Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Abgabengerechtigkeit. Bestimmtheitsgebot. Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit. Störfall. Überschreitung der Überwachungswerte. Überwachungsermessen. Zusammenhang zwischen wasserbehördlicher Überwachung und Abgabenhöhe. Typisierung. Verwaltungspraktikabilität. Meßverfahren. Höchstgrenze
Leitsatz (amtlich)
§ 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG ist trotz der Abhängigkeit der endgültigen Abgabenhöhe von den Ergebnissen der im Ermessen der Wasserbehörde stehenden Überwachung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots als auch des Grundsatzes der Tatbestandsmäßigkeit von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt im Rahmen der Erhöhungsvorschrift des § 4 Abs. 4 AbwAG weder eine gesetzliche Sonderregelung für Störfälle noch eine gesetzliche Höchstgrenze der Abgabenbelastung.
Die (typisierende) Berechnung der maßgeblichen Zahl der Schadeinheiten nach den Ergebnissen einzelner Kontrollmessungen und der darin liegende Verzicht auf eine Dauermessung gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG sind mit dem Gebot der Abgabengerechtigkeit vereinbar.
Normenkette
AbwAG § 4 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1990-11-06
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 28.04.1997; Aktenzeichen 3 L 7540/95) |
VG Lüneburg (Entscheidung vom 25.07.1995; Aktenzeichen 3 A 153/93) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. April 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 795 787 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
1. Der ersten von der Beschwerde aufgeworfenen Frage,
ob bei der Berechnung der Abwasserabgabe Störfallwerte berücksichtigt werden dürfen, die nach einer anderen Probenahmeart gewonnen wurden als die Werte im Rahmen der regulären Überprüfung,
fehlt die grundsätzliche Bedeutung schon deshalb, weil sie sich auf der Grundlage der bindenden Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich nicht stellen würde. Denn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 5) – auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt (BU S. 14) – sind alle Proben im vorliegenden Fall in Form einer 2-Stunden-Mischprobe, die auch die Beschwerde gegenüber der „punktuellen” Stichprobe befürwortet, entnommen worden; daß daneben auch qualifizierte Stichproben entnommen und ausgewertet worden sind, haben die vorinstanzlichen Gerichte hingegen hier – anders als in dem Parallelverfahren BVerwG 8 B 170.97 – nicht festgestellt. Sind aber Tatsachen, die vorliegen müßten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Frage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, nicht festgestellt worden, kann die Revision im Hinblick auf diese Frage nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (vgl. Beschluß vom 30. Juni 1992 – BVerwG 5 B 99.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309 S. 43).
2. Die weiteren Fragen,
ob § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG bestimmt genug ist, um eine Geldleistungspflicht des Abgabenschuldners zu begründen,
und
ob nicht § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG dem hergebrachten Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit von Steuergesetzen widerspricht,
sind nicht klärungsbedürftig, weil die in der Fragestellung liegenden verfassungsrechtlichen Einwände gegen die angesprochene Norm nicht durchgreifen; einer Vertiefung durch ein Revisionsverfahren bedarf es hierzu nicht. Verfassungsrechtliche Bedenken in der mit der Beschwerde bezeichneten Richtung sind gegen § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG – bereits die ursprüngliche Gesetzesfassung vom 13. September 1976 (BGBl I S. 2721) enthielt eine sinnentsprechende Regelung – in der Rechtsprechung bisher nicht erhoben worden; die Beschwerde kann sich für ihre Auffassung auch nicht auf die einschlägige Literatur berufen (vgl. Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Aufl., S. 83 f.; Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, S. 279 ff. und 288; die Bedenken Henselers, NVwZ 1987, 551 ≪553≫, gehen in eine andere Richtung). Die Beschwerde leitet ihre verfassungsrechtlichen Zweifel daraus ab, daß die Meßergebnisse im Rahmen der wasserbehördlichen Überwachung sich gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG auf die Höhe der geschuldeten Abwasserabgabe auswirken, weil eine Überschreitung der Überwachungswerte je nach Häufigkeit und Intensität der Überschreitung zu einer Erhöhung der die Abgabenberechnung bestimmenden Zahl der Schadeinheiten führt. Sie hält diese Folge mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot und den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung für verfassungswidrig, weil die Abgabenhöhe wegen ihrer Abhängigkeit von den Ergebnissen der Überwachung für den Abgabepflichtigen nicht vorab berechenbar sei und die Überwachung überdies im Ermessen der Wasserbehörde stehe. Beide Einwände greifen nicht durch.
