Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 15.01.1997; Aktenzeichen 2 S 999/94) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 750 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Der Rechtssache kommt die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Da das Berufungsurteil – wie die Beschwerde zutreffend erkannt hat – auf zwei jeweils selbständig tragenden Begründungen beruht, könnte im Hinblick auf das Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit die Revision nur dann zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der beiden tragenden Begründungen eine Frage grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet wird und vorliegt (stRspr, vgl. u.a. Beschluß vom 15. Juni 1990 – BVerwG 1 B 92.90 – Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 10 ≪11≫). Daran fehlt es.
Nach der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten gelten als steuerpflichtige Zweitwohnungen auch “Wasserfahrzeuge, wenn sie mit Wohn-, Koch- oder sanitären Einrichtungen ausgestattet sind und einen festeingebauten Behälter zur Aufnahme von Fäkalien und Abwässern haben”; der Steuerschuldner hat derartige Wasserfahrzeuge dann “im Gemeindegebiet inne, wenn sie auf einem Gemeindegrundstück oder auf dem Bodensee in einer Entfernung von nicht mehr als 100 m zur Uferlinie der Gemeinde … für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum” – d. h., wie an anderer Stelle der Satzung definiert, für mehr als drei Monate – “einen Liegeplatz” haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die genannte Satzungsregelung für ungültig gehalten, soweit sie – zum einen – bestimmte Wasserfahrzeuge Wohnungen gleichstellt und unabhängig davon – ferner – insoweit, als sie auch Bootsliegeplätze erfaßt, die sich in einer Entfernung von nicht mehr als 100 m zur Bodensee-Uferlinie der Gemeinde befinden, weil die Satzung sich damit Regelungsbefugnisse für räumliche Bereiche außerhalb des Gemeindegebiets beimesse.
Zumindest die hinsichtlich der ersten Begründung von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind nicht klärungsbedürftig, so daß dahinstehen kann, ob das gleiche auch hinsichtlich des zweiten tragenden Grundes – fehlende Gemeindezugehörigkeit der fraglichen Wasserfläche – gelten würde. Hinsichtlich der ersten Urteilsbegründung hält die Beschwerde zusammenfassend für klärungsbedürftig,
ob einerseits die typisierende steuerliche Gleichbehandlung von Wohnungen und (Wasser-)Fahrzeugen, die bestimmte, deren Nutzung zu Wohnzwecken ermöglichende Ausstattungsmerkmale – nämlich Wohn-, Koch- oder Sanitäreinrichtungen – aufweisen, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und ob die steuerliche Erfassung bestimmter Boote andererseits mit Blick auf die Nichtbesteuerung ansonsten vergleichbarer Wasserfahrzeuge eine willkürliche Ungleichbehandlung darstellt.
Schon die erste Frage ist jedoch für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ohne weiteres mit der Folge der Nichtigkeit der Satzung zu bejahen. Der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es hierzu nicht. Umfang und Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sind – soweit dies abstrakt und generell, also losgelöst von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles möglich ist – durch eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen geklärt. Danach steht für den Bereich steuerlicher Regelungen fest, daß dem Steuergesetzgeber bei der Entscheidung, welche Steuerquellen erfaßt werden sollen, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit im Rahmen seiner finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen zukommt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325 ≪354≫; Urteil vom 8. Dezember 1995 – BVerwG 8 C 36.93 – Buchholz 401.67 Schankerlaubnissteuer Nr. 20 S. 1 ≪9 ff.≫). Davon ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat ferner zutreffend erkannt, daß diese weitgehende Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers ihre Grenze dort findet, wo kein einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung ersichtlich ist (BVerfG, Beschluß vom 6. Dezember 1983, a.a.O.). Auf dieser zweifelsfreien Grundlage hat der Verwaltungsgerichtshof die fiktive Gleichsetzung von in bestimmter Weise ausgestatteten Booten mit Zweitwohnungen wegen ihrer jeweils unterschiedlichen Funktion zutreffend für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG gehalten. Die Satzung der Beklagten behandelt nämlich jedes Wasserfahrzeug, das entweder eine Wohngelegenheit oder eine Kochgelegenheit oder eine sanitäre Einrichtung aufweist als Wohnung. Damit ist bereits mit Blick auf die notwendige Grundausstattung einer Wohnung nur noch eine parzielle und entfernte Vergleichbarkeit zwischen derartigen Booten und Zweitwohnungen als dem eigentlichen Steuergegenstand gegeben: Eine Wohnung ohne Küche oder ohne Wohnraum oder ohne jegliche Sanitäreinrichtung würde dem Wohnungsbegriff nicht genügen und wäre für den Aufenthalt von Menschen ungeeignet. Der Berührungspunkt zwischen Booten mit einer solch rudimentären “Wohnausstattung” und den steuerlich unmittelbar erfaßten Zweitwohnungen liegt noch ferner, wenn die – im Vergleich zu “echten” Wohnungen – gelockerte Ortsfestigkeit und damit der reduzierte örtliche Bezug in Rechnung gestellt wird; auch insoweit ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ersichtlich mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Schließlich kommt hinzu, daß aus Rechtsgründen Haus- oder Wohnboote – deren zweitwohnungssteuerliche Erfassung in Betracht kommen mag (vgl. Beschluß vom 5. März 1996 – BVerwG 8 B 2.96 –, Abdruck S. 6 f., insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 11 S. 12 ff.) –, also Wasserfahrzeuge, die nach Bau- oder Betriebsart oder nach Ausstattung überwiegend für Wohnzwecke bestimmt sind, auf dem Bodensee nicht zugelassen werden dürfen und deshalb eine auf Dauer angelegte Wohnnutzung von Booten dort unzulässig ist (vgl. Art. 14.01 Abs. 3 der Bodensee-Schiffahrts-Ordnung, Anlage zu § 1 der Verordnung über die Schiffahrt auf dem Bodensee vom 1. März 1976 ≪GBlBW S. 257≫). Das Erfordernis eines dauerhaften, für mehr als drei Monate gemieteten Liegeplatzes rechtfertigt die Gleichbehandlung von Booten mit Zweitwohnungen ebenfalls nicht, weil – wie dargelegt – eine gleichsam ortsfeste wohnliche Nutzung der Boote unzulässig wäre und die Nutzung als Wasserfahrzeug mit einer Wohnnutzung nicht vergleichbar ist.
Da die Beschwerde somit jedenfalls hinsichtlich dieser tragenden Begründung des Berufungsurteils keinen Klärungsbedarf aufzeigt und der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bereits die vom Berufungsgericht ausgesprochene Aufhebung der angefochtenen Bescheide trägt, entfällt für die übrigen von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen die Klärungserwartung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Kleinvogel, Sailer, Krauß
Fundstellen