Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 28.06.2010; Aktenzeichen 1 B 09.1911) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.
Rz. 3
a) Die Revision ist nicht wegen des behaupteten Verfahrensmangels einer unzureichenden Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) zuzulassen. Die Beschwerde macht im Hinblick auf die vom Verwaltungsgerichtshof festgestellte Wandhöhenüberschreitung die “Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung” geltend und beanstandet, dass die Wandhöhe “zu keinem Zeitpunkt … in nachvollziehbarer Weise gemessen” worden sei. Entgegen den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (vgl. hierzu Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26) legt sie jedoch nicht dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, um die “Nachvollziehbarkeit” sicherzustellen, die die Beschwerde den – u.a. auf Nachmessungen Bezug nehmenden – Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Wandhöhe abspricht. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde auf, warum sich dem Verwaltungsgerichtshof ohne einen entsprechenden Beweisantrag des Klägers weitere Ermittlungen zur Wandhöhe hätten aufdrängen müssen. Allein der Umstand, dass dem Umfang der Wandhöhenüberschreitung Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung und mithin auch – wie die Beschwerde geltend macht – für die wirtschaftliche Existenz des Klägers zukommt, lässt ein sachliches Ermittlungsdefizit nicht entstehen. Mit der von der Beschwerde angeführten Stellungnahme des Ingenieurbüros Z… hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in widerspruchsfreier Weise auseinander gesetzt (UA Rn. 58), ohne dass die Beschwerde hierauf eingeht. Auf dieser Grundlage erweist sich die letztlich “ins Blaue hinein” erhobene Aufklärungsrüge als bloße Kritik an der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichtshofs, die einen Verfahrensmangel nicht begründen kann (vgl. etwa Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226).
Rz. 4
b) Mit einer weiteren Aufklärungsrüge macht die Beschwerde geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe das Angebot des Klägers, die Wandhöhe durch Verlegung der Dämmung des Dachs nach innen so zu reduzieren, dass lediglich eine Wandhöhenüberschreitung von einigen Zentimetern verbleibe, “nicht sachgerecht gewürdigt”. Dass der Verwaltungsgerichtshof, wie die Beschwerde rügt, auch insoweit mangels Beweiserhebung von falschen bzw. unvollständigen Tatsachen ausgegangen ist, lässt sich schon deswegen nicht erkennen, weil der Verwaltungsgerichtshof zugunsten des Klägers dessen weitestgehendes Vorbringen in der Vorinstanz zugrunde gelegt hat, wonach mit der Verlegung eine Höhenreduzierung von 33 cm zu erreichen ist. Einen darüber hinaus gehenden Reduzierungseffekt macht auch die Beschwerde nicht geltend. Auf dieser Grundlage kommt es auf die Zweifel, die der Verwaltungsgerichtshof an einem Reduzierungseffekt von mehr als 25 cm geäußert hat (“unwahrscheinlich”, UA Rn. 73 ff.), nicht an, weil nach seiner Rechtsauffassung selbst bei einer Höhenminderung von 33 cm eine Wandhöhenüberschreitung in einer Größenordnung verbleibt, die den Erlass einer Beseitigungsverfügung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigt (UA Rn. 72).
Rz. 5
c) Mangelnde Sachaufklärung rügt die Beschwerde darüber hinaus in Bezug auf ihren Vortrag, durch die angeordnete Beseitigung der Balkone sei die Statik des Gebäudes nicht mehr gewährleistet oder nur mit – existenzbedrohenden – Maßnahmen zu sichern, die das Gebäude in seinem Wesen veränderten und unbewohnbar machten; der Verwaltungsgerichtshof hätte den bautechnischen und finanziellen Umfang dieser Maßnahmen aufklären müssen. Auch diese Rüge rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Aufklärungsmangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (Beschluss vom 4. Oktober 2007 – BVerwG 4 BN 40.07 – BRS 71 Nr. 38 S. 180 m.w.N.). Nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs (UA Rn. 81) kommt es für die hier angeordnete Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände im Rahmen der Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Kosten bzw. den Wert der bei Befolgung der Anordnung beeinträchtigten Bausubstanz nicht an, weil derjenige, der ein Gebäude ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, die damit verbundenen Risiken regelmäßig selbst tragen müsse. Auf dieser Grundlage war die von der Beschwerde für erforderlich gehaltene Sachaufklärung nicht entscheidungserheblich. Ausnahmegründe, die ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigen, hat der Verwaltungsgerichtshof verneint. Soweit er dabei auf die weitere Bewohnbarkeit des klägerischen Gebäudes abgestellt hat, stützt er sich auf die Möglichkeit des Einbaus von Unterzügen, die sich aus der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme des Dipl. Ing. L… vom 6. März 2010 ergibt und in tatsächlicher Hinsicht – auch im Hinblick auf die verbleibende Raumhöhe – vom Kläger auch in der Beschwerde nicht in Frage gestellt wird. Die in der genannten Stellungnahme verneinte (Rechts-)Frage, ob in diesem Fall die erforderliche Mindestraumhöhe eingehalten ist, hat der Verwaltungsgerichtshof erkennbar bejaht. Von diesem – maßgeblichen – rechtlichen Standpunkt aus bestand auch in diesem Punkt kein weiterer Aufklärungsbedarf.