a) Das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Bestimmtheitsgebot – das selbst im Steuerrecht in seiner praktischen Anwendung nicht einschränkungslos umgesetzt wird (vgl. u.a. Tipke/Lang, Steuerrecht, 15. Aufl., § 4 Rn. 167 ff. m.w.N.) – stellt keine einheitlichen, in gleicher Weise für alle Abgaben geltenden Voraussetzungen auf. Vielmehr ist der Grad der von Verfassungs wegen geforderten Regelungsbestimmtheit sowohl von der Eigenart des geregelten Sachverhalts und den jeweiligen (Grundrechts-)Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen als auch von der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs abhängig (vgl. BVerfGE 48, 210 ≪222≫; 56, 1 ≪13≫). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht für das Gebühren- und Beitragsrecht festgestellt, daß das Bestimmtheitsgebot nur die dem jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Regelungsdichte erfordere und ein Verstoß in der Regel nur dann anzunehmen sei, wenn eine willkürliche Handhabung durch die Behörden eröffnet werde (Urteile vom 2. Juli 1969 – BVerwG IV C 68.67 – JZ 1970, 183 und vom 16. November 1984 – BVerwG 4 C 3.81 – NVwZ 1985, 271). Die danach auch im Abwasserabgabenrecht zu berücksichtigende Eigenart der zu regelnden Materie und des jeweiligen Sachzusammenhangs gestattet bei der hier zu beurteilenden Sonderabgabe (vgl. zur Rechtsnatur der Abwasserabgabe: Berendes, a.a.O., S. 13; P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Beurteilung der Abwasserabgabe des Bundes, 1983, S. 47) eine differenzierte Anwendung dieses Gebots (Meßerschmidt, a.a.O., S. 262 und 268). Dabei ist eine Rücknahme der (gesetzlichen) Regelungsdichte im Hinblick auf die Effektivität der mit der Sonderabgabe verbundenen Lenkungsfunktion gerechtfertigt. Die dynamische Weiterentwicklung des Gewässerschutzes gestattet nicht nur im wasserrechtlichen Ordnungsrecht eine weitgehende Bezugnahme auf die sich rasch ändernden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und technischen Regeln, sondern läßt auch bei der dieses Ordnungsrecht flankierenden Abwasserabgabe (vgl. BTDrucks 10/5533 S. 9 Ziff. II 4 und III 6) eine entsprechende Anknüpfung zu.
Unter Anlegung dieser Maßstäbe wird mit der durch § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG angeordneten Erhöhung der Zahl der Schadeinheiten bei Überschreitung der Überwachungswerte gesetzlich hinreichend bestimmt, wann und in welchem Ausmaß (vgl. § 4 Abs. 4 Sätze 3 bis 6) der maßgebliche Berechnungsfaktor für die Höhe der Abgabe ansteigt. In Wahrheit rügt die Beschwerde nur, daß sich der im (Überwachungs-)Ermessen der Wasserbehörde stehende Vollzug faktisch – nämlich über die höhere Wahrscheinlichkeit der Feststellung einer Überschreitung bei vermehrten Kontrollen – erheblich auf die letztliche Höhe der Abgabe auswirkt. Vollzugsermessen und Ermessen im Rahmen der Festsetzung der Abgabe sind aber im Grundsatz zu unterscheiden (Meßerschmidt, a.a.O., S. 279; Berendes, a.a.O., S. 100). Hier handelt es sich nicht in erster Linie um eine Frage der Bestimmtheit des gesetzlichen Abgabentatbestandes, sondern des Gesetzesvollzugs. Das von der Beschwerde gerügte Ermessen der Wasserbehörden bezieht sich nicht spezifisch auf die Erhebung der Abgabe. Vielmehr ist umgekehrt die Abgabe – wegen ihrer den wasserrechtlichen Vollzug unterstützenden Funktion – von der ordnungsrechtlichen Wasseraufsicht und damit auch von dem dort unstreitig zulässigen Ermessen nicht zu trennen. Insoweit rechtfertigt jedenfalls die Besonderheit des hier zu regelnden Sonderabgabenrechts den mittelbaren Einfluß von Ermessensvollzugsakten auf die Abgabenhöhe. Im übrigen ist auch im Steuerrecht die Höhe der faktisch eingeforderten Steuerschuld vielfach davon abhängig, ob, wie häufig und wie intensiv die Steuerverwaltung kontrolliert, ohne daß dieses Verwaltungsermessen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt wäre (vgl. Tipke/ Kruse, AO, § 3 Tz. 28). Schließlich wird selbst für steuerliche Tatbestände ein gewisser Ermessensspielraum nicht durchweg abgelehnt (vgl. P. Kirchhof, StuW 1975, 357 ≪361≫). Letztlich hängt die Höhe der Abgabe in derartigen Fällen von dem tatsächlichen Einleiteverhalten des Abgabepflichtigen ab (Berendes, a.a.O., S. 100), das sich schon im Ansatz einer eingehenderen gesetzlichen Regelung entzieht. Der Pflichtige kann deshalb in Kenntnis des von ihm eingeleiteten Abwassers (– etwa durch eigene Überwachung –) auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung im Grundsatz die Höhe der Abwasserabgabe vorausberechnen, wenn er sich an die ihm bekannten Überwachungswerte hält; die Folge etwaiger Überschreitungen lassen sich abstrakt ebenfalls vorausberechnen. Mehr kann vernünftigerweise – weil von dem künftigen tatsächlichen Verhalten des Abgabepflichtigen selbst abhängig – gesetzlich nicht vorab geregelt werden.
b) Aus den dargelegten Gründen verletzt § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG auch nicht den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden (BVerfGE 19, 253 ≪267≫; 73, 388 ≪400≫) Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit abgaberechtlicher Regelungen. Zwar ist danach im Ansatzpunkt zu fordern, daß die maßgeblichen abgabebestimmenden Voraussetzungen – Abgabesubjekt, Abgabeobjekt, Bemessungsgrundlage und Abgabesatz – im Gesetz angegeben werden, so daß der Steuerpflichtige anhand der gesetzlichen Bestimmungen seine Abgabenschuld berechnen kann (vgl. Tipke/Kruse, AO, § 3 Tz. 25, 27). Doch wird diese Forderung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zutreffend nicht in dem Sinne verstanden, daß sich die Abgabe schon aus dem Gesetz selbst ohne weiteres pfenniggenau ergeben müsse; vielmehr sind auch im Steuerrecht „Konkretisierungen” durch Verordnungen und – im Rahmen auslegungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriffe – durch Verwaltungsvorschriften zulässig. Erst recht verletzt es nicht den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit, wenn die Höhe einer Abgabe vom (rechtswidrigen) Verhalten des Abgabepflichtigen selbst abhängt und mit Zahl und Ausmaß seiner eigenen Übertretungen – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben – steigt. § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG ist – soweit überhaupt möglich – gesetzlich vorab hinreichend bestimmt; die verbleibende Ungewißheit betrifft – wie dargelegt – allein das tatsächliche Verhalten des Abgabepflichtigen und die Aufdeckung etwaiger abgabeerhöhender Verstöße im Rahmen der wasserbehördlichen Überwachung.
Dieser Hinweis verdeutlicht zugleich, daß die gewisse Abhängigkeit der Abgabenbemessung von der Intensität der staatlichen Überwachung an sich den Abgabepflichtigen nur begünstigt. Denn soweit in Abwassereinleitungen enthaltene Schadstoffe nicht ausnahmsweise kontinuierlich gemessen werden, können behördliche Überprüfungen – gleich nach welchem Meßverfahren – stets nur weniger Überschreitungen feststellen, als tatsächlich von dem Abgabepflichtigen begangen wurden (Berendes, a.a.O., S. 100). Der Abgabepflichtige hat also nach dem Regelungssystem des § 4 Abs. 4 AbwAG in seiner Anknüpfung an staatliche Meßergebnisse nie eine höhere Abgabe zu zahlen als „an sich” von ihm geschuldet. Die Abhängigkeit von der im Ermessen der Wasserbehörden liegenden Häufigkeit der Kontrollen und ihrer – gelegentlich gerügten – Meßungenauigkeit (vgl. Meßerschmidt, a.a.O., S. 283 f. und 288 f.) wirft deshalb allenfalls im Zusammenhang mit der internen Abgabengerechtigkeit innerhalb des Kreises der Abgabenschuldner Probleme auf; derartige – letztlich bei keinem Verfahren vermeidbare – Ungenauigkeiten sind aber als zulässige, weil durch Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigte Typisierungen gerechtfertigt (Berendes, a.a.O., S. 58 und 99 f.), zumal sich die Streuung der Meßergebnisse nicht einseitig zu Lasten des Abgabepflichtigen auswirkt und von dem Ausgleich der Meßungenauigkeiten im Laufe der Zeit ausgegangen werden darf (Meßerschmidt, a.a.O., S. 289; vgl. auch Urteil vom 12. Februar 1988 – BVerwG 4 C 24.85 – Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 1 S. 1 ≪7≫).
