Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.11.2010; Aktenzeichen 9 C 10525/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz – Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland – vom 24. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger jeweils zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Rz. 2
1. Eine Zulassung der Revision wegen der von der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) scheidet aus.
Rz. 3
a) Die Beschwerde rügt zum einen, dass das Flurbereinigungsgericht gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) und gegen § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG verstoßen habe, weil die Kläger keine Gelegenheit gehabt hätten, zu den vom Flurbereinigungsgericht gemäß der letztgenannten Vorschrift vorgenommenen und für sie überraschenden Änderungen des Flurbereinigungsplans Stellung zu nehmen.
Rz. 4
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Flurbereinigungsgericht im Abfindungsstreit zur Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs verpflichtet, alle in Erwägung gezogenen Planänderungen vor der endgültigen Entscheidung den Beteiligten mitzuteilen und so zu erläutern, dass diese in die Lage versetzt werden, ihre Gesichtspunkte hierzu in vollem Umfang vorzutragen (Urteil vom 15. Oktober 1974 – BVerwG 5 C 30.72 – BVerwGE 47, 87 ≪89 f.≫ = Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 30 S. 28 f. m.w.N.). Dass das Flurbereinigungsgericht in diesem Sinne den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt hat, ist von der Beschwerde nicht in der erforderlichen Weise dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Denn zu einer ordnungsgemäßen Gehörsrüge gehört regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung vorgetragen hätte (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Hierfür reicht es nicht aus, dass die Beschwerde vorbringt, dass die Kläger “mit der Abfindungsgestaltung durch das Flurbereinigungsgericht nicht einverstanden” seien und dass sie, “wenn die Möglichkeit bestanden hätte, Einwände erhoben und die Neugestaltung ebenso abgelehnt” hätten wie den Flurbereinigungsplan in seiner mit der Klage angefochtenen Fassung. Ebenso wenig genügt der bloße Hinweis, es sei “nicht auszuschließen”, dass ihnen “eine andere, wertgleiche Abfindung zugeteilt worden wäre, z.B. in einer anderen Lage”.
Rz. 5
b) Die Beschwerde rügt zum anderen als weitere Verfahrensmängel eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) und des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil sich dem angefochtenen Urteil keine näheren Ausführungen dazu entnehmen ließen, warum das Flurbereinigungsgericht trotz der von den Klägern gerügten Mängel der Abfindungsflurstücke eine durchgehende Bewirtschaftung für möglich hält und warum es sich über die Erkenntnisse des von den Klägern vorgelegten Sachverständigengutachtens hinwegsetzt.
Rz. 6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist durch die gemäß § 139 FlurbG vorgeschriebene besondere Besetzung des Flurbereinigungsgerichts eine sachverständige Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden Sachverhalte regelmäßig gewährleistet. Dies gilt insbesondere für die Feststellung der Nutzungsart und Bodengüte (Beschlüsse vom 11. Februar 1975 – BVerwG 5 B 33.72 – Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 31 S. 2 und vom 4. April 1979 – BVerwG 5 B 42.78 – Buchholz 424.01 § 139 FlurbG Nr. 9 S. 6, jeweils m.w.N.). Die eigene Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts muss im “Normalfall”, d.h. bei Sachverhalten, mit denen das Flurbereinigungsgericht regelmäßig befasst ist, namentlich bei Feststellungen zur Nutzungsart und Bodengüte, nicht besonders begründet werden. Mit Blick auf die besondere Sachkunde des Flurbereinigungsgerichts kommt ein Verstoß gegen dessen Aufklärungspflicht – unter Berufung auf zu Unrecht angenommene eigene Sachkunde – hiernach nur dann in Betracht, wenn die Beurteilung der in Rede stehenden agrarwirtschaftlichen Fragen durch das Flurbereinigungsgericht gravierende Mängel aufweist, etwa wenn sie von unzutreffenden Tatsachen ausgeht, in sich widersprüchlich oder aktenwidrig ist oder ohne die notwendige Kenntnis der örtlichen Verhältnisse vorgenommen wurde, mithin wenn sie schlechterdings unvertretbar ist (Beschluss vom 4. November 2010 – BVerwG 9 B 85.09 – RdL 2011, 74 ≪74 f.≫).