Rz. 6
d) Als weiteren Verfahrensmangel macht die Beschwerde einen Verstoß gegen die Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) geltend. Der Verwaltungsgerichtshof habe wichtigen Sach- und Rechtsvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen, nämlich den Hinweis, dass die beigeladene Gemeinde dem ursprünglichen, umlaufende Balkone vorsehenden Bauantrag des Klägers zugestimmt habe. Auch diese Rüge geht fehl. Das Recht auf Gehör gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lassen (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 2. September 2010 – BVerwG 9 B 12.10 – juris Rn. 5 m.w.N.). Bei der Prüfung, ob die Balkone mit der Außenbereichssatzung der beigeladenen Gemeinde vereinbar sind, hat sich der Verwaltungsgerichtshof erkennbar – und zutreffend – an einem objektivrechtlichen Maßstab und nicht an der von der Gemeinde im Rahmen ihrer Beteiligung nach § 36 BauGB geäußerten Rechtsauffassung orientiert. Danach konnte es auf das Vorbringen des Klägers zur Zustimmung der Gemeinde, die im Übrigen den ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, dass die Balkone außerhalb des “Bauraumes” liegen, aus Rechtsgründen nicht ankommen. Dasselbe gilt im Rahmen der Prüfung, ob die Abweichung von der Baugenehmigung nachträglich legalisiert werden kann, weil der Verwaltungsgerichtshof die – im Gegensatz zur Darstellung der Beschwerde durchaus (UA Rn. 60) geprüfte – Möglichkeit einer Befreiung bei Außenbereichssatzungen nach § 35 Abs. 6 Satz 3 BauGB ausgeschlossen und eine Zulassung der Balkone nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO (in entsprechender Anwendung) wegen nicht nur geringfügiger Überschreitung der maßgeblichen Begrenzungslinien abgelehnt hat.
Rz. 7
Auf dieser Grundlage scheidet auch die von der Beschwerde geltend gemachte Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aus, weil das Gericht nicht Umstände übergangen hat, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 21. Juli 2010 – BVerwG 4 B 1.10 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Rz. 8
2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.
Rz. 9
a) Die Beschwerde wirft zunächst folgende Frage auf:
“Kann bei einer Beseitigungsverfügung, die einen teilbaren Inhalt hat, wie vorliegend die einzelnen Balkone betreffend, eine Gesamtbeseitigung für zulässig erklärt werden, nur weil der betroffene Eigentümer kein Rückbaukonzept vorgeschlagen hat?”
Rz. 10
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie kein revisibles Recht i.S.d. § 137 Abs. 1 VwGO betrifft. Die Rechtsgrundlage für die angefochtene Beseitigungsverfügung findet sich im Landesrecht (Art. 82 Satz 1 BayBO 1998 = Art. 76 Satz 1 BayBO; vgl. UA Rn. 40). Eine Frage des Landesrechts ist es damit auch, nach welchen Grundsätzen die Bauaufsichtsbehörde das ihr nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen auszuüben hat. Bezüge zum Bundesrecht zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 11
b) Darüber hinaus will die Beschwerde folgende Frage geklärt wissen:
“Ist eine Vorgabe in einer Außenbereichssatzung für eine mit dem Hauptgebäude zu bebauende Fläche wirksam, die lediglich unter “Legende” vorgesehen ist, nicht aber im Satzungstext?”
