Verfahrensgang
VG Magdeburg (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen 4 A 31/10 MD) |
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 22. Juni 2010 werden zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Kläger sind alleinige Gesellschafter einer 1935 gegründeten GmbH. Sie begehren die Aufhebung einer entschädigungslosen Enteignung der Gesellschaft im Wege der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung. Die Gesellschaft war Eigentümerin zweier Grundstücke in Sachsen-Anhalt. Diese Grundstücke wurden 1950 in Eigentum des Volkes überführt. Im Grundbuch ist als Grundlage das Enteignungsgesetz des Landes Thüringen und der Befehl der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) Nr. 64 vom 17. April 1948 angegeben. Die Klage der Gesellschaft auf Rückübertragung der Grundstücke nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) hat das Verwaltungsgericht Dessau mit rechtskräftigem Urteil vom 7. November 2000 – 3 A 29/98 DE – abgewiesen. Auch Antrag und Klage auf Aufhebung der Enteignung im Wege der Rehabilitierung nach § 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG) blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, es sei nicht entscheidungserheblich, ob die Enteignung § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG (“Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage”) zuzuordnen und die Rehabilitierung daher gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG ausgeschlossen sei. Denn die Kläger seien gemäß § 9 Abs. 1 VwRehaG nicht antragsberechtigt, weil die Enteignung sich nicht gegen natürliche, sondern eine juristische Person gerichtet habe. Auch die seinerzeitigen Gesellschafter und Geschäftsführer, von denen die Kläger ihre Rechtsposition ableiten wollten, seien persönlich von keiner Maßnahme politischer Verfolgung betroffen gewesen. Die Kläger, die lediglich Gesellschaftsanteile übernommen hätten, könnten auch keine Folgeansprüche im Sinne des § 2 VwRehaG stellen.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 2
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
Rz. 3
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
Rz. 4
a) Die Kläger werfen zunächst die Fragen auf:
“Setzt die Antragsbefugnis gemäß § 9 Abs. 1 VwRehaG (…) ein Verwandtschaftsverhältnis, eine gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge bzw. ein besonderes persönliches Näheverhältnis zwischen Antragsteller und Geschädigtem voraus? Oder ist ‘ein rechtliches Interesse an der Rehabilitierung des unmittelbar Betroffenen’ gemäß § 9 Abs. 1 VwRehaG auch gegeben, wenn ohne ein solches Verwandtschaft(s)-, Erbschaft(s)- oder Näheverhältnis, der heutige Antragsteller nach einer Rehabilitierung der Maßnahmen gegen den unmittelbar Betroffenen, Folgeansprüche gemäß § 1 Abs. 7 VermG geltend machen kann?”
Rz. 5
An der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfragen fehlt es, weil sie nicht entscheidungserheblich sind und im Übrigen, soweit nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts von Belang, ohne Weiteres aus dem Gesetz beantwortet werden können. § 9 Abs. 1 VwRehaG bestimmt, dass der Antrag nach § 1 von einer natürlichen Person, die durch die Maßnahme unmittelbar in ihren Rechten betroffen ist, und nach deren Tod von demjenigen, der ein rechtliches Interesse an der Rehabilitierung des unmittelbar Betroffenen hat, gestellt werden kann. Die Antragsberechtigung knüpft damit schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ausschließlich an die ursprüngliche Betroffenheit einer natürlichen Person an. Von der Enteignung, deren Aufhebung die Kläger beanspruchen, war nach den unbeanstandeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts jedoch die Gesellschaft als Eigentümerin der Grundstücke betroffen. Juristische Personen sind in den Schutzbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes nicht einbezogen, weil das Gesetz auch eine moralische Rehabilitierung und eine gewisse Genugtuung anstrebt, was bei einer juristischen Person nicht erreicht werden kann (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht, BTDrucks 12/4994 S. 37 ≪zu § 9 Abs. 1 Nr. 1≫ und S. 68 ≪Buchst. a zu Nr. 11≫).
Rz. 6
Abgesehen davon ist klar, dass § 9 Abs. 1 VwRehaG für die Antragsberechtigung Dritter nicht auf die von den Klägern angesprochenen Beziehungen verwandtschaftlicher oder erbrechtlicher Art oder ein “Näheverhältnis” zum Betroffenen abstellt; erforderlich ist ausdrücklich ein rechtliches Interesse des Dritten an der Rehabilitierung. Anders als bei der so genannten moralischen Rehabilitierung nach § 1a VwRehaG steht bei der Rehabilitierung nach § 1 Abs. 1 VwRehaG nicht die ideelle Genugtuungsfunktion im Vordergrund. Vielmehr bildet die Aufhebung oder Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit einer Maßnahme nach § 1 VwRehaG eine Voraussetzung für Folgeansprüche des unmittelbar Betroffenen wegen gesundheitlicher Schädigungen, Eingriffen in Vermögenswerte oder beruflicher Benachteiligungen, die durch die rechtsstaatswidrige Verwaltungsentscheidung verursacht sind (vgl. § 2 Abs. 1 i.V.m. §§ 3, 7 und 8 VwRehaG). Daher ist es konsequent, dass Dritte nach dem Tod des unmittelbar Betroffenen nicht besser gestellt werden, also dessen Rehabilitierung nicht allein aus ideellem Interesse sollen verlangen können, sondern ebenfalls nur mit Blick auf eigene Folgeansprüche. Für diese kann eine “tatsächliche Nähebeziehung” zum unmittelbar Betroffenen allerdings Bedeutung haben, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs hervorgehoben wird (BTDrucks 12/4994 S. 38).
