Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 12 S 1013/97) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. November 1999 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, denn sie bezeichnet die von ihr geltend gemachten Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise. Inwieweit sich dies für einzelne Rügen bereits daraus ergibt, daß sie unstrukturiert, ohne erkennbare Hervorhebung und Gliederung in der Beschwerdebegründung verstreut sind, kann offen-bleiben.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen,
„ob Personen aus Ostanatolien, die wegen Verweigerung des Dorfschützeramtes – was den Verdacht der PKK-Sympathie aufbrachte – und deshalb politischen Repressalien ausgesetzt waren, hinreichende Sicherheit vor Verfolgung in einem anderen Landesteil, insbesondere in der Westtürkei haben”, (Beschwerdebegründung S. 1) und
„ob bei Einreisekontrollen ‚Sippenhaft’ in Form von Repressalien stattfindet bei nahen Angehörigen von PKK-Aktivisten, die den türkischen Sicherheitskräften als solche bekannt sind, sei es, daß sie per Haftbefehl gesucht werden, sei es, daß sie aufgrund anderer Erkenntnisse den türkischen Sicherheitskräften bekannt sind” (Beschwerdebegründung S. 6).
Damit wirft die Beschwerde indes keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähigen Rechtsfragen auf, sondern zielt – was sie zur ersten Frage selbst einräumt – auf die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung der politischen Verhältnisse im Heimatstaat der Kläger. In Wahrheit wendet sie sich mit ihren hierauf bezogenen Ausführungen in der Art einer Berufungsbegründung gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache kann sie damit nicht erreichen.
Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zeigt die Beschwerde auch nicht im Hinblick auf die Zulassung der Berufung durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Umdeutung der Grundsatz- in eine nachträgliche Divergenzrüge auf (Beschwerdebegründung S. 9). Abgesehen davon, daß die Beschwerde insoweit schon keine konkrete, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage bezeichnet und die Berufungszulassung als unanfechtbare Vorentscheidung nach § 173 VwGO, § 548 ZPO einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen ist (vgl. zuletzt etwa BVerwG, Beschluß vom 23. April 1998 – BVerwG 4 B 40.98 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87 = NVwZ 1998, 1179), ist es auch höchstrichterlich geklärt, daß ein unter Berufung auf eine Frage grundsätzlicher Bedeutung eingelegtes Rechtsmittel bei zwischenzeitlicher Klärung der Frage wegen sogenannter „nachträglicher Divergenz” zugelassen werden kann (vgl. zu dem insoweit vergleichbaren Revisionszulassungsverfahren die Rechtsprechungsnachweise bei Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 132 Rn. 55, 59 sowie zuletzt zur Möglichkeit und gegebenenfalls auch Notwendigkeit der Umdeutung einer Grundsatzrüge in eine nachträgliche Divergenzrüge im asylrechtlichen Berufungszulassungsverfahren BVerfG, Kammerbeschluß vom 21. Januar 2000 – 2 BvR 2125.97 –).
Auch die von der Beschwerde im Zusammenhang mit der Berufungszulassung erhobene Divergenzrüge (Beschwerdebegründung S. 10) ist nicht geeignet, die Überprüfung der Zulassungsentscheidung zu eröffnen, und genügt auch im übrigen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Weder bezeichnet sie einen abstrakten, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in dem angegriffenen Urteil des Berufungsgerichts, mit dem es von einem ebensolchen, vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz abgewichen sein soll, noch benennt sie diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Sollte die Beschwerde mit dem Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine Divergenz hiervon geltend machen wollen, übersieht sie zudem, daß Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht divergenzfähig sind. Auch die Verfahrensrügen sind ungenügend dargetan.
Die Beschwerde sieht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs zunächst dadurch verletzt, daß das Berufungsgericht ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und sich nicht damit auseinandergesetzt habe, daß sie nicht nur wegen der Niederlegung der Dorfschützertätigkeit des Klägers, sondern auch aus anderen Gründen in den konkreten Verdacht geraten seien, die PKK-Guerilla zu unterstützen. Ihren Angaben, die das Verwaltungsgericht für glaubwürdig gehalten habe, sei zu entnehmen gewesen, daß sie der PKK-Unterstützung verdächtigt worden seien, weil sie über die PKK-Guerilla keine Meldung gemacht und diese zu Hause beherbergt hätten, darüber hinaus weil ein Sohn des Klägers der PKK zugeordnet und inzwischen in Deutschland als Asylberechtigter anerkannt worden und weil engste Verwandte der Klägerin bekanntermaßen PKK-Kämpfer gewesen seien und u.a. ihr Bruder deswegen immer noch gesucht werde. Diesem Bruder der Klägerin hätten sie in ihrem Heimatdorf immer wieder zu essen gegeben und dadurch konkret einen Guerilla-Kämpfer unterstützt. Das Berufungsgericht habe statt dessen auf der Grundlage seiner Rechtsprechung, daß eine inländische Fluchtalternative für Kurden im Westen der Türkei nur dann ausgeschlossen sei, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprächen, daß sie von türkischen Sicherheitsbehörden unabhängig vom Dorfschützergeschehen und der Unterstützung der PKK verdächtigt und deshalb landesweit gesucht würden, „aktenwidrig” festgestellt, daß beim Kläger von einem über die Ausübung und die Aufgabe des Dorfschützeramtes hinausgehenden Verdacht der Unterstützung der PKK und insbesondere einer landesweiten Fahndung nicht ausgegangen werden könne (Beschwerdebegründung S. 4 ff., 12 f.). Den behaupteten Gehörsverstoß vermag die Beschwerde damit nicht aufzuzeigen. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden; nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, daß ein Gericht seine Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung entscheidungserheblichen Tatsachenvorbringens verletzt hat, kann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Einzelfall festgestellt werden (stRspr; vgl. etwa BVerfGE 96, 205 ≪216 f.≫ m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind hier nicht erkennbar. Die Beschwerde setzt sich nicht damit auseinander, ob sich für das Berufungsgericht aus dem angeführten Verdacht einer weitergehenden Unterstützung der PKK insbesondere wegen der Aktivitäten seines Schwagers in der PKK und der Zuordnung seines Sohnes zur PKK Anhaltspunkte für eine – weder im erst- noch im zweitinstanzlichen Gerichtsverfahren geltend gemachte – landesweite Fahndung nach dem Kläger hätten ergeben müssen. Nur dann hätte nach dem insoweit maßgeblichen tatrichterlichen Standpunkt des Berufungsgerichts (UA S. 9) Anlaß bestanden, die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative im Westen der Türkei in Zweifel zu ziehen. Im übrigen geht das Berufungsgericht an anderer Stelle des Urteils ausdrücklich auf die Asylanerkennung des Sohnes des Klägers und die Tätigkeit seines Schwagers für die PKK ein (UA S. 13), was nahelegt, daß es auch diesen Vortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, im Zusammenhang mit der inländischen Fluchtalternative jedoch offenbar nicht für erheblich gehalten hat. Auch damit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
Soweit die Beschwerde einen Gehörsverstoß im Hinblick auf die Zulassung der Berufung wegen nachträglicher Divergenz rügt, weil das Berufungsgericht die Kläger nicht auf sein zwischenzeitlich ergangenes Grundsatzurteil hingewiesen habe (Beschwer-debegründung S. 10), zeigt sie schon nicht schlüssig auf, an welchen Einwänden gegen die Zulassung der Berufung die Kläger dadurch gehindert gewesen sein sollten. Selbst wenn das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, die Kläger vor der Zulassung der Berufung auf diese Entscheidung hinzuweisen und wenn, wie sie weiter geltend machen, in Wahrheit keine Divergenz zu dieser Entscheidung vorgelegen hätte, begründete dies gleichwohl keinen zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensfehler des Berufungsurteils. Denn Fehler im Verfahren der Berufungszulassung, die nicht zur Nichtigkeit der Zulassungsentscheidung führen – was im Hinblick auf die hier geltend gemachten Verfahrensfehler ersichtlich ausgeschlossen werden kann – haben weder die Unzulässigkeit der Berufung noch sonst einen mit der Revision angreifbaren Fehler des Berufungsverfahrens zur Folge (BVerwG, Beschluß vom 23. April 1998 a.a.O. und etwa Beschluß vom 27. Mai 1988 – BVerwG 9 CB 19.88 – Buchholz 402.25 § 32 AsylVfG Nr. 6).
Soweit die Beschwerde schließlich beanstandet, das Berufungsgericht hätte angesichts der „überraschenden” Zulassung der Berufung und seiner Aufklärungspflicht zumindest eine mündliche Verhandlung mit persönlicher Anhörung der Kläger durchführen müssen, geht sie nicht darauf ein, daß die Kläger nach der Zulassung der Berufung ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (GA S. 45).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bemißt sich nach § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Hund, Dr. Eichberger
Fundstellen