Verfahrensgang
VG Greifswald (Urteil vom 13.04.2006; Aktenzeichen 6 A 143/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Weder liegt die gerügte Divergenz noch der geltend gemachte Verfahrensfehler vor.
1. Die von der Klägerin angeführten Textstellen in dem angefochtenen Urteil ergeben keinen Rechtssatzwiderspruch im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Mit ihnen hat das Verwaltungsgericht lediglich klargelegt, dass und wie behördlicherseits zum Zwecke der Enteignung Zugriff auf die Vermögenswerte der Klägerin genommen worden war. Dass damit bereits eine Enteignung im vermögensrechtlichen Sinne gegeben ist, hat das Verwaltungsgericht nicht gemeint. Aus seiner Bezugnahme auf den den Beteiligten bekannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2003 – BVerwG 7 B 10.03 – (n.v.) wird vielmehr deutlich, dass für das Verwaltungsgericht nur problematisch war, ob der im Grundbuch erfolgten Umschreibung auf das Eigentum des Volkes ein enteignender Zugriff zugrunde gelegen hatte. Dies hat das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung bejaht (zu den Verfahrensrügen vgl. nachfolgend unter 2.). Es ist nicht erforderlich, dass die einzelnen Schritte der Enteignung nach außen für die frühere Eigentümerin erkennbar waren. Entscheidend ist, dass eine Enteignung überhaupt in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck kam und sich der frühere Eigentümer vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt betrachten musste (vgl. u.a. Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 7 C 10.98 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 1 S. 3). In der Grundbucheintragung kam im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Vermögensentziehung in der Rechtswirklichkeit greifbar zum Ausdruck. Eines weiteren Beweises bedurfte es nicht, dass dem Betroffenen die konkrete Umschreibung zur Kenntnis gelangt war. Auch dass sich der frühere Eigentümer als vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt betrachten musste, stand danach ohne weitere Erläuterung fest. Soweit der 7. Senat in dem Beschluss vom 29. April 2003 der Grundbuchumschreibung lediglich eine “Indizwirkung” zugesprochen hat, bezieht sich dies nicht auf die Erkennbarkeit für die frühere Eigentümerin, sondern darauf, ob der Umschreibung tatsächlich ein Zugriffsakt zugrunde lag.
Es ergibt auch keine Divergenz im zulassungsrechtlichen Sinne, dass das Verwaltungsgericht aufgrund eines anderen Sachverhalts zu einer anderen Einschätzung der Rechtslage als das Bundesverwaltungsgericht in der Divergenzentscheidung (Urteil vom 25. Oktober 2001 – BVerwG 7 C 27.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 20) gelangt ist. Die dort wiedergegebene Subsumtion ist an Rechtssätzen vorgenommen worden, denen das Verwaltungsgericht nicht widersprochen, sondern nur mit anderem Ergebnis entsprochen hat. Dies hatte seinen Grund im Wesentlichen darin, dass dem Urteil vom 25. Oktober 2001 (a.a.O.) und auch dem Beschluss vom 29. April 2003 andere Sachverhaltskonstellationen zugrunde lagen. So war in dem ersten Fall die Umschreibung des Grundbuchs in “Eigentum des Volkes” erst im September 1951 vorgenommen worden; ein Vollzugsauftrag der sowjetischen Besatzungsmacht, der deren Verantwortlichkeit für die Enteignung begründet hatte, bestand nicht. In dem Verfahren, das zu dem Beschluss vom 29. April 2003 führte, war die Grundbuchumschreibung als irrtümlich im Jahre 1950 gelöscht und die Klägerin wieder als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden; das in dem damaligen Verfahren zuständige Verwaltungsgericht hatte hieraus geschlossen, dass der ursprünglichen Grundbuchumschreibung kein enteignender Zugriffsakt zugrunde lag.
2. Soweit die Klägerin als Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rügt, dass das Verwaltungsgericht keinen Enteignungszeitpunkt festgestellt habe, übersieht sie, dass nach dem angefochtenen Urteil die die Enteignung für den Rechtsverkehr dokumentierende Grundbucheintragung am 5. Oktober bzw. 30. November 1948 erfolgt ist (UA S. 7). Es trifft auch nicht zu, dass das Verwaltungsgericht in dem Schreiben des Rechtsanwalts und Notars Dr. Walter Sch… vom 18. Mai 1948 ein Indiz für eine Enteignung gesehen hat. Das Verwaltungsgericht hat solches nur dem handschriftlichen Vermerk entnommen, der auf dieses Schriftstück gesetzt worden war. Auch die Ausführungen der Beschwerde in diesem Zusammenhang zum SMAD-Befehl Nr. 64 verkennen die Begründung des Verwaltungsgerichts.
Auf das von der Klägerin eingereichte Schreiben des FDGB vom 10. Mai 1950 musste es dem Verwaltungsgericht nicht Streit entscheidend ankommen, weil zu der Zeit der nicht angefochtenen Feststellung des Verwaltungsgerichts zufolge laut Grundbuch bereits eine Überführung in das Eigentum des Volkes erfolgt war.
Soweit die Klägerin einen Hinweis auf das Schreiben der Landesregierung Mecklenburg vom 30. Mai 1949 vermisst, bleibt zu beachten, dass das Verwaltungsgericht sich erkennbar mit dem vermeintlichen Widerspruch auseinandergesetzt hat, der zu dem von ihm herangezogenen Schreiben derselben Stelle vom 29. Juni 1948 zu sehen sein mag. Nach seinem Urteil (S. 10) erscheint es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Landesregierung Mecklenburg zu dem damaligen Zeitpunkt vor dem Hintergrund der Vielzahl der betroffenen Objekte keine Detailkenntnisse bezüglich der konkreten Nutzung der jeweils einzelnen Einrichtungen hatte. Das Verwaltungsgericht muss nicht auf jedes Vorbringen der Beteiligten in allen Einzelheiten eingehen. Darin liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO).
Die Bescheide zur vorläufigen Übertragung der Verwalterbestellung hat das Verwaltungsgericht einer eingehenden Bewertung unterzogen. Seine Schlussfolgerung ist nicht verfahrensfehlerhaft, weil sie aus Gründen der Logik nicht schlechthin unmöglich ist. Das Verwaltungsgericht hat es für möglich gehalten, dass die Landesregierung bei Abfassung der vorläufigen Übertragungsbescheide im Jahre 1950 von bereits enteigneten Vermögenswerten ausgegangen war und lediglich keine Kenntnis darüber hatte, dass die in Kühlungsborn bzw. Heiligendamm belegenen Vermögenswerte der Klägerin schon auf Antrag des FDGB bzw. der Sozialversicherungsanstalt Mecklenburg in Eigentum des Volkes im Grundbuch umgeschrieben worden waren (UA S. 12).
Wenn die Klägerin schließlich einen beachtlichen Verfahrensfehler darin sieht, dass das Verwaltungsgericht das Verbot widersprüchlichen Verhaltens nicht beachtet hat, greift sie das angefochtene Urteil aus materiellrechtlichen Gründen an und lässt dabei zudem ihr Klageziel außer Betracht. Sie begehrt mit ihrer in Form einer Verpflichtungsklage erhobenen besonderen Leistungsklage die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung ihrer Restitutionsberechtigung. Dazu bedarf sie eines Anspruchs, der sich aus materiellem Recht ergeben muss (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO); Schutzrechte gegenüber belastenden Verwaltungsakten reichen dazu nicht aus.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Mangels Antrages waren die Kosten der Beigeladenen nicht erstattungsfähig. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. von Heimburg, Postier
Fundstellen