3. Die Frage,
ob § 4 Abs. 4 AbwAG gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, weil eine Beschränkung der Zahl der Schadeinheiten und der Abwasserabgabe der Höhe nach nicht vorgesehen ist,
ist ebenfalls ohne weiteres zu verneinen. Die Beschwerde stellt in diesem Zusammenhang insbesondere auf die abgabenrechtlichen Auswirkungen von Störfällen ab, die ihrer Ansicht nach zu unangemessen hohen, im Einzelfall sogar ruinösen Abgabenbelastungen führen könnten und deshalb von Gesetzes wegen eine „Höchstgrenze der Abgabenbelastung” verlangten.
Zwar ist nicht zu verkennen, daß Störfälle zu erheblichen Überschreitungen der Überwachungswerte und damit zu einer starken Erhöhung der Abgabe führen können; auch kann es zutreffen, daß Störfälle von den Abgabepflichtigen nicht verschuldet worden sind (vgl. zur Problematik: Berendes, a.a.O., S. 97). Beides führt jedoch nicht zu der geltend gemachten Unverhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber mußte im Rahmen der Erhöhungsvorschrift des § 4 Abs. 4 AbwAG keine Sonderregelung für Störfälle und auch keine gesetzliche Höchstgrenze anordnen.
Zunächst ist davon auszugehen, daß das Regelungssystem des § 4 Abs. 4 AbwAG – wie auch die dem Abwasserabgabengesetz zugrundeliegende „Bescheidlösung” insgesamt – maßgeblich darauf abzielt, durch den Druck der Abgabenbelastung den Einleiter dazu anzuhalten, die festgelegten Überwachungswerte von sich aus einzuhalten und sogar möglichst zu unterbieten (Meßerschmidt, a.a.O., S. 255 f.; Urteil vom 12. Februar 1988 – BVerwG 4 C 24.85 –, a.a.O., S. 3), um damit zugleich den wasserrechtlichen Verwaltungsvollzug ohne Verlust an Effektivität zu entlasten. Der Gesetzgeber hat sich zur Verstärkung dieser abgabenrechtlichen Flankierungswirkung bewußt für harte finanzielle Folgen bei Überschreitungen der Überwachungswerte entschieden (Berendes, a.a.O., S. 96 f.; BTDrucks 10/5533, S. 9 f.) und ausdrücklich schon eine einmalige Überschreitung als Rechtfertigung für eine überproportionale Abgabensteigerung ausreichen lassen. Damit hat der Gesetzgeber die Abgabenrelevanz sog. „Ausreißer” grundsätzlich in Kauf genommen (BTDrucks 10/5533, S. 12). Auch diese Typisierung ist aus den genannten Gründen zulässig, weil angesichts der statistischen Erwartung jedenfalls typischerweise kein offensichtlicher Widerspruch zum wahrscheinlichen Emissionsverlauf anzunehmen ist. Die gesetzliche Lösung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Sie dient im Zusammenhang der Gesamtregelung der Effektivität der Abwasserabgabe als Flankierungsinstrument zur Sicherung des wasserrechtlichen Vollzugs, indem sie den Anreiz für die Einleiter deutlich erhöht, weitgehende Vorsorge zur Verhinderung von Störfällen zu treffen. Sie ist demnach geeignet und nach dem gesetzlichen Bescheidsystem erforderlich, um das mit der Abwasserabgabe verbundene Lenkungsziel effektiv zu erreichen. Diese Auswirkung der Erhöhungsregelung des § 4 Abs. 4 AbwAG ist auch nicht unangemessen im engeren Sinne. Der Einleiter hat es – jedenfalls regelmäßig – in der Hand, durch Vorsorgemaßnahmen die Entstehung von Störfällen zu verhindern oder zumindest ihr Ausmaß in Grenzen zu halten. Auch soweit dies für den Einleiter im Einzelfall nicht möglich sein sollte, bleibt er abwasserrechtlich „Verursacher” der Gewässerschädigung und muß ggf. finanziellen Rückgriff auf den für den Störfall letztlich Verantwortlichen nehmen, um den ihm durch die Abgabenerhöhung