Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 21 369,54 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Einer entsprechenden Erklärung des notwendig Beigeladenen bedarf es nicht (BVerwG, Urteil vom 15. November 1991 - 4 C 27.90 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 92 S. 32). Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Dabei ist der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens zu berücksichtigen, soweit dieser im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses überblickt werden kann. Die Entscheidung obliegt dem Berichterstatter (§ 87a Abs. 1 Nr. 3 bis 5 und Abs. 3 VwGO). Danach hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, zu tragen, weil sie im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre.
Rz. 2
Der Antragsteller hat wohl die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO und § 920 Abs. 2 ZPO). Der Anordnungsgrund folgt aus der Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung. Die Übertragung des Dienstpostens an den von der Antragsgegnerin ausgewählten Beigeladenen ist beabsichtigt.
Rz. 3
Auch der Anordnungsanspruch ist gegeben. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt dem einzelnen Beamten einen Anspruch auf fehlerfreie Auswahlentscheidung durch den Dienstherrn nach Maßgabe der dort genannten Kriterien. Verletzt der Dienstherr dieses subjektive Recht des Beamten durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung, so kann der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl wenigstens möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 16. Dezember 2015 - 2 BvR 1958/13 - BVerfGE 141, 56 Rn. 57, BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 - NVwZ 2016, 764 Rn. 83 und vom 9. August 2016 - 2 BvR 1287/16 - NVwZ 2017, 46 Rn. 70). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Rz. 4
Der Ausschluss des Antragstellers aus dem Auswahlverfahren für die Vergabe des streitgegenständlichen Dienstpostens mit der Begründung, er erfülle die zwingende Voraussetzung "mindestens dreijährige Berufserfahrung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug" nicht, hätte sich voraussichtlich als rechtswidrig erwiesen. Dabei wird zu Gunsten der Antragsgegnerin unterstellt, dass hier die Orientierung der Auswahlentscheidung an den Anforderungen des streitgegenständlichen Dienstpostens im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG, der regelmäßig die Ausrichtung an den Anforderungen des betreffenden Statusamtes vorgibt, zulässig ist (stRspr. seit BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 31).
Rz. 5
Zur Rechtfertigung des Ausschlusses des Antragstellers vom weiteren Auswahlverfahren kann sich die Antragsgegnerin nicht auf den Beschluss des Senats vom 29. Juli 2020 - 2 VR 3.20 - (Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 100) berufen. Die dort entwickelten Vorgaben zu einem förmlichen Begriffsverständnis können nicht auf den hier vorliegenden Fall übertragen werden. Denn es gibt zwar Verwaltungseinheiten des Bundesnachrichtendienstes (BND), die speziell mit dem "AND-Kooperationsbezug" befasst sind. Die Antragsgegnerin hat jedoch den Kreis der Bewerber weiter gezogen und hat auch solche Bewerber in die Auswahl mit einbezogen, die außerhalb dieser BND-Referate mit "AND-Kooperationsbezug" befasst waren. Dies gilt z.B. für die Bereiche Auswertung, Befragungswesen, Einsatzbegleitung Bundeswehr oder Residentur.
Rz. 6
Die Antragsgegnerin hat zur Begründung der zwingenden Anforderung "mindestens dreijährige Berufserfahrung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug" ausgeführt, für die Erfüllung der Aufgaben des Dienstpostens sei die durch praktische Berufserfahrung erworbene Fachkenntnis zwingend erforderlich. Die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten erfordere die nur durch den praktischen Umgang zu erwerbende Fachexpertise im Hinblick auf zu beachtende ungeschriebene Gepflogenheiten und Erwartungen sowie auf gelebte und etablierte Strukturen im Bereich der nachrichtendienstlichen Kooperation.
Rz. 7
Der BND hat im Auswahlvermerk vom 14. April 2021 eine Vielzahl von Verwaltungsbereichen des BND benannt, bei denen nach seiner Einschätzung die zwingende Anforderung "mindestens dreijährige Berufserfahrung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug" erfüllt ist. Einerseits haben die Angaben der Vertreter der Antragsgegnerin im Erörterungstermin ergeben, dass es z.B. im Verbindungsdienst auch Dienstposten gibt, die nicht zwangsläufig eine Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug zur Folge haben. Andererseits hat der Antragsteller nach seinen unwidersprochen gebliebenen Angaben im Erörterungstermin während seiner Tätigkeit vom September 2013 bis 16. Dezember 2017 an einer Auslandsresidentur des BND gerade nicht als Anbahner/Verbindungsführer gearbeitet, sondern hat ausschließlich eine Kooperation mit den Nachrichtendiensten des betreffenden Staates und den dort agierenden Nachrichtendiensten von Drittstaaten aufgebaut.
Rz. 8
Für den Erfolg des Antrags des Antragstellers spricht im Übrigen auch der Text der Ausschreibung vom 18. Februar 2021. Für das Verständnis des Merkmals "mindestens dreijährige Berufserfahrung in einer Tätigkeit mit AND-Kooperationsbezug" ist die entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung maßgeblich (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 32 und vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 27). Diesen geforderten Kooperationsbezug erfüllt der Antragsteller aufgrund seiner langjährigen Auslandstätigkeit im Rahmen einer BND-Residentur.
Rz. 9
Auf die nachgeschobene Auswahlentscheidung unter Hinweis darauf, dass der ausgewählte Beigeladene bei der ergänzend heranzuziehenden Regelbeurteilung zum 1. April 2016 um einen Punkt besser bewertet worden sei als der Antragsteller, kann sich die Antragsgegnerin zu Ungunsten des Antragstellers nicht berufen. Nach der oben aufgeführten Rechtsprechung ist der Antrag eines im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerbers auf den vorläufigen Stopp des Auswahlverfahrens mit dem Ziel einer erneuten fehlerfreien Entscheidung über seine Bewerbung bereits dann begründet, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. wenn seine Auswahl wenigstens möglich erscheint. Hiervon ist schon aufgrund des Vorbringens des BND zum Gleichstand des Antragstellers und des Beigeladenen nach Auswertung der aktuellen Regelbeurteilungen zum 1. April 2019 auszugehen.
Rz. 10
Es entspricht billigem Ermessen, dass der Beigeladene, der auf der Seite der Antragsgegnerin steht und keinen Antrag gestellt hat und deshalb kein Kostenrisiko eingegangen ist, seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 154 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO).
Rz. 11
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14906602 |