Rz. 7
Hieran gemessen liegt ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nicht vor. Die Beschwerde legt schon nicht dar, dass die Kläger im Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht durch Stellung eines Beweisantrags auf eine weitergehende Sachaufklärung hingewirkt haben; ebenso wenig wird dargelegt, dass und in welcher Richtung sich dem Flurbereinigungsgericht eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. zu diesen Anforderungen den Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.). Das ist auch nicht erkennbar. Dass die Beurteilung der zwischen den Beteiligten umstrittenen agrarwirtschaftlichen Fragen durch das Flurbereinigungsgericht gravierende Mängel aufweist, namentlich dass sie von unzutreffenden Tatsachen ausgeht, in sich widersprüchlich oder aktenwidrig ist, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht. Das Flurbereinigungsgericht hat die von den Klägern angeführte Kritik an der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung und am Flurbereinigungsplan (wegen Vernässungen, Flachgründigkeit und unterschiedlicher Bodenqualität) in gewissem, im Einzelnen dargestellten Umfang für berechtigt gehalten, sie aber durch die – eben deswegen – im angefochtenen Urteil vorgenommenen Änderungen (Abstufungen und Mehrausweisungen) für ausgeglichen erachtet. Maßgeblich und grundlegend hierfür waren die im Ortstermin durch den Berichterstatter des Flurbereinigungsgerichts umfangreich getroffenen Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen; durch die im Ortstermin auf Verlangen der Kläger vorgenommenen weiteren Bodenproben sieht das Gericht seine Bewertung bestätigt (UA S. 9 oben). Insbesondere wird im angefochtenen Urteil hinreichend begründet, weshalb das Flurbereinigungsgericht zu einer anderen Einschätzung gelangt als das von den Klägern vorgelegte Sachverständigengutachten. Es wird nachvollziehbar dargelegt, weshalb das Flurbereinigungsgericht die in dem Sachverständigengutachten in einer topographischen Karte dargestellte Nutzung der Abfindungsflurstücke als Acker- oder Grünlandflächen für ungeeignet hält, die vorgenommene Einstufung dieser Flächen im Ergebnis (in der durch das Urteil korrigierten Fassung) in Frage zu stellen (UA S. 9). Das Flurbereinigungsgericht hat den Klägern auch zugestanden, dass ihnen durch die oben angeführten Nachteile ein Bewirtschaftungsmehraufwand entsteht; es hat diesen jedoch – unter Berücksichtigung des Vorteils aus der Zusammenlegung des zuvor verstreuten Grundbesitzes der Kläger zu einem großflächigen Wirtschaftsstück – mit den vom Flurbereinigungsgericht vorgenommenen Änderungen der Wertfeststellung und des Flurbereinigungsplans für ausgeglichen erachtet (UA S. 9 unten/S. 10 oben und S. 14). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihrer Aufklärungsrüge gegen die Sachverhaltswürdigung des Flurbereinigungsgerichts. Diese genügt indes den oben genannten Anforderungen.
Rz. 8
Aus denselben Gründen liegt auch ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht vor. Ein solcher wird nicht dadurch dargelegt, dass in der Beschwerdebegründung über mehrere Seiten (S. 6 bis 14) vorinstanzlicher Vortrag wörtlich wiedergegeben wird und der Sachverhaltswürdigung des Flurbereinigungsgerichts, die auf den im Ortstermin getroffenen Feststellungen beruht, schlicht entgegen gestellt wird.
Rz. 9
2. Ohne Erfolg bezeichnet die Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Frage:
“Ist zur Beurteilung des Entsprechungsgebotes nach § 44 Abs. 2 (richtig: Abs. 4) FlurbG auf die Entfernung zwischen Grundstück und Wirtschaftshof des Eigentümers/Verpächters oder auf die Entfernung zwischen Grundstück und Wirtschaftshof des Pächters abzustellen?”
Rz. 10
Die Frage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn das Flurbereinigungsgericht hat im Rahmen der von ihm bejahten Frage, ob die den Klägern zugeteilte Landabfindung auch hinsichtlich der Entfernung vom Wirtschaftshof oder von der Ortschaft ihren alten Grundstücken entspricht i.S.v. § 44 Abs. 4 FlurbG, nicht allein – wie die Beschwerde annimmt – auf die Hoflage (des Pächters) in Bärweiler abgestellt (UA S. 12 Mitte bis S. 13 oben), sondern selbstständig tragend ausgeführt, dass eine maßgebliche Entfernungsverschlechterung auch dann nicht vorliege, wenn man die Entfernung von der Ortslage Hoppstädten oder – wie die Beschwerde für richtig hält – dem dortigen Wirtschaftshof des Klägers (als Eigentümer/Verpächter) betrachtet (UA S. 13 Mitte). Kommt das angefochtene Urteil mithin bei beiden in der obigen Frage von der Beschwerde angesprochenen Bezugsorten (Wirtschaftshof des Eigentümers/Verpächters oder des Pächters) zum selben Ergebnis, ist die Frage nicht entscheidungsrelevant.
Rz. 11
3. Eine Zulassung der Revision wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zu der von ihr angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5. Juni 1984 – BVerwG 5 C 141.83 – BVerwGE 69, 283 ≪284 ff.≫ = Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 45 S. 14 ff.) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an der Gegenüberstellung von zwei sich widersprechenden abstrakten Rechtssätzen aus dieser Entscheidung und dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts fehlt. Eine solche Divergenz ist auch nicht ersichtlich, vielmehr zitiert das Flurbereinigungsgericht die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze (a.a.O. S. 286 bzw. S. 15) und legt sie seiner Entscheidung ausdrücklich zugrunde (UA S. 12).
Rz. 12
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Es entspricht der Billigkeit, etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil diese keinen Antrag gestellt und sich daher auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und beruht auf denselben Erwägungen wie diejenige des Flurbereinigungsgerichts.
Unterschriften
Dr. Nolte, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen