Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 21.12.2004; Aktenzeichen 2 K 2802/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 21. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 165 000 € festgesetzt.
Gründe
Der Kläger beansprucht die Rückübertragung des Bankhauses B… & F… in Dresden. Das Bankhaus wurde von der B… & F… OHG getragen, an der der jüdische Bankier Dr. F…, Großvater und Rechtsvorgänger des Klägers, sowie der nichtjüdische Gesellschafter Alfred R… beteiligt waren. Durch Auseinandersetzungsvertrag der beiden Gesellschafter vom 29. April 1937 wurde die OHG aufgelöst und das Bankhaus mit Aktiven und Passiven zum 1. Januar 1937 von der Einzelfirma Alfred R… übernommen. Laut Handelsregistereintragung vom 5. Mai 1937 war Dr. F… aus der Gesellschaft ausgeschieden und die Gesellschaft aufgelöst. Durch Teilbescheid vom 27. Juli 1999 lehnte das Sächsische Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Rückübertragungsantrag ab und stellte neben anderem fest, dass der Kläger wegen des Verlusts der Beteiligung seines Rechtsvorgängers an der OHG einen Anspruch auf Entschädigung nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz habe. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Rechtsvorgänger des Klägers nur mit 50 % an der OHG beteiligt gewesen und damit das für die Rückübertragung des Unternehmens erforderliche Quorum nicht erreicht sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Senat hat das Rubrum des Verfahrens dahin berichtigt, dass Beschwerdeführer allein der Kläger und nicht auch die Firma B… & F… i.L. ist. Die Firma B… & F… i.L. war zwar im Rubrum des angegriffenen Urteils als Klägerin bezeichnet. Dabei handelte sich aber um eine offenbare Unrichtigkeit, die das Verwaltungsgericht inzwischen nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 3. Februar 2006 berichtigt hat. Wie sich aus dem Verhandlungsprotokoll sowie aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsgerichts ergibt, hatte das Verwaltungsgericht die im Wege der Klageerweiterung am 5. März 2004 erhobene Klage der Firma B… & F… i.L. in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss vom 21. Dezember 2004 abgetrennt mit der Maßgabe, dass sie unter dem Aktenzeichen 2 K 3014/04 beim Verwaltungsgericht fortgeführt wird. Demgemäß ist Gegenstand des Tenors, des Tatbestands und der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils ausschließlich die Klage des Klägers. Infolgedessen ging die irrtümlich auch im Namen der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde in diesem Verfahren von vornherein ins Leere. Ebenfalls abgetrennt hat das Verwaltungsgericht das Verfahren wegen Rückübertragung des Grundstücks R…straße 17 in Dresden (2 K 3013/04). Hierüber ist deshalb im Beschwerdeverfahren nicht zu befinden.
2. Die Revision gegen das angegriffene Urteil ist weder wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Unbegründet ist die Rüge der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe den Umfang der materiellen Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Dresden vom 8. März 1994 – 3 K 1913/93 – verkannt und zu Unrecht angenommen, dass die durch jenes Urteil abgelehnte Berechtigtenstellung der Alleinerbin von Dr. F…, der Mutter und Rechtsvorgängerin des Klägers, in Bezug auf die OHG im vorliegenden Verfahren Bindungswirkung entfalte. Der Senat kann offen lassen, ob es einen Verfahrensmangel darstellt, wenn sich ein Gericht zu Unrecht an die Rechtskraft einer früheren Entscheidung gebunden sieht und darum eine eigene Sachprüfung unterlässt. Weil diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht zu entscheiden wäre, fehlt es auch an ihrer von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung. Das Verwaltungsgericht hat nämlich zu Recht die Bindung an die Rechtskraft des Urteils vom 8. März 1994 angenommen.
Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger (§ 121 Nr. 1 VwGO). Durch das Urteil vom 8. März 1994 wurde in einem Verfahren, an dem der Kläger des vorliegenden Verfahrens als Beigeladener und der Rechtsvorgänger der Beklagten als Beklagter beteiligt waren, der Bescheid des Sächsischen Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 20. November 1992 aufgehoben, der festgestellt hatte, dass das Bankhaus B… & F… aufgrund der Anmeldung eines Anspruchs auf Unternehmensrückgabe durch die Rechtsnachfolgerin des Alleininhabers gemäß § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG wieder aufgelebt sei. Das Verwaltungsgericht begründete sein Urteil mit den selbständig tragenden Erwägungen, dass es an der Ermächtigung für einen derartigen Feststellungsbescheid fehle und dass das Bankhaus B… & F… seit 1924 von einer OHG betrieben worden sei, an der Dr. F… und Alfred R… jeweils zur Hälfte beteiligt gewesen seien. Streitgegenstand jenes Urteils war der prozessuale Anspruch der klagenden Treuhandanstalt, den die Rückübertragungsberechtigung der Mutter des Klägers feststellenden Bescheid aufzuheben, weil die Beteiligung von Dr. F… an der OHG als Unternehmensträgerin des Handelsgeschäfts Bankhaus B… & F… höchstens 50 % betragen habe und deshalb das Quorum nicht erreicht sei (§ 6 Abs. 1a Satz 2 und 3 VermG). Die im Urteil vom 8. März 1994 im negativen Sinn entschiedene Berechtigung der Mutter des Klägers zur Rückübertragung des Bankhauses B… & F… entfaltet als Entscheidungssatz für das angegriffene Urteil Bindungswirkung, weil eben diese Berechtigung für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Rückübertragung des Bankhauses B… & F… positive Voraussetzung ist (vgl. Urteil vom 10. Mai 1994 – BVerwG 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 ≪26 f.≫).
Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen verkennt, dass der Entscheidungssatz des Urteils vom 8. März 1994 zur fehlenden Rückübertragungsberechtigung der Mutter des das vorliegende Verfahren betreibenden Klägers weder eine nicht tragende Hilfsbegründung (“obiter dictum”) ist noch eine alternative Begründung darstellt, die zu Zweifeln am Umfang der Rechtskraft führt; aus diesem Grund stellt sich auch nicht die von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob eine Hilfsbegründung in materielle Rechtskraft erwächst. Der entsprechende Entscheidungssatz, der sich aus den Gründen des der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils ergibt, steht selbständig neben dem hier nicht interessierenden weiteren Entscheidungssatz zur fehlenden Ermächtigungsgrundlage. Da die Begründungen das Urteil jeweils unabhängig voneinander tragen, nehmen sie beide an der Rechtskraft teil. Entgegen der Ansicht der Beschwerde betreffen beide Begründungen den Klageerfolg in der Sache, so dass sich die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen zur Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung bei Klageabweisung zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlichrechtlichen Gründen nicht stellen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2000 – BVerwG 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 ≪312≫).
Unzutreffend ist schließlich die Annahme der Beschwerde, dass der Entscheidungssatz des Urteils vom 8. März 1994 nur die Alleininhaberschaft von Dr. F… verneint habe und die Erwägungen zu den Beteiligungsverhältnissen an der OHG nicht entscheidungserheblich gewesen seien. Das Verwaltungsgericht hat in jenem Urteil den Bescheid mit der tragenden Begründung aufgehoben, dass das Quorum für ein Wiederaufleben des als Handelsgeschäft der OHG betriebenen Bankhauses B… & F… durch die Anmeldung der Erbin von Dr. F… nicht erreicht wurde, weil deren Rechtsvorgänger zu nicht mehr als 50 % an der OHG beteiligt war. Die Entscheidungserheblichkeit dieser Erwägung folgt daraus, dass sie der Rechtsgrund für die von der damaligen Klägerin – der Treuhandanstalt – angestrebte Ablehnung der Rückübertragungsberechtigung der Mutter des Klägers war. Die negative Entscheidung über die Rückübertragungsberechtigung der Mutter des Klägers impliziert den Mangel des Quorums nicht nur in Bezug auf die nach Ansicht des Verwaltungsgerichts niemals existente Einzelfirma Bankhaus B… & F…, sondern auch in Bezug auf die OHG als den Rechtsträger dieses Handelsgeschäfts mit der Beteiligung des Rechtsvorgängers des Klägers, die seit 1924 bis zur Auflösung der OHG bestand.
Angesichts dessen geht auch der Vorwurf der Beschwerde fehl, dem angegriffenen Urteil ermangele es an einer Begründung dafür, weshalb das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen habe. Der Vorwurf beruht auf der unzutreffenden Annahme der Beschwerde, dass die Rechtskraft des Urteils vom 8. März 1994 keine Bindungswirkung für das angegriffene Urteil entfalte. Ebenso wenig verfahrensfehlerhaft ist, dass das Verwaltungsgericht nicht über einen Anspruch auf Restitution von Anteilen an der OHG entschieden hat. Abgesehen davon, dass solche Anteile an einem nicht wieder aufgelebten Unternehmensträger nicht eingeräumt werden können, hat der Kläger nach der Wiedergabe seines Klageantrags im Tatbestand des angegriffenen Urteils keinen Antrag auf Anteilsrestitution gestellt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Sailer, Herbert, Guttenberger
Fundstellen