Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 30.01.2008; Aktenzeichen 21d A 1130/07.O) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Der vom Beschwerdeführer behauptete Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht von einem höchstrichterlichen Rechtssatz des Inhalts abgewichen, dass ein Verstoß gegen das (grundsätzliche) Nebentätigkeitsverbot keine Entlassung aus dem Dienst zur Folge haben darf.
a) Eine Divergenz liegt nur dann vor und ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 21. Juni 1995 – BVerwG 8 B 61.95 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 18). Allein das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt dafür nicht (Beschluss vom 25. Februar 1997 – BVerwG 11 B 5.97 – juris Rn. 4).
b) Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2007 – BVerwG 1 D 8.06 – (juris) liegt schon deshalb keine Divergenz vor, weil Gegenstand der Bezugsentscheidung eine Vorschrift des Bundesdisziplinarrechts gewesen ist. Die weitgehende Textgleichheit des § 13 Abs. 3 LDG NRW mit § 13 Abs. 2 BDG ändert daran nichts (Beschluss vom 4. Februar 1999 – BVerwG 6 B 131.98 – Buchholz 251.8 § 94 RhPPersVG Nr. 1). Davon abgesehen hat das Bundesverwaltungsgericht dort nicht den Rechtssatz aufgestellt, bei der Ausübung einer ungenehmigten und nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit durch aktive Beamte komme als schärfste Disziplinarmaßnahme allenfalls eine Zurückstufung in Betracht. Es hat vielmehr ausdrücklich betont, dass bei der innerdienstlichen Verletzung des Verbots der Ausübung ungenehmigter Nebentätigkeiten grundsätzlich der gesamte disziplinarrechtliche Maßnahmekatalog zur Verfügung stehe. Bei der Zumessung müssten allerdings Dauer, Häufigkeit und Umfang der Nebentätigkeiten berücksichtigt werden (Urteil vom 6. Juni 2007 a.a.O. Rn. 23).
2. Auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Die vom Beschwerdeführer gestellte Rechtsfrage, wie die Begriffe “Schwere des Dienstvergehens” und “Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit” in § 13 Abs. 2 LDG NRW unter Berücksichtigung der Grundrechte auszulegen seien, lässt keine Rechtsgrundsätzlichkeit erkennen.
a) Die Zulassung wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung hat nur dann zu erfolgen, wenn der Beschwerdeführer eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche, höchstrichterlich ungeklärte Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt muss aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung die Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangen. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (vgl. z.B. Beschlüsse vom 28. Mai 1997 – BVerwG 4 B 91.97 – Buchholz 407.4 § 5 FStrG Nr. 10 und vom 28. September 1995 – BVerwG 10 B 6.94 – juris Rn. 4). So liegt es hier.
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits im Urteil vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – (BVerwGE 124, 252 ≪258 ff.≫ = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1; vgl. auch Urteil vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3) zum nahezu wortgleichen § 13 Abs. 1 BDG die Begriffe “schweres Dienstvergehen” sowie “endgültiger Vertrauensverlust” ausgelegt und die Entlassung aus dem Dienst bei unzulässigen Nebentätigkeiten als eine grundsätzlich zulässige Disziplinarmaßnahme anerkannt (Urteil vom 6. Juni 2007 – BVerwG 1 D 8.06 – a.a.O.). Es hat außerdem festgestellt, dass ein Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht nicht den konkreten Nachweis einer Behinderung oder Verzögerung des Gesundungsprozesses durch die Nebentätigkeit erfordert (Urteil vom 1. Juni 1999 – BVerwG 1 D 49.97 – BVerwGE 113, 337 ≪338≫ = Buchholz 232 § 54 Satz 1 BBG Nr. 7). Angesichts dieser umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung, deren Durchdringung durch den Beschwerdeführer zudem nicht ansatzweise in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise ersichtlich ist, besteht keine Klärungsbedürftigkeit.
