung getragen. In aller Regel wird dies – im Einzelfall abhängig von der Relation zwischen Wert des Grundstücks und des Gebäudes – dazu führen, dass die Unverhältnismäßigkeit der zu erwartenden Aufwendungen erst bei solchen Kosten für Schallschutzmaßnahmen einsetzt, die deutlich mehr als die Hälfte des Gebäudewertes betragen. Angesichts der begrenzten Schutzrichtung der Vorschrift, die nicht eine generelle Entschädigung etwaiger Wertverluste oder sonstiger Einbußen bezweckt, sondern ein finanzielles Surrogat für die unterbleibende Anordnung von Schutzvorkehrungen vorsieht, stellt dies keine unangemessene Begrenzung dar.
III
Soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben, war das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
IV
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen