Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 16.08.2001; Aktenzeichen 9 B 98.35080) |
Tenor
Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. August 2001 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Die Beschwerde hat mit einer Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) Erfolg. Der angefochtene Beschluss verletzt die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO). Wegen dieser Verfahrensmängel, auf denen die Entscheidung beruht, weist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurück.
Der Kläger, ein äthiopischer Staatsangehöriger oromischer Volkszugehörigkeit, hat geltend gemacht, vor seiner Ausreise aus Äthiopien wegen Unterstützung der OLF mehrere Monate inhaftiert gewesen und dabei gefoltert worden zu sein. Das Berufungsgericht ist in seinem im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO ergangenen Beschluss demgegenüber davon ausgegangen, der Kläger habe nicht glaubhaft machen können, seinen Heimatstaat wegen erlittener oder unmittelbarer drohender politischer Verfolgung verlassen zu haben. Es teile die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) in dem Ablehnungsbescheid hinsichtlich der Sachdarstellung des Klägers geäußerten Bedenken (BA S. 4). Der Kläger rügt insoweit im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht diesen Schluss in seinem Fall nicht hätte ziehen dürfen, ohne sich zuvor ein eigenes Bild von der Glaubwürdigkeit des Klägers gemacht zu haben.
Zwar hat das Verwaltungsgericht, das den Kläger in mündlicher Verhandlung gehört hat, es ausdrücklich dahinstehen lassen, ob er, wie behauptet, vorverfolgt aus Äthiopien ausgereist sei, so dass das Berufungsgericht insoweit nicht durch eine Beweiswürdigung der Vorinstanz gebunden war (zu den hierfür geltenden Grundsätzen vgl. etwa Beschluss vom 28. April 2000 – BVerwG 9 B 137.00 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235 m.w.N.). Der vom Verwaltungsgericht als glaubhaft angesehenen Unterstützungstätigkeit des Klägers für die OLF in seinem Heimatland hat das Berufungsgericht keine verfolgungsbegründende Bedeutung beigemessen; daran war es verfahrensrechtlich nicht gehindert. Das Berufungsgericht hätte sich jedoch nicht ohne eigene Anhörung des Klägers die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit durch das Bundesamt zu Eigen machen dürfen. Das Bundesamt hat in seinem das Asylbegehren des Klägers ablehnenden Bescheid im Einzelnen begründet, weshalb es ihm wegen verschiedener Widersprüche, fehlender Substantiierung und mangelnder Plausibilität in seinem Vorbringen das geschilderte Verfolgungsschicksal nicht geglaubt hat (S. 3 bis 6 des Bescheids). Mit der Bezugnahme hierauf übernimmt das Berufungsgericht unter Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 VwGO) die Glaubwürdigkeitsbeurteilung des Bundesamts. Um eine grundsätzlich zulässige eigene Würdigung der bei der Anhörung durch das Bundesamt protokollierten Aussagen des Klägers durch das Berufungsgerichts handelt es sich hierbei ersichtlich nicht. Damit verstößt der angefochtene Beschluss zugleich gegen den Grundsatz der richterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Denn zu einer Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Klägers hätte das Berufungsgericht hier nur aufgrund einer persönlichen Anhörung des Klägers gelangen dürfen, wie sie von dessen Prozessbevollmächtigten im Berufungsverfahren auch ausdrücklich beantragt worden war (zu den vorstehenden angewandten Verfahrensrechtsgrundsätzen vgl. zusammenfassend den Beschluss vom 10. Mai 2002 – BVerwG 1 B 392.01 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der angefochtene Beschluss beruht auf dem festgestellten Verfahrensrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei einer persönlichen Anhörung des Klägers dessen Vortrag zu seinem individuellen Verfolgungsschicksal in entscheidungserheblichen Teilen Glauben geschenkt und daraus auf eine erlittene politische Verfolgung geschlossen hätte. Dann hätte es die Klage zu § 51 Abs. 1 AuslG nur für den Fall einer hinreichenden Sicherheit des Klägers bei seiner Rückkehr abweisen dürfen. Von einer solchen Sicherheit geht das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluss jedoch nicht aus.
Da die Beschwerde bereits wegen der festgestellten Verfahrensrechtsverletzungen Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Beschwerde weiter geltend gemachte, gleichfalls im Ergebnis auf einen Verfahrensrechtsverstoß zielende Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vorliegt.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Dr. Eichberger
Fundstellen