Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 19.03.2009; Aktenzeichen 1 L 47/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. März 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 594 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 2
Die Klägerin macht einen auf § 4 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands in der bis zum 24. November 1997 geltenden Fassung (2. BesÜV) gestützten Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 der Verordnung und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen geltend. Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein solcher Anspruch zu, weil sie die Befähigungsvoraussetzungen für ihre Ernennung zur Steuerinspektorin z.A. im Rahmen eines dreijährigen Vorbereitungsdienstes zur Hälfte im bisherigen Bundesgebiet erworben habe.
Rz. 3
Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage,
“ob die Befähigungsvoraussetzungen zumindest zur Hälfte im bisherigen Bundesgebiet erlangt sind (…), wenn die jeweils geltende Ausbildungs- und Prüfungsordnung Ausbildungsabschnitte von gleicher monatlicher Dauer vorsieht und einer dieser Ausbildungsabschnitte vollständig im bisherigen Bundesgebiet oder im Ausland absolviert worden ist und der andere Ausbildungsabschnitt vollständig in den neuen Bundesländern oder ob eine taggenaue Berechnung der jeweils auf dem Gebiet der alten oder auf dem Gebiet der neuen Bundesländer absolvierten Ausbildungszeiten vorzunehmen ist”,
führt nicht zur Zulassung der Revision.
Rz. 4
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf Grund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann.
Rz. 5
Es ist bereits zweifelhaft, ob die von der Beschwerde aufgeworfene Frage so, wie sie in der Beschwerdebegründung formuliert ist, entscheidungserheblich ist. Die Beschwerde leitet aus § 4 Abs. 3 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes (StBAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1976 (BGBl I S. 2793), geändert durch Anl. I Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr. 37 des Vertrags über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990 (BGBl II S. 889 – Einigungsvertragsgesetz), sowie aus der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Steuerbeamten (StBAPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. September 1982 (BGBl I S. 1257), geändert durch Anl. I a.a.O. Nr. 38 des Einigungsvertragsgesetzes ab, dass der theoretische und der praktische Teil des Vorbereitungsdienstes für Steuerbeamte des gehobenen Dienstes jeweils von gleicher Dauer seien. Dies lässt sich den genannten Vorschriften jedoch nicht entnehmen, sodass kein Klärungsbedarf für eine auf dieser Prämisse beruhende Rechtsfrage besteht.
Rz. 6
Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StBAG dauert der Vorbereitungsdienst für Steuerbeamte des gehobenen Dienstes drei Jahre und kann aus besonderem Grund verlängert werden. Die (theoretischen) Fachstudien haben nach § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 StBAG einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten zu umfassen, während die berufspraktischen Studienzeiten die Dauer von einem Jahr nicht unterschreiten dürfen. Schon hieraus ergibt sich, dass die Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes nicht in zwei notwendig gleich lange Abschnitte aufgeteilt ist, sondern dass bei der Vorbereitung auf eine Tätigkeit im gehobenen Dienst der theoretischen Ausbildung höheres Gewicht zukommt. Dies wird durch §§ 17 und 24 StBAPO bestätigt, wonach die Fachstudien 18 Monate betragen müssen, während die berufspraktischen Studienzeiten mindestens 16 Monate umfassen und nach Regelung der obersten Landesbehörde oder einer von ihr bestimmten Stelle um bis zu zwei Monate verlängert werden können; Urlaub zu Erholungszwecken darf nach § 12 Abs. 4 StBAPO in der bis zum 13. August 1996 geltenden Fassung nicht zu Lasten der Fachstudien gewährt werden.
Rz. 7
Hiervon unabhängig bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens deshalb nicht, weil die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, soweit sie in der Rechtsprechung des Senats nicht bereits geklärt ist, auf Grund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne weiteres beantwortet werden kann. Im Kern möchte die Klägerin geklärt wissen, ob bei der Ermittlung der im Beitrittsgebiet einerseits und im bisherigen Bundesgebiet andererseits verbrachten Ausbildungszeiten zum Erwerb der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne des § 4 2. BesÜV eine taggenaue Berechnung der jeweils konkret festzustellenden Anwesenheitszeiten geboten oder ob eine gewisse, an Regelungen in Ausbildungs- und Prüfungsordnungen anknüpfende Pauschalierung zulässig ist. Diese Frage ist dahin zu beantworten, dass eine derartige Pauschalierung keine hinreichende Grundlage für die Feststellung bieten kann, ob ein Beamter die für seine Ernennung erforderlichen Befähigungsvoraussetzungen zumindest zur Hälfte (Urteil vom 15. Juni 2006 – BVerwG 2 C 14.05 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 12) im bisherigen Bundesgebiet erworben hat. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Senats allein die tatsächliche Ausbildungszeit dafür maßgeblich, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 2. BesÜV a.F. insoweit vorliegen (Beschluss vom 21. April 2009 – BVerwG 2 B 21.09 – juris). Deshalb ist eine Anknüpfung an die den Beamten während des Vorbereitungsdienstes betreffenden Zuweisungsentscheidungen geboten, aus denen sich eindeutig und taggenau ergibt, welche Ausbildungs- und Arbeitsstätten der Beamte besucht hat.