Rz. 12
Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Soweit ihr ein verallgemeinerungsfähiger Inhalt zukommt, ist er in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (Beschlüsse vom 4. Januar 1994 – 4 NB 30.93 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 69 S. 1 f., vom 25. Oktober 1996 – 4 NB 28.96 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 81 S. 34 f. und vom 10. Januar 2001 – 4 BN 42.00 – NVwZ-RR 2001, 422 ≪423≫). Als Rechtsnorm unterliegt der Bebauungsplan und mithin auch eine Außenbereichssatzung dem Gebot formeller Bestimmtheit. Schon im Hinblick auf die grundrechtliche Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) müssen seine Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmenden Festsetzungen aus sich heraus klar und unmissverständlich sein. Der Gemeinde steht es frei, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Wie sich aus § 2 PlanzV ergibt, ist die Gemeinde nicht strikt an die Planzeichen der Planzeichenverordnung gebunden. Sie hat vielmehr die Wahl zwischen zeichnerischer und textlicher Festsetzung und kann im Fall zeichnerischer Festsetzung auch eigene Planzeichen verwenden, wenn der Inhalt der Festsetzung gleichwohl hinreichend deutlich erkennbar ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist der Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.
Rz. 13
c) Die weitere Frage:
“Ist die Vorgabe in einer Außenbereichssatzung mit dem Inhalt ‘mit dem Hauptgebäude zu bebauende Fläche’ eine wirksame Bestimmung?”
lässt sich nicht fallübergreifend beantworten, sondern ist auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Festsetzung nicht als Baulinie oder Baugrenze verstanden, sondern unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte der Satzung als Regelung eigener Art mit der Funktion, eine Bebauung mit Hauptgebäuden auf die mit gepunkteten Linien umgrenzten Flächen zu beschränken (UA Rn. 55). An diese Auslegung und die Feststellung, dass die Festsetzung den Bestimmtheitsanforderungen genügt, ist der Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Dass die Beschwerde den Sachverhalt anders würdigt als die Vorinstanz, verleiht der Sache nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung.
Rz. 14
d) Die Frage:
“Ist eine Außenbereichssatzung einer Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB zugänglich?”
wäre in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Das Erfordernis einer – vom Verwaltungsgerichtshof abgelehnten – Anwendung von § 31 Abs. 2 BauGB auf Außenbereichssatzungen besteht nach Ansicht der Beschwerde “gerade bei geringfügigen ‘Abweichungen’”. Ein solcher Fall liegt nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht vor (UA Rn. 61 – 63). Dass sich die Entscheidungserheblichkeit der Frage für ein Revisionsverfahren aus anderen Gesichtspunkten ergeben könnte, legt die Beschwerde entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht dar.
Rz. 15
e) Schließlich rechtfertigt auch die Frage:
“Nach welchen rechtlichen Kriterien beurteilt sich die Möglichkeit der Überschreitung einer in einer Außenbereichssatzung vorgegebenen Fläche, die mit dem Hauptgebäude bebaut werden kann?”
nicht die Zulassung der Revision. Der Verwaltungsgerichtshof geht bei der – wiederum bindenden – Auslegung der das klägerische Grundstück betreffenden Festsetzung “mit dem Hauptgebäude zu bebauende Fläche” erkennbar davon aus, dass über diese Fläche hinausreichende Balkone einer besonderen Zulassung bedürfen (UA Rn. 60). Auf dieser Grundlage können sich die von der Beschwerde aufgeworfenen Auslegungsfragen nicht stellen. Für die Legalisierung der danach vorliegenden Abweichung von der Außenbereichssatzung kommt neben der bereits unter d) abgehandelten und mit der vorliegenden Frage ohnehin nicht angesprochenen Vorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB insoweit § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO in Betracht, dessen Anwendbarkeit auf Außenbereichssatzungen aber nicht entscheidungserheblich ist, weil seine tatbestandlichen Voraussetzungen nach den auch insoweit bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht erfüllt sind. Andere Vorschriften, aus denen rechtliche Kriterien für die Möglichkeit der Überschreitung der festgesetzten Fläche hergeleitet werden könnten, auf die die Frage zielt, sind nicht erkennbar und werden von der Beschwerde auch nicht dargelegt.
Rz. 16
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Bumke
Fundstellen