Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 12.03.2008; Aktenzeichen 6 K 2653/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 12. März 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 112 320 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Die Beschwerde hält die Rechtsfrage für bisher nicht höchstrichterlich geklärt, ob § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG auf eine Verfügung über ein Grundstück unmittelbar oder analog angewendet werden könne, die zwar vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes, aber bereits nach Inkrafttreten der Anmeldeverordnung vom 11. Juli 1990 vorgenommen worden sei.
Die Kläger meinen, es sei fraglich, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 63.96 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 20), wonach im Fall einer zivilrechtlich wirksamen Verfügung über einen Restitutionsgegenstand der nach dem Vermögensgesetz entstandene Restitutionsanspruch nach § 3 Abs. 4 Satz 2 VermG erlösche und an seine Stelle der Verkaufserlös trete, auf vorliegenden Fall im Hinblick auf das Prinzip der “Sicherung der Grundbuchklarheit” und den Vertrauensschutzgrundsatz anwendbar sei. Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verfügung über das Grundstück durch die Stadt Potsdam sei der streitgegenständliche Restitutionsanspruch im Kern existent gewesen. Bereits mit Inkrafttreten der “Gemeinsamen Erklärung” am 15. Juni 1990 bzw. der Anmeldeverordnung vom 11. Juli 1990 habe zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Anmelder einerseits und dem Verfügungsberechtigten und dem Erwerber andererseits eine Rechtslage bestanden, die durch § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG lediglich bekräftigt bzw. nachgezeichnet worden sei.
Die aufgeworfene Frage ist vom Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden. Wenn vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes über ein restitutionsbelastetes Grundstück verfügt worden ist und diese Verfügung ebenfalls vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes durch Erteilung der erforderlichen Genehmigung wirksam geworden ist, richtet es sich nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes über den redlichen Erwerb (§ 4 Abs. 2 VermG), ob diese Verfügung eine Rückübertragung des Grundstücks an den Berechtigten ausschließt. Ist erst nach Inkrafttreten des Vermögensgesetzes über ein restitutionsbelastetes Grundstück verfügt worden, geht der Restitutionsanspruch nach § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG unter (Beschluss vom 1. September 2004 – BVerwG 7 B 47.04 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 52 mit Hinweis auf das Urteil vom 28. August 1997 – BVerwG 7 C 63.96 – a.a.O.).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, gegen die die Beschwerde keine durchgreifenden Verfahrensrügen eingewandt hat, haben die Kläger das Grundstück am 23. Juni 1990 notariell gekauft. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung wurde am 18. Juli 1990 erteilt und am 15. August 1990 wurden die Kläger im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Da sowohl der notarielle Kaufvertrag als auch die nach der Grundstücksverkehrsverordnung vom 15. Dezember 1977 erforderliche Genehmigung (§ 2 Abs. 1 Buchst. a) vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes abgeschlossen bzw. erteilt wurde, findet § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG auf vorliegenden Fall weder unmittelbar noch entsprechende Anwendung. § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG tendiert mit der grundsätzlichen Anerkennung restitutionshindernder Verfügungen wegen dieses Ausnahmecharakters zu einer engen Auslegung (Beschluss vom 23. Mai 2000 – BVerwG 8 B 31.00 – Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 37). Im Übrigen spricht die Systematik des Vermögensgesetzes (einerseits § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG, andererseits § 4 Abs. 2 VermG) dagegen, § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG auch auf Veräußerungsverträge von Volkseigentum zu erstrecken, die vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes wirksam wurden (Urteil vom 27. August 2003 – BVerwG 8 C 15.02 – Buchholz 428.1 § 11 InVorG Nr. 5).
2. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) in dem Urteil vom 28. Juli 1994 (BVerwG 7 C 41.93 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 28) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung keinen Rechtssatz aufgestellt, der einem Rechtssatz entgegensteht, den das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung formuliert hat. Danach erfasst § 1 Abs. 3 VermG nicht nur rechtsgeschäftliche Erwerbsvorgänge, sondern auch hoheitliche Erwerbsakte in Form willkürlicher Enteignungen. Damit sind zwei Fallgruppen der unlauteren Machenschaften von Seiten staatlicher Stellen gemeint. Zum einen handelt es sich um Sachverhalte, bei denen die staatlichen Organe ein den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich entsprechendes Vorhaben als Enteignungszweck nur vorgeschoben haben, um in Wahrheit zu gänzlich anderen Zwecken das Eigentum an dem Vermögenswert zu erlangen. Die zweite Gruppe betrifft Enteignungen, bei denen die eine unlautere Machenschaft begründende Manipulation nicht in der Verschleierung des wahren Enteignungszwecks, sondern darin liegt, dass der wahrheitsgemäß angegebene Zweck der Inanspruchnahme offenkundig von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sein konnte, der Enteignungsbeschluss also nur den äußeren Schein einer gesetzmäßigen Vermögenseinziehung begründen sollte. Die einfache Rechtswidrigkeit des Enteignungsakts unterhalb der Schwelle der Willkürlichkeit reicht demgemäß für die Annahme eines solchen Tatbestands nicht aus; denn die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG will keinen Anspruch auf Rückübertragung von Vermögenswerten allein deswegen gewähren, weil bei einer vermögensentziehenden Maßnahme Regelungen des DDR-Rechts nicht eingehalten worden sind.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass der ausdrücklich angegebene Enteignungszweck “Verkauf” offenkundig vom Aufbaugesetz und der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz nicht gedeckt gewesen sei. Eine Enteignung bebauter Grundstücke zum Zwecke des unmittelbar anschließenden Verkaufs des aufstehenden Gebäudes an Private sei – wie auch sonst eine Überführung in Volkseigentum nur zum Zwecke anschließender Begründung von Privateigentum – offenkundig weder von diesen Regelungen noch von den sonst in der DDR geltenden Rechtsvorschriften gedeckt gewesen.