3. Der Beklagte kann auch nicht mit der Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO durchdringen.
Sinn der Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels ist die Kontrolle des äußeren Verfahrensganges, nicht des inneren Vorganges der richterlichen Rechtsfindung (Beschluss vom 15. Mai 2008 – BVerwG 2 B 77.07 – juris Rn. 2). Dabei ist ein Verfahrensmangel nur dann bezeichnet, wenn er sowohl hinsichtlich der ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substanziiert dargetan wird (Beschluss vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5). Für die Beurteilung, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist der materiellrechtliche Standpunkt des Berufungsgerichts zugrunde zu legen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (Beschluss vom 23. Januar 1996 – BVerwG 11 B 150.95 – Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1).
a) Bei dem vom Beschwerdeführer behaupteten Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substanziiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschlüsse vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26). Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse des Beschwerdeführers in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von Beweisanträgen, zu kompensieren (Beschluss vom 29. März 2007 – BVerwG 4 BN 5.07 – juris Rn. 4).
Selbst vor dem Hintergrund des vom Berufungsgericht ausdrücklich vertretenen Rechtsstandpunktes, bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme komme auch etwaigen nachteiligen Auswirkungen auf die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben Bedeutung zu, kann aus dem Fehlen entsprechender Feststellungen in den Urteilsgründen nicht gefolgert werden, das Gericht habe hier keine Sachverhaltsermittlung vorgenommen. Vielmehr ist bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe zu erkennen, dass das Berufungsgericht als einzige, wenn auch bedeutsame Auswirkung der Nebentätigkeit auf den Dienst eine verzögerte Genesung angenommen und die Disziplinarmaßnahmen unter Berücksichtigung lediglich dessen auch verhängt hat. In Ermittlungen zu den sonstigen von dem Beklagten behaupteten Umständen – wie etwa Besonderheiten des Schichtdienstes, tatsächliche Auswirkungen auf die Genesung – brauchte das Berufungsgericht deshalb nicht einzugehen, weil sie nach dem von ihm vertretenen Rechtsstandpunkt ohne rechtliche Bedeutung waren.
b) Eine Zulassung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) geboten.
Wird die Verletzung rechtlichen Gehörs in Form einer Überraschungsentscheidung geltend gemacht, hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der er nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (Beschluss vom 11. August 1999 – BVerwG 11 B 61.98 – RdL 1999, 275 = VIZ 2000, 27; insoweit in Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 nicht veröffentlicht). Nicht zu rechnen brauchte er damit etwa dann, wenn der Gesichtspunkt weder im früheren verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren thematisiert worden ist. Eines gerichtlichen Hinweises bedarf es allerdings nur dann, wenn auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen mit diesem Gesichtspunkt nicht zu rechnen brauchte (Beschluss vom 12. Februar 1999 – BVerwG 3 B 169.98 – juris Rn 3).
Ob es nach Maßgabe dessen das Berufungsgericht versäumt hat, den Beschwerdeführer von seiner rechtlichen Auffassung in Kenntnis zu setzen, dass auch ein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Gesunderhaltungspflicht im Raume steht, kann dahingestellt bleiben. Die Beweisanträge, die der Beschwerdeführer nach seinem Beschwerdevortrag dann gestellt hätte, hätten auf der Grundlage des vom Berufungsgericht – in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht – vertretenen Rechtsstandpunktes (vgl. S. 28, dort Verweis auf BVerwGE 113, 337) jedenfalls mangels Entscheidungserheblichkeit abgelehnt werden müssen. Der Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht setzt nicht den konkreten Nachweis einer Behinderung oder Verzögerung des Gesundungsprozesses durch die Nebentätigkeit voraus (Urteil vom 1. Juni 1999 a.a.O.). Das Berufungsurteil würde somit jedenfalls nicht auf einem Verstoß gegen das Verfahrensrecht beruhen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 74 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW. Gerichtsgebühren werden gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW nicht erhoben.
Unterschriften
Herbert, Prof. Dr. Kugele, Dr. Burmeister
Fundstellen