Rz. 8
Nach § 4 2. BesÜV kommt es für den Anspruch auf den Zuschuss nach der Vorschrift darauf an, wo der Beamte die für seine Ernennung maßgeblichen Befähigungsvoraussetzungen “erworben” hat. In diesem Zusammenhang sind weder die dienstrechtliche Verbindung eines Bediensteten zu einer Behörde oder einem Dienstherrn mit Gebietshoheit noch die Begründung eines Wohnsitzes von Bedeutung (Urteil vom 15. Juni 2006 a.a.O.). Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildungs- bzw. Dienstorte während der Ausbildung im Beitrittsgebiet oder im bisherigen Bundesgebiet gelegen haben (Urteile vom 25. Mai 2004 – BVerwG 2 C 69.03 – DVBl 2004, 1414 und vom 11. März 1999 – BVerwG 2 C 24.98 – Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 3). Denn an diesen Orten hatte der Beamte sich während seines Vorbereitungsdienstes aufzuhalten, um dort die Befähigung für eine Ernennung zu erwerben. Wie lange sich der Beamte an den jeweiligen Ausbildungs- und Dienstorten aufzuhalten hatte, lässt sich eindeutig den im Laufe des Vorbereitungsdienstes an ihn gerichteten Zuweisungsentscheidungen entnehmen. Sie lassen im Regelfall ohne erheblichen Aufwand eine rechtssichere und taggenaue Berechnung der für § 4 2. BesÜV relevanten Zeiträume zu.
Rz. 9
Gegen eine Anknüpfung an die Zuweisung zu einem Dienstort oder zu einer Ausbildungsstätte kann nicht eingewandt werden, dass auf diese Weise Zufälligkeiten wie krankheitsbedingte Abwesenheiten, Urlaubstage oder die Lage beweglicher Feiertage im Jahr ausschlaggebend für die Zuerkennung des Zuschusses nach § 4 2. BesÜV werden könnten. Denn bei einer Anknüpfung an Zuweisungsentscheidungen kommt es gerade nicht darauf an, ob sich der Beamte an jedem Tag eines Ausbildungsabschnitts an seinem Ausbildungs- oder Dienstort aufgehalten hat oder ob er krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend war; Urlaubstage sind ebenso wie Zeiten der Dienstunfähigkeit dem Ausbildungsabschnitt zuzurechnen, in dem sie angefallen sind. Die Frage, ob ein pflichtwidriges Fernbleiben vom zugewiesenen Dienst- oder Ausbildungsort anders zu behandeln wäre, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Betrachtung. Für die von der Klägerin für richtig gehaltene Pauschalierung spricht auch nicht die von ihr benannte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. März 2008 – 6 AZR 794/06 – (NZA-RR 2008, 495). Denn die in dieser Entscheidung vorgenommene Berechnung der maßgeblichen Zeiträume nach Wochen knüpft ebenfalls nicht an normative Vorgaben (im Streitfall: Fortbildungs- und Prüfungsordnung der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der See-Berufsgenossenschaft) an, sondern an die örtliche Zugehörigkeit der Ausbildungs- und Dienstorte zum Beitrittsgebiet bzw. zum bisherigen Bundesgebiet. Der Umstand, dass das Gericht keine taggenaue, sondern eine wochenbezogene Berechnung angestellt hat, ist lediglich auf den Umstand zurückzuführen, dass die Klage, gestützt auf die wochenbezogenen Angaben der Klägerin, bereits nicht schlüssig begründet war, sodass eine weitere Aufklärung nicht geboten war.
Rz. 10
Im vorliegenden Fall war die Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich in der Zeit vom 2. Januar bis zum 12. Juli 1992 sowie vom 1. März 1993 bis zum 2. Januar 1994, mithin für einen Zeitraum von 16 Monaten und 13 Tagen, einem Dienst- oder Ausbildungsort im bisherigen Bundesgebiet – nämlich dem Finanzamt Helmstedt – zugewiesen. Für jeden anderen Zeitraum des Vorbereitungsdienstes bestanden Zuweisungen an ihr Stammfinanzamt Haldensleben (etwa zwei Monate), die Landesfinanzschule Harzgerode oder die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege Sachsen-Anhalt – Fachbereich Steuerverwaltung – in Ballenstedt (etwa 17 Monate).
Rz. 11
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Herbert, Groepper, Dr. Maidowski
Fundstellen