3. Dem Verwaltungsgericht ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen, weil es angenommen habe, das Grundstück sei ausschließlich “zum Zweck des Verkaufs” enteignet worden. Diese Sachverhaltsunterstellung des Verwaltungsgerichts, mit der die Entscheidungsgründe das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals des “Machtmissbrauchs” im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG bejahten, widerspreche dem Akteninhalt und sei unzulässig in das Verfahren eingeführt worden. Der Beklagte habe seinen Restitutionsbescheid mit den bestehenden Belastungen begründet und dass der staatliche Verwalter vergeblich bei der Sparkasse Potsdam die Bewilligung eines Aufbaukredits für die Durchführung dringender Instandsetzungsmaßnahmen an dem streitgegenständlichen Einfamilienhaus beantragt habe. Die in dem Schreiben des staatlichen Verwalters vom 9. November 1982 an die Sparkasse ausgeführten notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen hätten dann zur Aufbaugebietserklärung durch den Stadtarchitekten geführt. Als Enteignungsgrund habe dieser ausdrücklich die Durchführung von Baumaßnahmen angegeben. Der Zusatz (“Verkauf”) dürfte erfolgt sein, um eine Refinanzierung der staatlichen Baumaßnahmen durch den anschließenden Verkauf des Gebäudes an die Mieter auszudrücken.
Die gerügten Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze begründen keine Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung sind die allgemeinen Erfahrungssätze sowie die Grundsätze der denkgesetzlichen Logik nicht Bestandteil des Verfahrensrechts. Ob und welche Tatsachen vorliegen müssen, um das Tatbestandsmerkmal einer anspruchsbegründenden oder anspruchshemmenden Norm als erfüllt anzusehen, kann vielmehr nur dem materiellen Recht entnommen werden und kann damit nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein (vgl. Urteil vom 7. Februar 1985 – BVerwG 3 C 36.84 – Buchholz 427.6 § 15 BFG Nr. 25). Dies gilt in gleicher Weise für die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den in dem Antrag des Stadtarchitekten vom 11. August 1983 angegebenen Enteignungszweck “zur Durchführung von Baumaßnahmen (vertraut)” unter Verstoß gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze ausgelegt.
Von einer einseitigen Würdigung des Aktenmaterials kann zudem nicht die Rede sein, so dass kein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO vorliegt. Das Verwaltungsgericht ist weder von einem falschen noch von einem unvollständigen Akteninhalt ausgegangen. Die Tatsachen, auf die der Beklagte im Schriftsatz vom 6. März 2008 hingewiesen hat, musste das Verwaltungsgericht nicht gemäß § 87b Abs. 3 VwGO als verspätet zurückweisen, weil es keine entsprechende Frist gesetzt hatte.
Die Kläger stützen ihre Auffassung, das Verwaltungsgericht habe einen unvollständigen oder unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt, im Wesentlichen darauf, dass der staatliche Verwalter in seinem Kreditantrag bei der Sparkasse Potsdam eine genaue Liste der durchzuführenden Instandsetzungsarbeiten sowie Kostenvoranschläge und eine Bestätigung des Bauamts über die Aufnahme des Bauvorhabens in der “Objektliste” des Aufbaugebiets vorgelegt habe. Sie übersehen, dass mit der Ablehnung des Kreditantrags, mit der feststand, dass für die Durchführung der Instandsetzungsarbeiten der Einsatz staatlicher Mittel erforderlich war, eine neue Situation eingetreten war. Insofern steht die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Enteignung des Grundstücks sei zum Zweck des Verkaufs erfolgt, mit den ursprünglichen Planungen des staatlichen Verwalters, die Instandsetzungsarbeiten bei Finanzierung aus Kreditmitteln selbst durchzuführen, auf Grund der eingetretenen Zäsur durch die Ablehnung des Kreditantrags nicht in Widerspruch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.
Unterschriften
Gödel, Postier, Dr. Hauser
Fundstellen