Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 12.06.1995; Aktenzeichen 16 A 257/95)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 1995 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

Die auf die Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet.

Die Rechtssache hat nicht die vom Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die vom Beklagten bezeichnete Frage, „ob im Falle spätausgesiedelter Schüler, die die gymnasiale Oberstufe (Sekundarstufe II) besuchen, eine von der Wohnung der Eltern aus entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte im Sinne von § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG nur dann anzunehmen ist, wenn sich in ihr in der Jahrgangsstufe 11 die Möglichkeit bietet, Englisch als neu einsetzende Fremdsprache zu wählen”, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Der vorliegende Streitfall gibt auch keinen Anlaß zu einer über die bestehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der Zumutbarkeit im Sinne dieser Vorschrift hinausgehenden Auslegung.

Das Berufungsgericht setzt sich im Berufungsurteil nicht mit der Frage allgemein auseinander (läßt sie vielmehr ausdrücklich dahingestellt), ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gymnasium für Aussiedlerkinder hinsichtlich der Ausbildungsinhalte und Förderungsmaßnahmen eine so besondere Prägung habe, daß es im Rahmen des § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BAföG gegenüber dem üblichen Gymnasium keine entsprechende Ausbildungsstätte darstelle. Auch zieht das Berufungsgericht ausdrücklich keine strenge begriffliche Abgrenzung zwischen den einzelnen Merkmalen des Begriffs der entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte. Vielmehr stützt es seine Entscheidung maßgebend darauf, daß in der Schulausbildung in Deutschland unter den Fremdsprachen Englisch die größte Bedeutung habe, der Kläger sich in Übereinstimmung mit entsprechenden Zielvorstellungen des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen zum Erlernen dieser Sprache entschieden habe und er Englisch als in der 11. Jahrgangsstufe einsetzende neue Fremdsprache am M.-Gymnasium, nicht aber an einem Gymnasium in erreichbarer Nähe der Wohnung seiner Eltern lernen könne.

Zu Recht führt der Beklagte in seiner Beschwerdebegründung aus, daß die Entscheidung des Berufungsgerichts trotz der auf den Einzelfall des Klägers bezogenen Argumente auf allgemeinen, über den Einzelfall hinausgehenden Erwägungen beruht. Insoweit besteht aber kein Klärungsbedarf. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 31. März 1980 – BVerwG 5 C 41.78 – ≪FamRZ 1980, 837 m.w.N.≫) ist geklärt, daß eine der tatsächlich besuchten Ausbildungsstätte entsprechende Ausbildungsstätte im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 2 BAföG (damaliger Fassung) dann vorhanden ist, wenn auch die von der Wohnung der Eltern aus erreichbare Ausbildungsstätte nach Lehrstoff und Bildungsgang zu dem angestrebten Ausbildungs- und Erziehungsziel führt. Für die Annahme einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BAföG genügt es deshalb nicht, daß dort der gleiche Abschluß (hier die allgemeine Hochschulreife) erreicht werden kann. So sind z.B. Gymnasien nach Lehrstoff und Lehrinhalten verschieden (vgl. 12.2.8 BAföGVwV 1991 ≪GMBl S. 769 [789]≫). Insofern entspricht die dem Berufungsurteil zugrundeliegende Auslegung des Begriffs der entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte der angegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach hat das Berufungsgericht zu Recht auf die sinnvolle Wahl des Klägers, Englisch zu lernen, abgestellt. Daß Schulen nicht verpflichtet sind, Englischunterricht ab der Jahrgangsstufe 11 einsetzend anzubieten, und der Kläger das Abitur an einer anderen Schule auch mit anderen als den am M.-Gymnasium angebotenen Fächern hätte erreichen können, ist dagegen nicht entscheidungserheblich.

Das Berufungsurteil weicht nicht von der vom Beklagten bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 57, 198 = FamRZ 1979, 540) ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dort hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, daß der Begriff der Zumutbarkeit an objektive Gegebenheiten anknüpfe (a.a.O. S. 200 bzw. 541). Das rechtfertigt aber nicht die Annahme des Beklagten, daß „der Begriff der Zumutbarkeit allein an objektive Gegebenheiten, nämlich die Art der Ausbildungsstätte,” anknüpfe. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, daß der Senat im benannten Urteil zur Frage der Zumutbarkeit in bezug auf einen Schulwechsel entschieden hat, eine wesentliche Beeinträchtigung der Ausbildung könne nur dann angenommen werden, wenn durch den Wechsel der Ausbildungsstätte das Erreichen des Ausbildungszieles gefährdet erscheine (a.a.O. S. 202 bzw. 542). Diese Aussage bezog sich aber nur auf das Merkmal der wesentlichen Beeinträchtigung der Ausbildung, das in dieser Entscheidung Bedeutung deshalb hatte, weil es in dem dort entschiedenen Fall für die Zumutbarkeit allein auf die Zeit des Schulwechsels ankam, kein Streit aber darüber bestand, daß die Schule in der Nähe der elterlichen Wohnung vom Schultyp her nach Lehrstoff und Bildungsgang eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte war. Ist dagegen, wie nach den nicht revisiblen Feststellungen des Berufungsgerichts hier, eine Ausbildungsstätte in der Nähe der elterlichen Wohnung mit gleichem Lehrstoff und Bildungsgang nicht vorhanden, fehlt es bereits deshalb an einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte und kommt es auf eine „wesentliche Beeinträchtigung der Ausbildung” durch einen nicht zeitgemäßen Wechsel nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Dr. Pietzner, Schmidt

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1614656

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