Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 16.11.1993; Aktenzeichen 12 B 92.84) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 1993 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht hat keinen Erfolg. Die vom Kläger mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe rechtfertigen eine Zulassung der Revision nicht.
Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO scheidet aus. Die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob „die Unanwendbarkeit des ersten Abschnittes des Kündigungsschutzgesetzes gem. § 14 KSchG durch die Arbeitsgerichte dazu (führt), daß der Schwerbehindertenschutzgedanke des SchwbG eine arbeitsrechtliche Prüfung im Rahmen des Zustimmungsverfahrens vor der Hauptfürsorgestelle notwendig macht”, gibt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten Vorschrift. Die bezeichnete Frage bedarf keiner grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren, da sie nach § 15 SchwbG und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dieser Norm ohne weiteres zu verneinen ist. Wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 90, 287 ≪293 f.≫) entschieden und das Berufungsgericht hervorgehoben hat, ist der besondere Schutz des § 15 SchwbG dem Schwerbehinderten zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben. Die Hauptfürsorgestelle hat nicht – gleichsam parallel zum Arbeitsgericht – über die Frage der Sozialwidrigkeit der Kündigung zu befinden. Bei der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen oder zu versagen, können vielmehr nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten. Rechtfertigen solche Erwägungen eine Versagung der Zustimmung nicht, so hat die behördliche Zustimmung dem Kündigenden diejenige Rechtsstellung zurückzugeben, die er hätte, wenn es keinen besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gäbe. Schränkt § 14 KSchG den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz ein, kann das nach dieser Rechtsprechung nicht dazu führen, daß nunmehr die Hauptfürsorgestelle – wie der Kläger meint und mit weiteren Fragen im Kontext des § 14 KSchG zu verdeutlichen sucht – im Rahmen ihrer Entscheidung in eine „arbeitsrechtliche Prüfung” der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung eines Schwerbehinderten einzutreten hat.
Mit der Beschwerde wird ferner geltend gemacht, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verletzt, daß es zu der entscheidungserheblichen Frage, ob zwischen der Behinderung des Klägers und der verhaltensbedingten Kündigung seitens der Beigeladenen ein Zusammenhang bestehe, nicht ausreichend ermittelt, insbesondere kein Sachverständigengutachten eingeholt habe. Diese Rüge greift ebenfalls nicht durch. Denn sie genügt nicht den Anforderungen, die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Verfahrensmangels zu stellen sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Verletzung der Aufklärungspflicht gehören nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben der Anführung der Beweismittel, deren sich das Tatsachengericht fehlerhaft nicht bedient haben soll, u.a. substantiierte Angaben dazu, warum sich dem Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus die Erhebung dieser Beweise hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschluß vom 2. März 1978 – BVerwG 6 B 24.78 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f.≫; Urteile vom 7. Februar 1985 – BVerwG 3 C 36.84 – ≪Buchholz 427.6 § 15 BFG Nr. 25 S. 27≫ und vom 13. Dezember 1988 – BVerwG 1 C 44.86 – ≪NVwZ 1989, 453/454≫). Daran läßt es die Beschwerde fehlen. Das Berufungsgericht hat seine Annahme, ein – auch nur mittelbarer – Zusammenhang zwischen der Behinderung des Klägers und seiner Kündigung bestehe nicht, zunächst darauf gestützt, die Beigeladene und der Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung über die Berufung übereinstimmend bekundet, ein solcher Zusammenhang sei nicht gegeben. Außerdem hat das Berufungsgericht ausgeführt (Urteilsabdruck S. 18), auch aus den Akten ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen Sachzusammenhang zwischen Behinderung und Kündigung. Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb sich dem Berufungsgericht bei dieser Sachlage die Notwendigkeit weiterer Aufklärung aufdrängen mußte.
Auch das weitere Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht. Der Kläger macht geltend, es führe letztlich zu einer unzulässigen Überraschungsentscheidung, wenn ein Sachverhalt, der nach dem Vortrag und dem Verhalten der Behörde entscheidungserheblich sei und im Wege der Beweisaufnahme verifiziert werden solle, „plötzlich nicht mehr des Beweises bedürfen soll und deshalb in bestimmter – dem Schwerbehinderten negativer – Weise unterstellt wird”. Sollte der Kläger mit diesem Vorbringen rügen wollen, das Berufungsgericht habe unterstellt, die behaupteten überdimensionierten Warenbestellungen für die Firma P & M Modevertriebs GmbH im Sommer 1989 sowie die Unregelmäßigkeiten in den Filialen seien dem Kläger zuzurechnen, so greift die Rüge schon deshalb nicht durch, weil das Berufungsgericht derartiges nicht unterstellt hat. Es hat lediglich im Rahmen einer Evidenzprüfung nicht ausgeschlossen, daß die Kündigung auf einem vom Kläger zu verantwortenden Verhalten beruhen kann (Urteilsabdruck S. 20). Sollte der Kläger in diesem Zusammenhang rügen wollen, daß das Berufungsgericht zur Frage der Warenbestellungen und der Unregelmäßigkeiten in den Filialen kein Sachverständigengutachten eingeholt habe, müßte diese Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) ebenfalls erfolglos bleiben. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichts gewinnen die Gründe, auf die die Kündigung eines Schwerbehinderten gestützt wird, im Rahmen des Schwerbehindertenschutzes erst dann an Gewicht, wenn sie in der Beschädigung selbst ihre Ursache haben. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung bestand für das Berufungsgericht kein Anlaß, der Frage der Warenbestellungen und der Unregelmäßigkeiten in den Filialen weiter nachzugehen; denn ein Zusammenhang zwischen der Behinderung des Klägers und seiner Kündigung besteht nach Ansicht des Berufungsgerichts, wie schon ausgeführt, nicht. Soweit schließlich die vorerörterten Rügen auf das Verhalten der Hauptfürsorgestelle zielen, vermag dies einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht zu begründen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 1964 – BVerwG 6 C 20.63 – ≪Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 27 S. 35≫ und vom 13. September 1973 – BVerwG 2 B 45.73 – ≪Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 114 S. 64≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Hömig, Schmidt, Dr. Rojahn
Fundstellen