Rz. 7
Das Verwaltungsgericht hat denkbare Folgeansprüche der Kläger verneint. Die Beschwerde zieht diese Bewertung nicht durchgreifend in Zweifel. Im Anschluss an die Aufhebung einer Enteignung ergäben sich Folgeansprüche, worauf die Kläger wiederholt selbst hinweisen, ausschließlich nach Maßgabe von § 1 Abs. 7 VermG (vgl. § 7 Abs. 1 VwRehaG). Diese Vorschrift erlaubt eine Rückübertragung indes nur an Berechtigte (§ 3 Abs. 1 VermG). Zu diesen gehören weder die Kläger noch die früheren Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft. Berechtigte im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 2 Abs. 1 VermG natürliche und juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Rechtsnachfolger. Von der Enteignung betroffen war jedoch nur die Gesellschaft. Die Kläger sind Nachfolger früherer Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft, nicht aber Rechtsnachfolger des allein berechtigten Unternehmens. Dass sie Folgeansprüche gemäß § 2 VwRehaG geltend machen könnten, wenn die früheren Gesellschafter oder Geschäftsführer durch die Enteignungen der Gesellschaft persönlich betroffen sein sollten, ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich. Damit erübrigt sich auch eine Antwort auf die Frage:
“Ist ferner ein Gesellschafter und alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer ‘unmittelbar’ i.S.d. § 9 Abs. 1 VerwRehaG in seinen Rechten betroffen, wenn sein Vermögen, das er in Form eines Unternehmens organisiert hat, durch rechtsstaatswidrigen Entzug von Vermögenswerten dieses Unternehmens geschädigt wurde oder setzt eine solche ‘unmittelbare’ Betroffenheit (…) voraus, dass geschädigte Grundstücke unmittelbar in Privateigentum der betroffenen Person standen bzw. dass Unternehmensanteile der betroffenen Personen entzogen wurden?”
Rz. 8
b) Die weiteren ausdrücklich aufgeworfenen oder angesprochenen Fragen, die sich teilweise nur ganz allgemein gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts wenden, wären in einem Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. Auf die Fragen:
“Soweit mit der Auffassung der Kläger eine Antragsbefugnis unabhängig von einem Verwandtschafts-, Erbschafts- oder Näheverhältnis dann gegeben ist, wenn der Antragsteller berechtigt ist, Folgeansprüche gemäß § 1 Abs. 7 VermG geltend zu machen, sind dann die heutigen Inhaber eines Unternehmens oder das Unternehmen selbst, dessen Vermögenswerte auf Grundlage einer rechtsstaatswidrigen politischen Verfolgung der damaligen Inhaber geschädigt wurde, berechtigt, solche Folgeansprüche gemäß §§ 2, 7 VerwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 7 VermG geltend zu machen? Oder sind auch dazu die gesetzlichen oder gewillkürten Erben oder gar alle Verwandten oder gar alle Personen mit einem Näheverhältnis zum unmittelbar Betroffenen berechtigt?”
kommt es nach dem zu 1 a) Dargelegten nicht an, denn sie unterstellen eine Antragsberechtigung im Hinblick auf Ansprüche aus § 1 Abs. 7 VermG, die die Kläger nicht geltend machen können.
Rz. 9
Die Frage:
“Macht es für die Frage, ob ein rechtstaatswidriger, politisch verfolgungsbedingter Vermögensverlust im Sinne des § 1 Abs. 1 VerwRehaG vorliegt, einen Unterschied, ob die oder den betroffenen Gesellschaftern eines Unternehmens bei der Enteignung der persönliche Vorwurf gemacht wird, sie seien aktive Nationalsozialisten oder Kriegsverbrecher oder im Sinne der damaligen Vorschriften unterstellt wird, das gesamte Unternehmen sei ein Nazi- oder Kriegsverbrecherunternehmen und habe im Sinne der Nationalsozialisten geschäftliche Aktivitäten entfaltet?”
stellen die Kläger ausdrücklich zu den materiellrechtlichen Voraussetzungen des Rehabilitierungsanspruchs aus § 1 Abs. 1 VwRehaG, zu denen ein Revisionsverfahren nicht vordringen würde.
Rz. 10
2. Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen ebenfalls nicht vor. Das Verwaltungsgericht verletzt mit seinen Ausführungen zur vermeintlich nationalsozialistischen Belastung eines ehemaligen Geschäftsführers und deren Bedeutung für die Enteignung (UA S. 7) weder den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) noch Denkgesetze oder das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Diese Ausführungen beziehen sich auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Rehabilitierungsanspruchs gemäß § 1 Abs. 1 VwRehaG und sind ersichtlich nur hilfsweise angestellt. Auf sie kommt es nach dem Vorstehenden nicht an, sodass das angefochtene Urteil auf einer insoweit fehlerhaften Überzeugungsbildung nicht beruhen könnte.
Rz. 11
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Dr. Wysk
Fundstellen