entstandenen Schaden auszugleichen. Im übrigen nimmt § 4 Abs. 4 AbwAG insoweit auf die Problematik von Störfällen Rücksicht, als das Gesetz von einer Erhöhung dann absieht, wenn ein Überwachungswert – trotz tatsächlicher Überschreitung – „als eingehalten gilt”. Damit läßt es zu (vgl. Ziff. 2.2.4 der Rahmen-Abwasser-VwV zu § 7 a WHG), einen „Ausreißer” in einer Kette von 5 Messungen als unbeachtlich einzustufen. Angesichts dessen und der Möglichkeit, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie dem Willkürverbot im Rahmen des behördlichen Ermessens bei der wasserrechtlichen Überwachung in der Weise Geltung zu verschaffen, daß anläßlich eines Störfalls jedenfalls in der Regel nicht mehr als ein Meßergebnis einbezogen wird, brauchte der Gesetzgeber über die bereits anderweitig geregelten Vorschriften über Erlaß und Stundung hinaus keine spezielle Höchstgrenze in § 4 Abs. 4 AbwAG vorzusehen (ebenso: Meßerschmidt, a.a.O., S. 258; Berendes, a.a.O., S. 97 und 98 f.).
4. Schließlich ist auch die Frage,
ob § 4 Abs. 4 Satz 2 AbwAG mit dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Gleichbehandlung zu vereinbaren ist,
zu bejahen.
Die Beschwerde begründet ihre Bedenken insoweit zunächst mit der ihrer Ansicht nach unzulässigen „Vermischung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs mit einem Wirklichkeitsmaßstab”. Dieser Einwand trifft nicht zu. Es fehlt schon an den ihm zugrundeliegenden Annahmen. Der in der Anknüpfung der Abgabenerhöhung an eine Überschreitung der Überwachungswerte gesehene Einbruch des „Wirklichkeitsmaßstabs” stellt sich in Wahrheit ebenfalls als eine typisierende Wahrscheinlichkeitsbetrachtung dar. Denn ihr liegt die auf verwaltungspraktische Gründe zurückzuführende Beschränkung auf stichprobenartige Einzelprüfungen anstelle einer – die Wirklichkeit getreu widerspiegelnden – Dauermessung und die daraus resultierende pauschale Verallgemeinerung einzelner Meßergebnisse für das ganze Veranlagungsjahr zugrunde (vgl. Berendes, a.a.O., S. 97). Derartige Typisierungen sind aus verwaltungspraktischen Gründen – die hier angesichts der praktischen Undurchführbarkeit oder Unverhältnismäßigkeit einer Dauermessung auf der Hand liegen – zulässig und schließen notwendig eine gewisse Abweichung von dem tatsächlichen Ausmaß der Gewässerschädigung, bezogen auf das gesamte Kalenderjahr, ein. Ebenso wie hinsichtlich der Bescheidlösung insgesamt ist auch auf der nachgeordneten Stufe der Bescheidüberwachung eine die Vollzugsmöglichkeiten berücksichtigende praktikable Lösung gerechtfertigt (Meßerschmidt, a.a.O., S. 289). Daß sich die mit der punktuellen Überwachung verbundenen Ungenauigkeiten auf Dauer nicht einseitig zu Lasten des Abgabenpflichtigen auswirken und deshalb aus der Sicht des typisierenden Gesetzgebers vernachlässigt werden durften, wurde bereits dargelegt (siehe oben zu 2 b). Es läßt sich auch trotz der Maßgeblichkeit einzelner, ggf. sogar weniger behördlicher Kontrollen ein noch hinreichender Bezug der daraus „hochgerechneten” Abgabe zur Wirklichkeit der Gewässerbelastung feststellen, denn der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß sich die Zufälligkeiten einzelner Stichproben auf Dauer „ausgleichen” und im statistischen Sinne gleich häufig (weitere) Überschreitungen der Überwachungswerte unentdeckt bleiben (vgl. Meßerschmidt, a.a.O., S. 289 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Kleinvogel, Sailer, Golze
Fundstellen